Erstellt am: 24. 10. 2014 - 18:39 Uhr
"Capitalism stinks!"
Elevate 2014
Das Festival für Musik, Kunst & politischen Diskurs
23.-26. Oktober 2014, Graz
Alles dazu auch auf fm4.orf.at/elevate2014 und 2014.elevate.at.
Der Videostream befindet sich ganz unten in der Story.
Ist es jetzt neun oder zehn Jahre her als in Graz ein junges Team um die Masterminds Daniel Erlacher, Roland Oreski und Bernhard Steirer zum ersten Mal das Elevate Festival auf die Beine gestellt hat? Es ist heuer die zehnte Ausgabe, also ist es neun Jahre her - 2005 war das erste Festival. Aber wie dem auch sei: Das Elevate kann sich im Rückblick zweifellos auf die Fahnen heften, nicht nur bei Clubmusik von Anfang an eine Pionierrolle eingenommen zu haben. Das Festival war auch schon früh ein Seismograf für politische, gesellschaftliche und soziale Veränderungen und Notwendigkeiten für die Zukunft.
Robert Glashüttner
In den ersten paar Jahre hätte man bei oberflächlicher Betrachtung die alternativen Ideen und Projekte des Elevate noch als Spinnereien von seltsamen Hippies und negativen Verschwörungstheoretikern abtun können. Spätestens seit 2008, durch die Weltwirtschaftskrise und deren verheerende Folgen für die Menschen, sowie netzpolitische Entwicklungen mit immenser Sprengkraft wie Wikileaks oder NSA-Skandal, wurde man von der globalen Realität eines Besseren belehrt. Die Elevate-Macher/innen stehen jetzt, bei der Eröffnung der zehnten Ausgabe, auf der Bühne und sind aufgrund ihrer sich bewahrheiteten Vorahnung weniger stolz sondern eher ernüchtert darüber, dem Publikum nun told you so sagen zu müssen. Doch die meisten, die hier sind, wissen ja schon länger, worum es geht. Es geht um eine nachhaltige, solidarische Zukunft für deren Umsetzung es nicht mit ein paar guten Worten und einer einmaligen Veranstaltung getan sein kann.
Smash capitalism!
Was früher in erster Linie als Punk-Parole auf urbane Mauern gemalt wurde, ist längst im Hörsaal angekommen. John Holloway, der in Mexiko lehrende Soziologieprofessor und Kapitalismuskritiker, meint, dass es mittlerweile genüge, das Bauchgefühl der Menschen laut auszusprechen: Capitalism stinks! Warum es langfristig keine Rettung für den ständig an allen Enden geflickten Spätkapitalimus geben kann und wie die Alternativen aussehen sollen: das zu besprechen, sei dann der nächste, große Schritt.
Robert Glashüttner
Holloway spricht bei der Eröffnungsrede ein verblüffend gutes Deutsch und ist zunächst hingerissen vom Wortsinn des Begriffs Eröffnung. Es sei tatsächlich wichtig, zu öffnen, aufzumachen, einen komplett neuen Weg freizulegen. Denn mit den Regierungen - soviel sei klar - werde das System nie geändert werden können. Diese müssten übergangen werden. Dass das letztlich eine Revolution bedingt, deren Wesen und schon gar ein möglicher friedlicher Ablauf in den weit entfernten Sternen steht, darüber spricht hier beim Elevate niemand. Aber es stimmt schon: Wichtig ist mal das Erkennen der Dringlichkeit, die Notwendigkeit für Zusammenarbeit und Solidarität anstatt die Ich-AG zu fetischisieren und ewig einem "Markt" hinterherzuhecheln, dem das Individuum scheißegal ist und immer sein wird. Gesichtslose Konglomerate und Konzerne, so John Holloway, wollen vor dem Gesetz wie Menschen behandelt werden, sie sind aber keine.
Secure me up
Wie gefährlich Dissidenz und Systemkritik sein können, wissen Aufdecker und ihre Ermöglicher wie Julian Assange oder Edward Snowden nur zu gut. Snowden publiziert über den US-amerikanischen Journalist Glenn Greenwald nun schon seit einigen Monaten über die Website The Intercept weitere Geheimdokumente von der NSA. Um die Site am Laufen zu halten und sowohl Whistleblower als auch Seitenbetreiber zu schützen, sind unter anderem IT-Wunderkinder wie Micah Lee engagiert. Er wird bei der Eröffnung von den Elevate-Leuten als digitaler Bodyguard bezeichnet, eine Beschreibung, die Lee von einem Journalisten bekommen hat. Micah Lee wirkt auf der Bühne und beim FM4-Interview entspannt und ausgeglichen. Sein Rezept, um bei so einem Beruf nicht an chronischer Paranoia zu erkranken? - Es als Job zu sehen und ihn gut und pragmatisch abwickeln, so die Antwort. Wenn man die Tools dafür beherrscht und mit neuesten Software-Exploits und Hacking-Maßnahmen am Ball bleibt, haut das alles schon ziemlich gut hin.
Robert Glashüttner
A box to be free
Schon seit einiger Zeit auf Tour ist Markus Sabadello, ein IT-Experte aus Österreich - allerdings nicht für sich selbst, sondern um die Freedombox zu präsentieren. Die Freedombox ist ein kleiner Computer, genauer gesagt die Software, die darauf läuft, und die uns ein kleines bisschen an digitaler Privatsphäre und Selbstbestimmung zurückgibt. Wir können die Box frei konfigurieren und etwa entscheiden, welche Firmen welche Daten von uns wie abrufen können. Statt also Amazon, Facebook und Co. unsere Daten verwalten zu lassen, gestalten wir unser Datenprofil selbst und legen fest, welche Website was bekommt und was nicht. Die Freedombox ist am besten Wege, ein Produkt zu werden, das man kaufen kann. Mittlerweile gibt es ein erstes Gehäusedesign und demnächst werden 100 Stück einer österreichischen "Danube Edition" hergestellt (die Freedombox ist ein Open-Source-Projekt und damit kein einheitliches Produkt). Details und Kontaktmöglichkeit gibt es hier.
Robert Glashüttner
Elevate all of this
Was beim Elevate gerade stattfindet - vor allem die Talks des Diskursprogramms im Forum Stadtpark - gibt es im Elevate Mediachannel zu sehen. Hier wird übrigens auch die Elevate Awards Show übertragen, die am Sonntag Abend (ab 20 Uhr) unter anderem das Gewinnerprojekt des Artivism Award lüften wird.