Erstellt am: 20. 10. 2014 - 13:54 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 20-10-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Versagen vergessen unter molliger Medien-Mithilfe
#machtpolitik #medien
Ende letzter Woche fiel eine brüchige Allianz auseinander: das "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD)", die Fraktion der Parteien, die sich dezidiert gegen die EU oder zumindest die Mitgliedschaft ihrer Nationen aussprechen, die UKIP oder Grillos 5Sterne etwa. Der Austritt einer einzelnen Lettin reichte um die Minimal-Anzahl an vertretenen Ländern zu unterschreiten.
Als Fraktionsloser kommt man im EU-Parlament zwar nicht so recht in Ausschüsse und die richtige Knochenarbeit, aber das ist den EFDlern eh eher egal. Zudem kann man auch als Einzel-Abgeordneter anständige Arbeit leisten, wie es Martin Sonneborn von "Die Partei" anschaulich vorführt. Hier seine Beiträge bei den Hearings der Kommissare Öttinger und Navracsics - beides Sternstunden der parlamentarischen Demokratie.
Kurz darauf meldete sich der Sprecher der ebenso fraktionslosen FPÖ, die im Brüsseler Spektrum zwischen den Rechtsextremen, den Rechtspopulisten und den EU-Ablehnern oszilliert ohne dabei wirklich effektiv werden zu können. Auch weil einander die vielen Gruppierungen am rechts ausgefransten Rand eben schon deswegen nicht grün sein können, weil alle anderen ja dummerweise immer Ausländer sind. Nicht nur deshalb sind die Vereinigungs-Versuche ordentlich gescheitert.
Harald Vilimsky hatte den rechtsextremen Front National, den PVV des Rassisten Wilders, den zuletzt schafspelzigen Vlaams Belang und die ihren Sezessionismus gern in jedem Bereich auslebende Lega Nord so halbwegs auf Kurs für eine rechtspopulistische Fraktion - und er kann jetzt darauf hoffen die schon damals angefragten hochnationalen Schwedendemokraten (die sich dann lieber für die EFD entschieden hatten) wieder zu aquirieren. Es würde dann immer noch zumindest ein Land fehlen um Fraktionsstärke zu schaffen; von der Lettin ist - aus nachvollziehbaren Gründen - abzuraten, die Litauer bzw die Svoboda-Partei sind zu wenig weit rechts... es schaut also wieder schlecht aus für die Versuche der FPÖ sich internationalen Flankenschutz zu holen.
Dabei ist mir dann ein Satz eingefallen, den ich mir Ende Mai notiert hatte: "FP wird noch im Juni stabile Fraktion bilden!". Das äußerte EU-Mandatar Franz Obermayr hier. Ohne gedrängt zu werden, ohne Not. Auch Vilimsky und Strache versicherten das und versprachen blitzenden Auges das Gelingen des Unterfangens.
Außerdem, auch weil hier das erwähnte Experten-Gewerbe oft ironisch angebrochen wird: Das anschaun, weil sehr interessant. Lobo verbreitert da wortgewandt hier Angerissenes; Precht fällt ihm zwar gern ins Wort, hat aber auch Wesentliches zu sagen.
Mir geht es jetzt weniger um das offensichtliche Scheitern von praktisch allem, was die FPÖ in der politischen Praxis, also dort, wo sie gestalterisch tätig werden kann, so unternehmen könnte. Mir geht es nicht darum an diesem Beispiel zu demonstrieren, dass die FPÖ ihre Arbeit an der Bruchlinie der Bewegungslosigkeit, des Nichts-Tuns und des besserwisserischen Geredes leistet, sich also dort aufhält, wo normalerweise der Journalismus, das Expertentum und das Konsulenten-Gewerbe, also die politischen Theoretiker ihr Feld bereiten, was für eine reale politische Kraft schon ein bisserl sehr mager ist.
Mir geht es darum, dass genau dieses Versprechen jetzt, wo es anlässlich einer am Rande gewitterten Chance (dass man nämlich bei einer anderen gescheiterten Fraktion wildern könnte um endlich, viel zu spät, noch was auf die Reihe zu kriegen) wieder aufpoppt, nicht wahrgenommen wird. Nicht medial, nicht öffentlich.
Das Robert Hochner zugeschriebene Zitat, dass das Archiv die Rache der Journalisten an den Politikern wäre, kann nämlich nur dann Wirkung entfalten, wenn es angewendet wird.
Wenn hingegen im Oktober das, was im Mai für den Juni versprochen wurde, eh schon wurscht ist, dann helfen die in diesem Fall geforderten Qualitätsmedien dem gesellschaftspolitisch hierzulande schon unglaublich weit fortgeschrittenen Alzheimerismus bei seiner höchst überflüssigen Verbreitung.
Kinder, Küche, keine Medienkompetenz
#familienpolitik #medienpolitik
Es war nur ein Nebensatz, den Familienministerin Sophie Karmasin in der gestrigen Pressestunde äußerte - es war ihr aber dann doch wichtig genug um es öffentlich und nicht hinter den Kulissen zu äußern: die zeitliche Ansetzung der klassischen Sonntags-Vormittags-Diskussionssendung sei nicht familienfreundlich. Weil da meistens die Frau in der Küche stehe und nur der Mann die Sendung verfolgen könne.
