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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 10. 2014 - 17:34

The daily Blumenau. Friday Edition, 24-10-14.

Sollen Qualitäts-Medien Schnellschuss-Umfragen beauftragen? Und die Sache mit dem eingebetteten Journalismus, den der ÖSV zulässt.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

Auslagern von Meinung kann zu Haltungsschäden führen

#medienkritik #medienpolitik

Der Anlassfall tut mir jetzt echt leid: denn bislang ist dieses Stilmittel zuvorderst bei der anderen Qualitäts-Tageszeitung, der die bei mir sechs Tage lachsrosa auf dem Fußtackerl liegt, aufgetaucht und hatte vor allem am Samstag fast schon seriellen titelgebenden Charakter. Jetzt ist es heute auch den ehemaligen Lindengasslern passiert.

Egal: mein Problem damit ist ein eher Prinzipielles.
Nämlich: soll ein Qualitäts-Medium mit recht schnell aus der Hüfte geschossenen Exklusiv-Umfragen arbeiten? Und sie als Aufmacher bringen?

In der aktuellen Demokratie-Krise, finde ich, genügen bereits Politiker, die sich jede Pimperl-Entscheidung erst durch Umfragen absichern lassen wollen (um ja keine Stimmen zu verlieren; als ob sich der Wähler eine diesbezügliche Stricherlliste machen würde) was dann oft zu Nichtstun, Trau-mi-ned und Stillstand führt. Vor allem in zentralen Fragen, wo sich deswegen veritabel Augiasstall-Ausmistungs-Notwendigkeiten ergeben haben.
Ich denke, dass die umfragebezogene Selbstentmündigung, die Selbstentmachtung der politischen Kaste weit genug fortgeschritten ist.

Klarerweise spielt da auch der Medien-Boulevard mit, der selbstverständlich und mit Freude (auch dubiose) Blitz-Umfragen verwendet um (im Wissen um die Zauderlichkeit ihrer jeweiligen Polit-Opfer) selber Politik zu machen. Dass diese Medien teilweise ausschließlich existieren, weil sie von den politischen Strukturen maßlos gefördert werden, ist ein Treppenwitz, ein in den letzten Jahren (nach zu langem öffentlichen Schweigen) von kritischen Stimmen (zb dossier.at) gut dokumentiert und besprochen und eine andere hochkomplexe Baustelle.
Um die geht es mir aber gar nicht.

Mir geht es um die demokratiepolitische Verantwortung, die (theoretisch hochgradig und praktisch durchaus auch noch) von den hiesigen Qualitätsmedien für sich beansprucht wird.
Ich denke, dass man sich mit jeder Umfrage zu einem aktuell hochkochenden Thema davon entfernt. Aus vielen Gründen.

Zum einen, weil - das weiß jeder, der schon einmal bei der Auftragsvergabe einer Umfrage dabei war - immer so gefragt/ausgewertet werden kann, wie es der Auftraggeber gern hätte. Da gilt dann: je vager, desto populistischer. Insofern hat es mein heutiges Beispiel eh gut gemacht. Die Frage ob man befürchte, dass es in Österreich zu IS-Anschlägen kommen könne, hätte durch nur kleine Änderungen ja auch die Angst über- und den konkreten Anschlag unterbetonen können.

Zum anderen, weil ein meist gewünschtes Resultat sich viel besser zur Instrumentalisierung eignet, ein deutlich härterer Druckmacher in Richtungen sein kann, die Interessen der Medien-Häuser vorantreiben wollen. Auch das ist beim heutigen Beispiel nicht der Fall. Selbstverständlich trägt aber jede groß und titelgebend gespielte Umfrage dazu bei, dass sich Publikum und Adressaten (meist eben die Politik) sich daran gewöhnen sich einem solchen Instrument zu unterwerfen.

Vor allem aber gibt das Medium mit der Auslagerung der Standpunkt-Findung durch serielle Umfragen, die dann die Blatt-Richtung festsetzen (können), seine Kompetenz das selber in die Hand zu nehmen, auf. Man sourct damit bequem das Nachdenken über die eigene Haltung, die notwendige immerwährende Überprüfung der Blattlinie, aus. Wie ich finde, allzu leichtfertig. Denn natürlich kann - trotz geschickter Fragestellung - ein Spin in eine unerwartete Richtung rauskommen, unbeabsichtigt etwas angestoßen werden, was dann jemand aufgreift, dessen Mühlenwasser nur drauf gewartet hat. Und ebenso natürlich wird kein Medium einer selber in Auftrag gegebenen Umfrage groß widersprechen.

Man begibt sich also in eine Art Geiselhaft seines eigenen Outsourcings. Meinung, nein, besser: Haltung ist eine zentrale Eigenschaft eines Qualitäts-Mediums. Sich in seiner Meinung/Haltung implizit, durch den zunächst sanften Druck eines eh nur scheinbar echten Plebiszits abdrängen zu lassen, ist eine ganz logische Folge - hier greift das Gesetz des langsamen Erodierens. Zudem leben Boulevard und Politik diese Mimikry-Praxis tagtäglich schamlos vor.

