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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 10. 2014 - 06:00

Leben heißt Leiden

"Fünf Löcher im Himmel": In seinem neuen Roman widmet sich Rocko Schmamoni ernstem Ton und Thema. Ein rührendes, tristes Büchlein.

Die Menschen funktionieren wie Maschinen, so meint man das jedenfalls aus der Draußensicht als Beobachter zu glauben. Wer nicht mitfunktionieren kann oder mag, fliegt aus dem angeblichen, normalen Leben. Der Hamburger Tausendsassa Rocko Schamoni hat einen neuen Roman geschrieben und erzählt da die gute alte Geschichte vom Außenseitertum, vom Scheitern, vom Danebenstehen nicht als humorige Anekdote eines edlen Hallodris und Künstlertypen, sondern als triste Story vom echten Untergang.

Am Mittwoch und am Donnerstag liest Rocko Schamoni im Wiener WUK.

Am Mittwoch gibt es in FM4 Connected ein Interview mit ihm.

"Fünf Löcher im Himmel" beginnt damit, dass Hauptfigur Paul, in der Gegenwart des Romans wohl so Ende 60, ergraut, fertig und zerstrubbelt, Dosenbier trinkt und Ernte 23 raucht. Man ahnt schon, dass hier in Zukunft vermutlich nicht von großem Luxus und Alterswürde die Rede sein wird. Paul hat seine Wohnung verloren, zieht einzig mit einem Seesack und einer Pistole in der Tasche durch die Straßen. Warum und wie es dazu gekommen ist, erfährt man nicht. Es muss keine Gründe geben.

Paul bricht in Schrebergärten ein und übernachtet da, wo er gerade unterkommt. Dieser Erzählung über ein trostloses Heute, für das jegliche Hoffnung verloren ist, steht eine zweite Zeitebene gegenüber: Tagebucheinträge des jugendlichen Paul aus dem Jahr 1966. Das mit den Menschen und mit den Maschinen wusste Paul damals schon. Die Sache mit dem Dazugehören ist noch nie sein Ding gewesen. Er pflegt die Einsamkeit als Lebensmodell. Bis er sich relativ unmotiviert und zaghaft verliebt. In Katharina, mit der er in einer mehr als laienhaften Schulaufführung von Goethes "Die Leiden des jungen Werther" mitwirkt.

Rocko Schamoni

Kerstin Behrendt

Rocko Schamoni

"Fünf Löcher im Himmel" ist nun also sicher nicht von Gags oder windschief-albernen Formulierungen geprägt, wie man das üblicherweise von Schamoni so kennt, da und dort darf aber doch ein kleiner Witz summen oder eine Einsicht charmant funkeln, beispielsweise wenn Pauls Lehrerin den Werther mit modernem Lack versehen will: "Frau Zucker hat die Kutsche zu einem Auto gemacht, das heißt, dass die Geschichte heute spielt. Ich dachte, so was darf man nicht, aber im Gegenteil, so was macht man unbedingt im modernen Theater, sagt sie." Die Kutsche wird zum Auto, dargestellt von zwei Stühlen. Das verheerende Liebesdreieck im Stück spiegelt sich dann natürlich auch in der Realität von Paul.

Fünf Löcher im Himmerl

Piper

"Fünf Löcher im Himmel" von Rocko Schamoni ist bei Piper erschienen.

Aus der Liebe wird wohl nichts werden, in Paul glüht der Hass auf seinen eitlen, geckenhaften Widersacher Franz Keil. Und überhaupt alle und alles. Paul gefällt sich in seiner Anti-Haltung schon recht gut, ein Eigenbrötler, den man auch nicht ins Herz schließen muss.

Was zwischen den beiden Zeitebenen, über 40 Jahre liegen zwischen den Erzählsträngen, geschehen ist, bleibt unbekannt. Der alte Paul trifft in einem heruntergekommenen Kneipier namens Pocke und dessen Wellensittich Wolfgang seine letzten Begleiter. Auch Pocke, nach Eigenangaben, einst Jetset-Chefkoch, kennt den Abstieg und lebt vom Zauber vergangener Tage:"... ich hab für Weltstars gekocht, Frank Elstner, Gustav Knuth, Marianne Koch, Henri Nannen und so".

Moral-Vorgaben einer ihm fremden Gesellschaft sind dem kaputten Paul längst schon nicht mehr nachvollziehbar, bleibt bloß noch ein schön rührender Abschied mit möglichst poetischen Gesten. Rocko Schamoni hat mit "Fünf Löcher im Himmel" die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz auf 190 Seiten eingedampft. Wir werden geboren und wir sterben, dazwischen weht der Wind. Das Leben ist ein langer, brauner Fluss.