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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

14. 10. 2014 - 17:04

Zusammen im Glück

Joe Goddard von Hot Chip und sein Partner Raf Rundell wärmen mit ihrem Projekt The 2 Bears die Seele: Ihr Album nennt sich "The Night Is Young" und feiert das Leben und die Liebe zwischen Dancefloor und Familie, zwischen House und globalem Pop.

Auf ihrem Debütalbum haben The 2 Bears vor zwei Jahren den Dancefloor als Ort der fast schon spirituellen Gemeinschaft hochgehalten, als Schauplatz der Leidenschaft, der Celebration. "Get Together" nannte sich auf der "Be Strong" betitelten Platte ganz pragmatisch ein Song, ein anderer gleich "Church": "Hey now, hey now, let's get up together!" schickten die zwei Bären Joe Goddard und Raf Rundell (aka DJ Raf Daddy) da aus ihrer Kirche, dem Club, mit großer Inbrunst die Botschaft der Liebe, der Freude in die Welt hinaus.

Während also der eine Hot-Chip-Kopf Alexis Taylor in seiner Freizeit zerbrechliche, karg instrumentierte Songminiaturen schnitzt, widmet sich Joe Goddard, der zweite Mastermind der englischen Wildstyle-Popper, im Nebenjob bekanntlich verstärkt dem Dancefloor: Er umkreist als DJ die Welt, veröffentlicht auf dem Label Greco-Roman, bei dem er auch selbst die Finger im Spiel hat, zärtliche Banger und rollt im Projekt The 2 Bears die Geschichte der Tanzmusik auf. Mit Humor, großem Spaß, Willen zur Albernheit, in allen Farben.

The 2 Bears

The 2 Bears

Joe Goddard und Raf Rundell

Auf dem Debüt der 2 Bears haben Goddard und sein Partner Rundell den Fokus noch klar auf ihrer Heimatstadt London und tatsächlich auf die Nacht, hinein in den Club gelegt. Ihr jetzt erscheinendes, zweites Album ist globaler, weitläufiger, ortloser, in anderen Momenten schleicht es in der Gegenbewegung in die heimelige Stube, unter die Kuscheldecke zu einem geliebten Menschen.

Dass die Euphorie, die Hoffnung auf Schweiß und eine kesse Sohle auch wieder aus dieser Platte sprechen, sagt schon ihr Name: "The Night Is Young". Gleichzeitig ist dieses Album eines des Älter- und Erwachsenwerdens, einer langsamen Reifung, ein kleiner Rückzug ins Private, ins Intime, in die Familie. