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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

4. 12. 2014 - 16:28

Das Smashing Pumpkins Interview

Tonight, Tonight eine Stunde lang in der FM4-Homebase, das In-Deep-Interview mit Billy Corgan über die wechselvolle Karriere der Alternative-Rock-Superstars und einen neuen, möglicherweisen finalen Albumzyklus.

Der Vierte Mann

Ich stakse durch das regengraue Berlin zu einem imperialen Hotel in Mitte. Dort empfangen mich gleich drei Doormen in braungoldenen Uniformen. Als ich den Grund meines Kommens nenne, blickt mir der Kleinste verstohlen über die linke Schulter und zischt: "Bitte nicht laut reden. Das darf niemand von den übrigen Gästen wissen!" Erschrocken trete ich in die Lobby. Dort ist niemand anzutreffen außer drei blonden Rezeptionistinnen und einer zeitunglesenden Dame. Die drei Rezeptionistinnen weisen mir lächelnd den Weg zum „Salon B“. Ich schlendere durch einen langen Flur zu einer schweren Holzbank vor einem riesigen Tor – pardon – einer riesigen Tür. Ich sitze dort allein. Keine Spur von KollegInnen, die sich noch schnell durch die Presseinfos ackern oder ihre Smartphones bearbeiten, wie das sonst so üblich ist.

Berlin

Christian Lehner

Die Tür öffnet sich und raus kommt ein Kinderwagen mit schreiendem Baby drin und einer jungen Frau in Lederjacke. Die Frau stellt sich als zuständige PR-Mitarbeiterin vor. Das Baby gehöre zu einer Journalistin, die aber gleich fertig sein würde. Ob ich vielleicht Erfahrung hätte? Habe ich. Der kleine Scheißer lässt sich aber trotzdem nicht lange ablenken. Hunger ist ein Hund, mit dem man sich beim Kleinstnachwuchs nicht spielen darf, weil er nicht zu kläffen aufhört – der Hund, nicht das Baby – bis sich Sättigung einstellt.

Das Interview

Endlich werde ich in den Raum gebeten. Er scheint groß wie ein Tennisplatz und ich weiß nicht so recht, ob er höher ist als lang. Der mächtige Holztisch, an dem Billy Corgan sitzt, wirkt wie ein Beistelltischchen in diesem alles verschluckenden Volumen von einem Konferenzzimmer. Ich blicke sehnsüchtig in Richtung Espressomaschine, die ich vermeine, am Ende des Raums ausgemacht zu haben. Corgan ist noch beschäftigt, also gehe ich los, drehe mich auf halber Strecke um und sehe dann etwas, was man nicht beschreiben soll, kann oder darf. Als ich vor der Espressomaschine stehe, stellt sich heraus, dass sie so groß ist wie ein Einarmiger Bandit. Der Kaffee schmeckt hervorragend.

Mr. Smashing Pumpkins ist sehr freundlich, offen und auskunftswillig. Zumindest hier, an diesem Ort zu dieser Zeit, ist nichts vom unnahbaren Banddespoten zu bemerken, den wir aus der Bandbio kennen. Corgan trägt einen blau-weiß gestreiften Hoodie mit Kapuze überm Kopf. Die Haut wirkt fahl und müde. Corgan ist erst vor wenigen Stunden aus dem Flugzeug getaumelt - Direktflug Chicago–Berlin. Seine blauen Augen funkeln aber trotzdem wach durch den Raum.

Das erste Mal nach Berlin sei er kurz nach dem Mauerfall gekommen. Wie alle Amerikaner liebe er die Stadt. „Wir waren in einem Techno-Club, wo man den Superbowl schauen konnte. Die Kids waren auf Exctasy und liefen mit Gasmasken herum, während wir auf Tochdowns lauerten. Es war bizarr.“

Eine Berlin-Referenz findet sich auch im ausufernden Musikkonzept, das die Grundlage für das neue Album bildet. „Teargarden by Kaleidyscope“ war ursprünglich als Zyklus von 44 Songs gedacht, das Wortspiel mit den Tränen und dem Garten hätten ihm "als alten Goth" einfach gut gefallen, so Corgan.

Die Smashing Pumpkins wollten die Songs Stück für Stück und gratis im Web veröffentlichen. Allein niemand schien das zu interessieren, wie Corgan freimütig zugibt. Also entschied er sich doch für den herkömmlichen Weg der physischen Veröffentlichung in Form mehrer Alben. Unter moderatem Applaus der Kritik erschien 2012 „Oceania“. Dieser Tage ist „Monuments to an Elegy“ an der Reihe. Anfang 2015 schließt sich der Kreis mit „Day For Night“.

Ich habe an diesem verregneten, etwas surreal anmutenden Berlinvormittag sehr viel Zeit mit dem Oberkürbis bekommen. Und wir haben diese Zeit ausgiebig genutzt und über die wechselvolle Karriere seiner Band gesprochen, über die Auflösung der Originalbesetzung, über die Verpflichtung von Tommy Lee (Mötley Crüe!) als Drummer für das neue Album, über Corgans Leidenschaft für German Heavy Metal und Wrestling, über das ganz normale Scheitern der Smashing Pumpkins in den neunziger Jahren und natürlich auch über das neue Werk, das dem Originalmaterial zumindest ästhetisch so nahe kommt wie kein anderes seit der Neuformierung 2007.

Ein Siamese Dream ist 2014 natürlich nicht mehr drin - allein aufgrund der geänderten Verhältnisse in der Musikindustrie. Und das weiß ein Billy Corgan auch. Mit dem wagnerischen Albumzyklus stellt er sich selbst die Rute ins Fenster. Bei einem Flop könnte es der finale Akt in einer Karriere sein, die zunächst das Drama in den Mittelpunkt des Schaffens rückte und seit der Auflösung der ursprünglichen Formation im Jahr 2000 von vielen Fans nur noch als Drama empfunden wird. Ich bin jedenfall aufrechter aus dem Gespräch gegangen als ich reingekommen war. Das passiert auch nicht allzu oft, wenn man persönlichen Heroes von einst gegenübersitzt.

Tonight, Tonight: das große Samshing-Pumpkins-Interview gibt es bei 7 Tage FM4 noch bis kommenden Mittwoch zum Nachhören

Titel Album
I Am One Gish (1991)
1979 Mellon Collie And the Infinite Sadness (1995)
Being Beige Monuments to an Elegy (2014)
Tiberius Monuments to an Elegy (2014)
Tarantula Zeitgeist (2007)
Bullet With Butterfly Wings Mellon Collie And the Infinite Sadness (1995)
Cherub Rock Siamese Dream (1993)
Tonight, Tonight Mellon Collie And the Infinite Sadness (1995)