Erstellt am: 16. 10. 2014 - 14:10 Uhr
In Udo we trust
Udo Kier ist 70. Eigentlich sollte man alle Filme mit ihm gesehen haben. Fürs Karma. Hier eine subjektive Auswahl von sechs Kier-Gemmen, ohne die das Leben keinen Sinn hat.
Am 14. Oktober ist Udo Kier(spe) 70 geworden. Das ist ziemlich unglaublich, wird aber noch unglaublicher, wenn man dem Mann gegenüber sitzt. Die Augen beben vor lauter Leben (und Schalk), das Gesicht beschreibt man am Treffendsten mit „in die Jahre gekommene Jugendlichkeit“. Nichts an diesem Mann hat sich zur Ruhe gesetzt, nicht sein Aussehen, nicht sein Spieltrieb. Sein Leben und Wirken selbst kann man lesen wie eine kleine, von obskuren und skurrilen Perspektiven aus betrachtete Geschichte des Kinos.
Udo Kier lernt Rainer Werner Fassbinder in einer Berliner Kneipe kennen, sitzt im Flugzeug neben Paul Morrissey, wird in London von Luchino Visconti und Rudolf Nurejew auf Champagner eingeladen und hockt mit Christoph Schlingensief und Tilda Swinton unter dem Tisch in einer Berliner Bar.
Das Ergebnis all dieser zufälligen Begegnungen sind Meisterstücke des Kinos, nicht zuletzt aufgrund von Udo Kiers ungekünstelter Kunst. Nur einmal hat er eine Schauspielschule von innen gesehen, allerdings nur kurz, dann waren ihm die Methoden von Lee Strasberg zu komisch. Kier schöpft aus dem Leben selbst.
Udo Kier wird am 14. Oktober 1944 in Köln geboren. Das Krankenhaus wird kurz danach von einer Bombe getroffen. Aufgewachsen ist er in armen Verhältnissen. Nur eine Tante konnte es sich leisten, auf Urlaub zu fahren und versendete immer Postkarten mit Palmen drauf an ihre Schwester und ihren Neffen. Auf seinem Anwesen in Los Angeles hat Udo Kier jetzt selbst Palmen stehen, und nicht zu wenige. Manchmal spricht er sogar mit ihnen. Die Postkarte seiner Kindheit ist zur Wirklichkeit geworden. Dazwischen liegt eine außergewöhnliche Filmografie. Danke, Udo.
Sechs essenzielle Kier-Momente, sehr subjektiv ausgewählt
Filmforum Bremen
Schamlos (1968) - Ein rundum geiler Sturzflug durch Spelunken, Bars und Kneipen, bevölkert mit halbseidenen und sinistren „creatures of the night“, all den Strizzis und Ganoven, die das Kino hergegeben hat. Inszeniert vom österreichischen Luxus-Schundfilmer Eddy Saller und unterlegt mit einem pumpenden Soundtrack von Gerhard Heinz (unlängst auch auf Vinyl erschienen), kämpft ein blutjunger, wunderschöner Udo Kier um Ansehen und ums Überleben.
filmbook.blog.hu
Hexen bis aufs Blut gequält (1970) - Eine der wenigen Heldenrollen von Udo Kier: In Michael Armstrongs legendärem Witchsploitation-Klassiker „Hexen bis aufs Blut gequält“ strahlen die blauen Augen verloren durchs mittelalterliche Elend. Ein Hexenjäger hat es auf Udos Mädchen abgesehen und der setzt alles daran, damit seine Liebste nicht auf dem Scheiterhaufen verbrennt.
sgnewwave.com
Flesh for Frankenstein (1973) & Blood for Dracula (1974) - Ein Doppelschlag vom Briten Paul Morrissey, der Udo Kier im Flugzeug kennen gelernt und ihn sofort für seinen "Frankenstein" verpflichtet hat. Andy Warhol produzierte beide Filme, diverse Alumni seiner Factory, darunter Joe D’Alessandro gleiten durch die exzentrischen und überhöhten Pulp-Horror-Stücke.
planetpulp.dk
Riget – Hospital der Geister (1994) - Lars von Trier und Udo Kier sind gut befreundet: Der Däne besetzt den Deutschen in fast allen seinen Filmen. Nie allerdings hatte Kier einen vergleichbaren Auftritt wie in von Triers großartiger Fernsehserie "Riget – Hospital der Geister". Als deformiertes Baby betritt der "Little Brother" die Welt und hängt dann – grotesk deformiert, zum Giganten herangewachsen – an der Wand eines Krankenhauszimmers.
bonjourtristesse.net
My son, my son what have ye done? (2009) - Bei einem Werner Herzog-Film muss man auf vieles gefasst sein: “My son, my son what have ye done?” basiert lose auf einem verstörenden Mordfall, bei dem ein Sohn seine Mutter mit einem Samuraischwert getötet hat. Udo Kier spielt einen angemessen exzentrischen Theater-Regisseur, dessen Sonnenbrille von einem Strauß gefressen wird. Unfassbar gut.
notrecinema.net
Spermula (1976)- Der Maler und Regisseur Charles Matton erzählt in diesem obskuren Science-Fiction-Porno von gasförmigen Außerirdischen, die die Erde kolonialisieren möchten. Aus diesem Grund transformieren sie sich in wunderschöne Menschenfrauen, die allen Männern des Planeten das Sperma aussagen sollen. Nur ein Alien verwandelt sich in einen Mann, der aussieht wie Udo Kier und den Spermulitinnen lehrt, wie schön Sex sein kann.