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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

24. 10. 2014 - 16:29

Vom Glauben an den Konsum

Die österreichische Regisseurin Ulli Gladik hat einen bemerkenswert vielschichtigen Film über die europäische Welt der Shoppingcenter gedreht: "Global Shopping Village - Endstation Kaufrausch".

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Man muss einen guten Grund haben, um im Auto zu drehen. Es darf nicht aus Verlegenheit oder Mangel an Ideen passieren, denn Interviewaufnahmen in Autos und Landschaftsaufnahmen aus dem Auto heraus sind selten ästhetisch wertvoll. Sprich: sie erzählen nur, dass der, der spricht, gerade mit einem Auto fährt. Ulli Gladik hat allen Grund, im und aus dem Auto zu filmen. Denn von Anfang an handelt "Global Shopping Village" von einer Gesellschaft, für die sich das Wort Mobilität von Motor ableitet. Oder hat irgendjemand schon einmal versucht, zu Fuß in ein Shoppingcenter zu kommen?

Mann steht mit dem Rücken zur Kamera auf einem Parkdeck

Golden Girls Filmproduktion

Ein Shoppingcenter würde seinen Zweck verfehlen, wenn man dort nur einkaufen könnte. Die Geschichte vom Shopping als der neuen Religion unserer westlichen Zivilisation ist ein alter, moral-gesäuerter Hut. Aber wenn man die Szene sieht, bei der ein Pfarrer ein neues Shoppingcenter in Hollabrunn segnet ("Hilf uns, dass wir die zeitlichen Güter so gebrauchen, dass wir die ewigen nicht verlieren!") und die Männer im Anzug sieht, die da mit ernster Miene, die Hände fromm verschränkt vor ihm stehen, dann stehen große Fragen im Raum. Woran glauben die Menschen? Wofür leben sie? Und, um Himmels Willen, fällt niemandem von denen, die da stehen, die Jämmerlichkeit dieser Szene auf?

4 Männer bei der Übergabe eines großen goldenen Schlüssels

Golden Girls Filmproduktion

Das Shoppingcenter steht in diesem Dokumentarfilm unmittelbar, aber auch sinnbildlich für mannigfaltige Aspekte des Lebens am Land und in Kleinstädten. Was sich im ländlichen Raum abspiele, sei der Ausgangspunkt für den Film gewesen, sagt Ulli Gladik. Ihr seien die vielen Werbetafeln, Kreisverkehre und Parkplätze aufgefallen. Und dass es in einer Kleinstadt am Land kaum möglich sei, außerhalb der Shoppingcenter und Fachmarktzentren einzukaufen. Sie wollte der Frage nachgehen, warum diese Entwicklung so rasant vor sich gegangen ist und warum es so wenig Diskussion darüber gibt. Wobei es durchaus Widerstand gibt (der in "Global Shopping Village" in Form einer unermüdlichen Aktivistin aus Judenburg Gestalt annimmt).

Dabei beweist Ulli Gladik nicht nur großes Gespür in der Auswahl ihrer Protagonisten, sondern wie schon in ihrem letzten Dokumentarfilm "Natasha" zeigt sich, dass man ehrlich und in wechselseitiger Sympathie mit Menschen umgehen und trotzdem einen kritischen Film machen kann.

Filmplakat "Global Shopping Village"

Golden Girls Filmproduktion

"Global Shopping Village" erzählt von den Auswirkungen einer quantitätsorientierten Ökonomie auf die Lebensqualität der Menschen. Er macht also ein komplexes Feld auf, das von der Jahrtausende alten Geschichte unserer Städte erzählt, vom Wunsch der Jungen und der Alten nach Lebensraum, vom politischen Umgang mit Raum (Stichwort Raumplanung und Stadtentwicklung), vom männlichen Spieltrieb (die Welt der Shoppincenter-Entwickler, Standortberater, Investoren und Architekten ist offenbar rein männlich). Ulli Gladik und den Cutterinnen Karin Hammer und Elke Groen ist das Kunststück gelungen, all diese Aspekte in einer klar strukturierten filmischen Sprache zu versammeln. Und das nicht ohne Witz.

"Global Shopping Village" startet in diversen Kinos in ganz Österreich. Im Anschluss an zwei Sonntagsmatineen im Wiener Filmcasino (26.10. und 2.11.) gibt es jeweils Diskussionsveranstaltungen mit Protagonisten des Films und der Regisseurin.