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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

21. 10. 2014 - 23:54

Melodien für Äonen

Mit neuen Instrumenten, seiner Stimme und einem insgesamt sehr kopfhörerfreundlichen Charakter nistet sich die neue Platte unseres Artist Of The Week, des Wieners Dorian Concept, eher langfristig in unseren Gehörgängen ein.

In den 2010ern elektronischer Musiker zu sein, scheint eine stressige Existenz mit sich zu bringen. Wenn man seinen Namen einmal über die Heimatstadt hinaus bekannt gemacht hat, sollte man besser mindestens im Halbjahrestakt musikalische Lebenszeichen von sich geben, damit die aufmerksamkeitsarme Zuhörerschaft und (Neu-) Medienwelt diesen nicht gleich wieder vergisst. Der Wiener Produzent und Keyboard-Zauberer Oliver Johnson alias Dorian Concept spielt dieses Zeitgeist-Spiel konsequent nicht mit - zum Glück!

Clemens Fantur

dorianconcept.com
Das Album 'Joined Ends' spielerisch mit der Maus erkunden!

Live-Session Paris
Dorian Concept mit seiner neuen, alten Band im Aufnahmestudio.

Studio2 Session 2008
Schönes Archivfundstück: Young Dorian am Flügel, Cid Rim am Schlagwerk.

Nachdem er sich ab den Mitt-2000ern mit funky Keyboard-Tutorials, später seinem Debütalbum When Planets Explode und immer sehr energiegeladenen Ein-Mann-Shows weltweit beliebt gemacht hatte, zog sich der Wiener gute drei Jahre lang zurück, um seinen Sound neu zu definieren. Sein bisheriges Markenzeichen, der MicroKorg, wurde vorerst eingemottet und nach einigen Besuchen im Instrumentengeschäft der Wahl durch alte Analogsynthesizer, ein E-Piano und das gute alte Glockenspiel ersetzt. In diesem wesentlich organischeren Sound, der sich durchs neue Album Joined Ends zieht, spielt sogar Dorian Concepts Singstimme eine tragende Rolle.

Anfangs wurde die eigentlich nur als Platzhalter für später einzuspielende Keyboard-Linien verwendet, dann hat sie aber zu gut zum neuen Klangkonzept gepasst. Die aufgenommenen Vocals wurden (wie auch die anderen Instrumente) gesamplet und durch den Effektpark gejagt - deshalb können sie z.B. auch nach Kinderchor klingen. Songtexte in diesem Sinne lassen sich aber nicht ausmachen, es geht hier nur um Textur und Melodie. Oder eigentlich: MELODIE.

Dorian Concept - Joined Ends. 2014, Ninja Tune.

Ninja Tune

Weil die neuen, alten Maschinen in seinem Studio großteils monophon waren - sprich zu jeder Zeit nur eine einzelne Note wiedergeben konnten - musste Dorian Concept seine Art zu Komponieren ändern. Waren frühere Tracks rund um einprägsame Akkordwechsel aufgebaut gewesen, stehen auf Joined Ends eben die Melodien im Zentrum. Diese wiederholen sich bis zur Hypnose, entwickeln sich sanft weiter und werden mit Gegenstimmen und Verzierungen ergänzt. Einflüsse der Minimal Music kann man da ebenso hinein interpretieren wie Johann Sebastian Bach. Dorian Concept selbst gibt an, während der Entstehungszeit des Albums eher wenig Musik anderer Leute gehört, dafür aber viele Filme konsumiert zu haben. Dass diese musikalisch auch Eindruck hinterlassen können, merkt man nicht zuletzt an einigen weitgehend rhythmusfreien Stücken und Interludes.

Aus dem Fakt, dass es diese überhaupt gibt und dass generell das Tempo und auch die zentrale Rolle der Beats eingeschränkt wurden, könnte man ableiten, der Mann mit der beliebten Modal Jazz-Tonart im Namen habe der Clubmusik endgültig den Rücken zugekehrt. Aber diese Idee sollte uns doch schon der erste Vorgeschmack auf Joined Ends ausgetrieben haben:

Das (hier animierte) Cover-Artwork besteht übrigens aus zer- schnipselten Zeichnungen des Musikers - eine schöne Analogie zum musikalischen Prozess!

Klar: Dorian Concept geht es auf dem neuen Album wirklich nicht um die ganz epischen drops, zu denen alle im Club ihr Getränk verschütten. Auch der schüchternen House-Hymne 11.04.2012 fehlt z.B. aus konventioneller Sicht der kompromisslose Zug Richtung Tanzboden - aber das gibt eben wieder mal den Melodien die Möglichkeit, sich voll zu entfalten (und hypnotisch zu überlagern). Und weil diese Tonfolgen über die ganzen 44 Minuten von Joined Ends derart einprägsam sind, bleiben sie am Ende auch gut im Ohr. Und dort werden sie wohl auch noch länger glücklich weiter leben...