Abgesehen davon, dass es für und auch gegen jeglichen anderen Ausstrahlungs-Termin vergleichbare Argumente gibt, zeigt diese Äußerung zweierlei.
1) auch beim jüngsten und zum Zwecke der Erlangung gesellschaftspolitischer Hipness in den ÖVP-Teil des Kabinetts gehievten Mitglied ist es so wie's immer schon war und als VP-Idealbild wohl auch immer sein soll: Frau in der Küche, Mann beim Frühschoppen (bzw. seinem politischen Äquivalent am medialen Lagerfeuer). Außerdem steht in dieser Küche kein Portable-TV-Gerät. Und auch die Möglichkeit einen Laptop am Küchentisch aufzuschnalzen und das Ganze online zu verfolgen existiert innerhalb dieser Denke nicht. Immerhin steht wenigstens nicht der Sonntags-Gottesdienst, der um 11 ja noch nicht aus sein muss, im Karmasin-Raum.
2) auch beim jüngsten und zum Zwecke der Erlangung gesellschaftspolitischer Hipness in den ÖVP-Teil des Kabinetts gehievten Mitglied ist so etwas wie Medien-Kompetenz nicht sehr weit vorne auf der Agenda-Checklist. Nichts gegen die doch noch recht füllige fünfstellige Seherzahl, die die Pressestunde live (auf welchem Endgerät, ob vielleicht sogar in der Küche am Laptop, ist nicht gesichert) sieht - aber die tvthek mit ihren Jederzeit-Zugriffsmöglichkeiten ermöglicht doch deutlich mehr. Und enthebt letztlich jeden halbwegs-21.Jahrhundert-fitten Menschen der Ausrede sich etwas nicht anschauen zu können.
In beiden Punkten bietet Karmasin ein unerwartet steinzeitliches Verständnis an: sowohl das unendlich klischiert-klassische Familienbild als auch die Technik-Verweigerung stünden sowieso keiner Karrierefrau Karmasins Klasse gut zu Gesicht: dass sie diese Äußerung auch noch als für das Familienbild und die (höchst digitale) Jugend Zuständige tätigt, ist dann doch ein wenig deprimierend.
Jetzt doch! Der geile Jugendkanal! Nur im Netz! Nur im Netz?
#medienpolitik
Apropos Medien-Kompetenz: nach einem monate- ja eigentlich jahrelangen Eiertanz wurde dieser Tage der von ARD und ZDF initiierte Jugendkanal durchgewunken. Allerdings nicht wie geplant als multimediales Angebot (TV, Radio, Web), sondern als reines Netz-Projekt.
Um die Mechanismen zu verstehen, die da be- und verhinderten, dafür und dagegen arbeiteten, muss man (vor allem für den gelernten Österreicher) diverse Unwägbarkeiten berücksichtigen: die föderale Struktur des deutschen Rundfunks an sich, den zentralen Einfluss der (oftmals furchterregenden) Landespolitik, das interne Gezänk zwischen Erstem und Zweitem sowie das Lobbying der Verlage, das jenes der Privatsender weitgehend übertrifft.
Dass ein nicht-gewinnorientiertes, im Grundsatz stark öffentlich-rechtliches Angebot wie ein Jugendsender nur von ARD/ZDF ausgerichtet werden kann, ist eh klar.
Die diversen Lobbys - aber auch viele Einzelinteressen innerhalb der Ausrichter - wollten sich jedoch kein trimediales Monster ans Bein binden; die einen, weil es dann doch User/Seher/Hörer und Werbezeit wegnehmen könnte, die anderen, weil es viel Arbeit innerhalb einer schlecht erreichbaren Zielgruppe bedeutet.
Deswegen sahen die meisten aus der Verhinderer-Fraktion die Reduzierung des trimedialen Jugendkanals auf ein banales Online-Projekt als Sieg an.
Haben sich damit aber ordentlich verkalkuliert.
Erstens ist ein Online-Auftritt ohne Bewegtbild und wohl auch ohne Soundfiles heutzutage ohnehin nicht mehr denkbar. Der Jugendkanal wird also so oder so Fernsehen machen könne. Und zwar das Fernsehen, das die von Youtube geformte Zielgruppe auch akzeptiert.
Zweitens ist mit diesem Entscheid eine zwar kleine, aber doch Pandora gehörende Büchse geöffnet. Denn im Gegensatz zu den bisherigen Grundsätzen der deutschen Medienpolitik, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Online-Auftritte nur unter abstrusen Einschränkungen erlaubt und damit Grenzen, die der in diesem Fall als Partei (für die Interessen der Verlags-Lobby) agierende und keineswegs neutral berichterstattende Spiegel hier auch nur recht diffus umreißt, öffnet.
Abgesehen davon, dass es gut tut, wenn nicht immer nur in Österreich unendlich schlechte Medien-Politik gemacht wird: durch ein solches Versehen die Möglichkeit für neue Blickwinkel zumindest einmal eröffnet zu bekommen ist schon recht viel wert. Selbst dann wenn der neue Jugendkanal nicht einmal an ZDFneo heranreichen sollte.