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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

22. 10. 2014 - 05:30

Katz und Maus im Weltraumspind

Das Horrorspiel "Alien: Isolation" schickt Spieler ohne Waffen in einem hochspannenden Überlebenskampf.

Alien Isolation Cover

SEGA

Es ist eng und finster in diesem Spind, in dem ich nun seit endlos langen zwei Minuten sitze, und im halbdunklen Raum vor den schmalen Schlitzen, durch die ich hinaussehe, schleicht das Grauen herum. Immer, wenn ich mir einen Ruck geben und mein Versteck verlassen will, reicht mir ein Blick auf den Bewegungssensor und panisch stürze ich wieder zurück in die relative Sicherheit. Gut, dass es auf der halb verlassenen Raumstation "Sevastopol" so viele Kästen, Spinde und Container gibt, denn im Survival-Horror-FPS "Alien: Isolation" sind Spieler ständig auf der Flucht. Und die Feigheit zahlt sich aus, denn wie es heißt es so klassisch: Im Weltraum hört dich niemand schreien.

Wird aber auch Zeit, dass es einmal so richtig klappt: Insgesamt gab es unglaubliche 38 verschiedene Computerspiele mit offizieller "Alien"-Lizenz - zum Großteil Gurken.

Es hat tatsächlich 35 Jahre gedauert, bis aus einem Klassiker des Science-Fiction-Films ein würdiges Spiel werden durfte: "Alien" aus dem Jahr 1979 ist ein Kultfilm sowohl für SF-Freunde als auch für Horrorfans. Das verstörend monströse außerirdische Wesen mit dem langen, augenlosen Kopf, den tödlichen Zähnen und der katzenartigen Geschwindigkeit ist längst ein Klassiker - sein Schöpfer, der geniale Schweizer Künstler H.R.Giger, ist erst heuer im Mai verstorben.

Bislang hat es kein Computerspiel so richtig geschafft, das Grauen des ersten Films zu vermitteln. Als Spieler ist man es normalerweise gewohnt, mehr oder weniger schwer bewaffnet verschiedensten Monstern den Garaus zu machen - doch wie soll man da richtig Angst haben, wenn man, wie in der zunehmend actionlastiger werdenden "Dead Space"-Reihe, schwer gepanzert und mit fetten Knarren unterwegs ist? In "Alien: Isolation" haben wir zur Abwechslung keine brauchbare Waffe gegen das tödliche Wesen zur Hand - und genau das macht das Spiel zum besonders gelungenen Horror-Erlebnis.

Versteckspiel mit dem Tod

Als Tochter der in den Filmen von Sigourney Weaver verkörperten Ellen Ripley sind wir auf einer desolaten Raumstation gestrandet, auf der ein paar Menschen, wildgewordene Androiden und das hungrige Alien unsere Feinde sind. Unsere Aufgabe ist die Flucht, doch zuallererst das nackte Überleben: Aus allerlei Gegenständen basteln wir Werkzeug wie Blendgranaten und Bewegungssensoren, doch im direkten Kampf haben wir keine Chance. So müssen wir die direkte Konfrontation vermeiden, und verbringen ganz schön viel Zeit damit, wegzurennen, vorsichtig zu schleichen und uns mit angehaltenem Atem zu verstecken. Selten wurde ein Katz-und-Maus-Spiel so spannend inszeniert.

"Alien: Isolation" lebt von seiner Atmosphäre und erweckt souverän eine Science-Fiction-Vision aus den 70er-Jahren zu neuem Leben. 1979 war die "Nostromo" in Ridley Scotts Film eine visuelle Revolution in der Science-Fiction: Zum ersten Mal sah man ein Raumschiff, das aussah wie eine Industrieeinrichtung - dreckig, eng, eine riesige Maschine, die nur nebenbei auch von Menschen bewohnt wurde. "Alien: Isolation" lässt das geniale Set-Design bis hin zu kleinsten Details wiederaufleben, samt pixeligen Unix-Computern mit grüner Schrift auf Schwarz. Die gelungene Optik wird allerdings vom spektakulären Sounddesign in den Schatten gestellt: Ambientsound, Geräusche und ein Score, der dynamisch die Handlung unterlegt und wieder und wieder selbst für hochspannende Momente sorgt, stellen sogar den im Horrorgenre lange als Referenz geltenden "Dead Space"- Soundtrack in den Schatten.

Alien Isolation

SEGA

Neue Rezepte aus dem Indie-Bereich

Spielerisch ist es vor allem das selbstständig agierende Alien, das uns durch seine Unvorhersehbarkeit immer wieder überrascht. Weil die Speichermöglichkeiten rar gesät sind, wird unsere Wanderung durch die beeindruckend gestaltete Raumstation auch für abgehärtete Zeitgenossen zur Nervenprobe; der deshalb manchmal einsetzende Frust ist ebenso eine kleine Schwäche des Gamedesigns wie die Tatsache, dass das Spiel mit fast 20 Stunden Spieldauer zum Ende hin etwas langatmig wird. Und die immer wieder eingestreuten Minispielchen, etwa zum Knacken von Schlössern oder Computern, stammen wohl genau wie das Setdesign aus den späten 70ern. Abgesehen von derartiger Detailkritik bietet "Alien: Isolation" aber etwas, das vor allem bei Hochglanzspielen die längste Zeit gefehlt hat: das spannende Gefühl, von einem unberechenbaren und übermächtigen Gegner gejagt zu werden.

"Alien Isolation" ist für Windows, PS3, PS4, XBox360 und XBOX ONE erschienen.

Die große Leistung von "Alien: Isolation" ist es, frische Konzepte aus dem Indie-Horrorsektor erfolgreich in den seit Jahren auf diesem Gebiet dahinstagnierenden AAA-Bereich transplantiert zu haben. Alleine wegen dieser Innovationen kann man getrost vom Survival Horror der nächsten Generation sprechen. Neben diesem Schrecken aus dem All sieht der ebenfalls jetzt erscheinende übernatürliche Splatterhorror eines "The Evil Within" ganz schön altbacken aus.