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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 10. 2014 - 15:50

Alters-Jazz und Totschlag

Der Song zum Sonntag: David Bowie - "Sue (Or in a Season of Crime)"

Der Song ist zunächst ein Statement. David Bowie muss mit seiner Musik niemanden mehr großartig abholen. David Bowie darf ohnehin, auch nach vielen Fehltritten, Irrungen und egalen Platten, alles machen, wie es ihm gerade gefällt, so sagt uns sein neuer Song "Sue (Or in a Season of Crime)".

Er eröffnet die demnächst erscheinende 3-CD-starke, umfassende Werkschau Bowies "Nothing Has Changed". Die Songs sind hier in chronologisch verkehrter Reihenfolge angeordnet, laufen von der Gegenwart in die Vergangenheit, auch eher seltene Stücke sind vertreten, beispielsweise der famose Remix, den James Murphy für "Love is Lost" gefertigt hat.

Auch mit einem längst schon heiliggesprochenen, üppigen Werkkatalog im Rücken will der Künstler jedoch im Alter noch interessant bleiben, unvorhersehbar, weird, möglicherweise auch noch relevant und gar gut. So versucht sich David Bowie mit seinem neuen Song am Jazz, und es scheint dem Stück dabei relativ egal zu sein, ob es irgendjemandem gefallen könnte. Ja, ja, der Jazz, kommen die Stimmen von ganz hinten, so macht man das eben als leicht ergrauender Künstler, man setzt sich einen Hut auf und kleidet seine nostalgisch verklärten Liedchen in einen leicht swingenden, cognac-seligen Kaufhaus-Jazz. Filzpantoffel, Ohrensessel, Mahagoni-Salon, Pfeife, Tod.

Nicht so David Bowie: Das renommierte Maria Schneider Orchestra hat ihm für "Sue (Or in a Season of Crime)" ein unbequemes Bett gebaut, schiefen, kaputten, flirrenden und heiß zischelnden Big-Band-Jazz. Unangenehm und schön nervig ist das, Bowie unterbreitet uns dazu mit erstickter, schmerzgeplagter Stimme eine Murder Ballad: Der Erzähler öffnet den Song mit grundsätzlich zukunftsfroher Botschaft, wirkt aber von Anfang schon zerstört und niedergeschlagen: "Sue, I got the job / We'll buy the house / You'll need to rest / But now we'll make it". Es wird nicht gut enden. Das schöne stabile Leben mit Haus, Job, Kind, Sicherheit und Wonne bis ins tiefe Alter wird nicht halten.

Von einer Krankheit der Frau ist in Andeutungen die Rede, von Zweifeln, Eifersucht, Betrug: "Sue, I never dreamed / I'm such a fool / Right from the start / You went with that clown", ein Mord wird schemenhaft skizziert: "Sue, I pushed you down beneath the weeds". Ein hässliches, seltsames Lied, an dem man wieder einmal hören kann, dass David Bowie doch noch gar nicht alles ausprobiert hat in diesem Leben und das möglicherweise auch gar nicht muss.