Erstellt am: 23. 10. 2014 - 13:47 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 23-10-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Siehe auch die aktuelle Geschichte zu 5 Jahre #unibrennt.
Und auch Links zu ein paar Einträgen von damals: Journal '09: 31.10. mit einer kleinen Rede, Journal '09: 1.11. zur Ikonographie und dann noch #unibrennt - das Buch.
#unipolitik
Es hat gar nichts mit der demokratiepolitisch sicher erstaunlichsten Hervorbringung Österreichs in diesem Jahrhundert, der #unibrennt-Bewegung zu tun. Auch nichts mit den genau fünf Jahren, die das mit gestern her ist, was bereits eine erste historische Rückschau und Bedeutungs-Einodnung möglich macht - mehr zu alledem hier.
Die Geschichte im vorigen Freitag, die ich gestern gelesen habe, geht darauf nicht ein. Sie befasst sich mit dem Politisiertheits-Grad deutscher Studierender, nüchtern und auf Basis aktueller Studien samt Rückblick auf entsprechende Untersuchungen bis hin zum Jahr 1989.
Als politisch engagiert betrachten sich immer noch ein Drittel der Studenten (ein Viertel in den FHs), studentisches Engagement ist aber in den mikroskopischen Bereich gerutscht. Eine neue Rechtslastigkeit wird nicht festgestellt, nur ein einziges Prozent gibt an, dort gefestigt zu sein, auch Gewaltfreiheit ist ein durchaus einigendes Motiv. Es gibt also - zumindest in Deutschland - keinen politisch motivierten Abrutsch.
Und dann kommt der Satz, der alles zusammenführt: "Die Ursache für die Lethargie ist übrigens nicht der Bachelor." Und die folgende Belegung ist schlüssig.
Es ist also nicht so sehr der umstrittene und von Seiten engagierter Studierender und Lehrender heftig bekämpfte Bologna-Prozess, der die Lethargie gebracht hat.
Es ist genau umgekehrt: die studentische ebenso wie die universitäre Praxis haben sich über Jahre genau dorthin entwickelt; sarkastisch könnte man sagen: sie haben Bologna ausgelöst.
Die nämliche Studie stellt fest, dass der straffe, verschulte Abschluss die Entwicklung vertieft, aber keinesfalls verursacht hätte. Das hat wohl eher ein "berechnender Pragmatismus" erledigt, der die universitäre Ausbildung als beinhartes Gegengeschäft sieht, in das nur soviel investiert wird, wie man rausbekommt.
Dieses Gegengeschäft gab's früher auch, es war aber kein ökonomisches, sondern ein gesellschaftliches. Studiosi und Staat einigten sich in einer Art großem Gesellschaftsvertrag darauf, dass Erstere, der Nachwuchs, der etwas Größeres anstrebte, Flausen im Kopf hatte, an und rund um die Uni vor allem eines bekommen würden: Zeit. Zeit sich zu erproben, rauszufinden, was es wirklich ist, was man tun möchte, jenseits von Gymnasiasten-Fantasien, die dann im echten Leben nicht standhalten. Und ein bisserl Infrastruktur dafür.
Zweitere (die Allgemeinheit) profitierte von umfassend gebildeten Absolventen und auch den ebenso gut getunten Abbrechern, die dann in jene Bereiche gehen konnten, von denen sie schon eine echte Vorstellung hatten.
Nur in Zweigen in denen schon vor Studienbeginn klar war, dass sich dahinter ganz konkrete Karriere-Planungen, Kanzlei-Übernahmen und anderes Oberschicht-Gehabe öffnete, waren schon früher rigider; und auch engagement- und politikfreier.
Heute ist sowohl dort (Jus, Medizin, WU etc.) als auch in den restlichen klassischen Wissenschaften der Termindruck, der kalendarische Stress, der Praktika-Wahnsinn automatisiert. Entkommen unmöglich. Und die Schraube dreht sich: die Neuerungen in der Lehrerausbildung werden dafür sorgen, dass künftig auch die Lehrer gar keine weitgefasste Wissensvermittlung mehr durchführen können, weil ihnen die Grundlagen im Studium genommen werden.
So sorgt Bologna jetzt also gezielt dafür, dass die nächste Absolventen-Generation vom Typus des omnipräsenten, selfiegestählten, hohen Selbstwert abstrahlenden Experten geprägt wird, dessen Lebenskalkül nach einer langen Ausbildung voller kühler Berechnungen sich dann ja nicht mehr dramatisch ändern wird können.
Angestoßen wurde diese Entwicklung aber schon vorher - in einer turbokapitalistischen Ordnung, deren Player via ökonomisch-politischen Druck zum einen dafür sorgten, dass dieser Typus an zielorientiert eingesetzter Leistungsfähigkeit entstehen kann und dies zum anderen mit der gezielten Forcierung von gesellschaftspolitischen Desinteresse unterstützten. Was leicht fällt, wenn man aktiv und eifrig an der Entmachtung von Legislative und Exekutive arbeiten und die Bedeutungslosigkeit von Politik als Management des Möglichen innerhalb von Staaten überdeutlich sichtbar machen kann.
In dem Moment wo die Lethargie der Gesellschaft (und somit auch die der nachrückenden Studenten) groß genug war, konnte der lange vorbereitete Bologna-Prozess die europäischen Universitäten neu sortieren. Und letztlich muss man sagen, dass die Reformen mehrheitlich (was sowohl Lehrkörper als auch Studierende betrifft) angenommen wurden. Das Fehlen der Politischen zieht automatisch eine geringe Wehrhaftigkeit nach sich. Nicht der Bachelor ist der Böse, sondern der Weg genau dorthin.