Und, schau, schon ein paar Stunden später, in seiner Samstags/Wochenend-Ausgabe macht es der Standard dann wieder...

Zugegeben: ich reagiere in diesem Bereich vielleicht übersensibel. Und ich möchte weiter davon ausgehen, dass die Medien mit selbstgewähltem Anspruch gegen all diese Gefahren erhaben sind; und aus ihren Umfrage-Cover-Schlagzeilen ohne Haltungsschäden hervorgehen.

Die ungeschminkte Realität nach Art des Ski-Verbands

#medienkritik #sportpolitik

Das Boulevard-Medium, das zwar auch die im vorigen Text-Modul angesprochene indirekte Inserenten-Förderung genießt, aber es - rein okönomisch - nicht so recht notwendig hätte, ist in vielen Bereichen des österreichischen Lebens ein treuer Medien-Partner. Etwa auch einer des ÖSV.

Der österreichische Ski-Verband ist eine bis zur Rigidität durchorganisierte Erfolgs-Firma, die kaum etwas dem Zufall überlässt - das muss bei aller notwendigen Kritik an diversen Geschäftspraktiken (die zuletzt angesichts der Putin-Glorify-Spiele in Sochi virulent wurden) schon zugeben.

Die harte Linie, die der ÖSV fährt, wurde jüngst auch in den aktuellen Kadern des OÖC für Rio16 sichtbar - da schimmert die Handschrift des Präsidenten Schröcksnadel durch, der nach dem London-Debakel als Controller/Feuerwehr für die Sommersportler eingesetzt wurde. Bei den ÖSV-Kadern passiert es ja jedes Jahr nicht anders.

Mit seiner Medienpolitik verfährt der Verband genauso: die Zugangsregeln sind strikt, der Begriff des embedded journalism passt perfekt zum Skizirkus. Das, was anderen Verbänden ununterbrochen (die Schwimmer mit ihren Jukic-Problemen), partiell (das Eishockey mit seinen Olympia-Leaks) oder schleichend (dem ÖFB am Beispiel Arnautovic) widerfährt, kommt beim ÖSV so gut wie nie vor. Dass der Wickel zwischen Star Schlierenzauer und Coach Pointner durchsickern konnte, ist die einsame Ausnahme; und womöglich auch nicht ganz absichtslos.

Von wegen Glashaus & Steine: klar gibt es dieses Problem auch bei den audiovisuellen Premium-Medienpartnern. Und, eigenes Glashaus, natürlich ist auch FM4 - wenn auch nur informell - in einigen Bereichen so etwas wie der Premium-Medienpartner, bei avancierter österreichischer Musik etwa. Und selbstverständlich ist es auch da schwer mit geschminkten und ungeschminkten Realitäten und Masken

Nun gibt es heute in einer Art Saison-Antrittsrede des Sportchefs des Boulevard-Print-Medienpartners (nach einer durchaus interessanten Betrachtung, was die Selbstpräsentation auf Facebook aus den Skistars gemacht ha) folgendes zu lesen: im Gegensatz zu diesen "geschminkten Wahrheiten" würden die Journalisten, die so ganz nahe dran wie die seines Mediums wären "das wahre Gesicht der Stars" zeigen. Und dann steht da: "Sie vertrauen uns, also müssen wir ihre Masken nicht herunterreißen. Sie legen sie für unsere Leser freiwillig ab."

Nun ist das mediale Gesicht unter der Maske aber immer noch nur das Gesicht, das der ÖSV zulässt; und kein Mimik-Zucker mehr. Also wieder eine Maske.

Im Unterschied zu den frühen wilden Zeiten, als der Skizirkus mit Medienleuten, Sporttreibenden, Coaching-Personal und Skiindustrie-Umfeld eine "party-hard"-Truppe war, aus der nichts hinausdrang, was sich innerhalb abspielte, ist der aktuelle Ski-Zirkus eine beinhart getimte und getrimmte Veranstaltung mit geringer Exzess-Dichte - Bologna hat wie in allen anderen Branchen des Kapitalismus auch hier die Herrschaft angetreten.

Und das, was an Skandalen und Skandälchen der Marke Arnautovic und drüber angeboten würde, bleibt natürlich im Verborgenen, im Eingebetteten. Früher hatte man auch nur durch Todesfälle von Promille-Fahrten (ganz ähnlich wie in der Politik) oder dann von Übergriffen gehört, wenn sie nach der Karriere passiert sind.

Die Ski-Stars selber haben sauber zu bleiben.
Auch wenn es dafür eine Maske unter der Maske braucht; die abzubilden den Medienpartnern dann erlaubt ist. Nur so funktioniert eine Markenbildung, nur so kann sich ein Weltmarktführer (wie es der ÖSV ist) an der Spitze halten. Wer vorgibt da dahinter sehen zu können, belügt sich wohl selber.