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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

15. 10. 2014 - 18:03

Foxygen

Mit dem neuen Album "...And Star Power" zurück in den ganz normalen Wahnsinn.

Foxygen: Alles nur kein Ernst - Zwei Pranksters aus Kalifornien treten der Nostalgie ordentlich in den Hintern.

Sanfte Singles, wilde Buben. So hat sich das aus Kalifornien stammende Duo Foxygen vor gut zwei Jahren der saturierten Welt der Rockmusik präsentiert.

Sam France und Jonathan Rado veröffentlichten damals mit ihrem zweiten Album "We Are the 21st Century Ambassadors of Peace & Magic" eine Platte, die kenntnisreich und neckisch aus den übervollen Soundbibliotheken der sechziger Jahre zitierte. Das Album hob sich mit seiner durchgeknallten Launigkeit wohltuend vom schöngeistig stilisierten Leiden der meisten Jungmusikerkollegen ab.

Während der anschließenden Tour exorzierten Foxygen dann Rock'n'Roll-Dämonen. Sie prügelten sich in den Songpausen, beschimpften das Publikum und stolperten über Kabelhaufen und manchmal auch vom Bühnenrand. Einige Konzerte wurden vorzeitig abgebrochen, andere fanden erst gar nicht statt.

foxygen 2014

Jagjaguwar

Doch was in den sechziger und siebziger Jahren noch zum guten Ton schlimmer Jungs gehörte, wirkt heute eher peinlich und dazu geschäftsschädigend. Präkere Zeiten, angepasste Zeiten. Zu dieser Einsicht sind Foxygen wohl auch selbst gelangt.

Auf dem neuen Album "... And Star Power" lässt man die Sau lieber auf Platte raus und gibt sich bei öffentlichen Auftritten vorerst ungewohnt handzahm und auskunftsfreudig. Für das Wilde und Explosive hätte man sich einen Avatar ausgedacht, so Sänger Sam France im Telefoninterview. Die fiktive Punk Band "Star Power" gibt dem neuen Album nicht nur einen Namen, sie taucht auch immer dann auf, wenn so richtig Radau geschlagen werden soll. Des weiteren bekommen wir es mit einer fantastischen Radiostation gleichen Namens, einer Rock'n'Roll-Airline, und ein paar Aliens zu tun, die von den Gedanken der Songs und ihrer Protagonisten Besitz ergriffen haben. Star Power, die gibt es nur mehr als Fiktion, so der Subtext der neuen Platte.

Konzeptloses Konzeptalbum

Das Foxygen Album ist - wir haben es bereits übernasert - eine konzeptuelle Arbeit. Als Vorbild bieten sich einmal mehr die späten sechziger und frühen siebziger Jahre an. Damals haben Bands wie Pink Floyd, Aphrodite's Child oder Tod Rundren epische Erzählungen über mindestens ein Doppelalbum oder gar mehrere Werke ausgewälzt.

Mit einem klassischen Konzeptalbum hat "... And Star Power" jedoch bloß die formalen Dimensionen gemein. Das Doppelalbum kommt auf 24 Songs bei 83 Minuten Spiellänge. Was jedoch fehlt, ist eine erzählerische Dramaturgie oder ein musikalischer Bogen, der das ganze Werkel zusammenhält.

Foxygen segeln stattdessen auf einem Zickzack-Kurs hinaus aufs offene Meer, immer dem knallbunten Horizont ausfransender Musikabenteuer entgegen. Eingängiges wie etwa die Single "How Can You Really", reiht sich neben Lärmorgien wie "Cold Winter Freedom". Der Zitatenschatz ist noch reicher als auf den Vorgängeralben. Genres addieren, das war gestern. Surf, Punk, Glam, Folk, Psychedelic, Industrial, Soul, Soft Rock ... bei Foxygen müsste man mittlerweile abziehen, was vom musikalischen Kanon der Sechziger und Siebziger nicht aus den Archiven gezogen wird.

Die Unternehmung "...And Star Power" ist also durchaus etwas größenwahnsinnig, wenn auch ganz und gar nicht perfektionistisch angelegt. Denn anstatt sich in den unendlichen Weiten der Harmonien oder Tausend und Eine Tonspur zu verlieren, fließen in Foxygens Opus Magnum gewöhnliche Alltagsgeräusche, Küchengespräche oder flott zusammengeschnittene Tonbandschnippseln mit ein, sowie allerlei übersteuerter oder semiprofessionell aufgenommener Blödsinn.

Dieser an aktuellen Hörgewohnheiten gemessene Fiebertraum macht "...And Star Power" zu einer anstrengenden aber doch lohnenswerten Angelegenheit – v.a. wenn man sich ohne Aussicht auf Lösegeld gerne nach Nerdistan entführen lässt.

Sam und Jonathan mögen zwar einen geschäftsschonenden Benimmkurs für das Auftreten in der Öffentlichkeit absolviert haben. Mit der Musik ist ihnen aber ein Rückwärtssalto in die anarchische Experimentierfreude der Anfangszeit gelungen, als die beiden Freunde aus Kindheitstagen im DIY-Prinzip Hunderte Songskizzen auf Leerkassetten spielten.

"... And Star Power" ist somit ein Schritt zurück in den ganz normalen Wahnsinn und der steht Foxygen ausgezeichnet. Keine Sorge, ein paar schöne Songs sind den beiden dann doch auch wieder passiert.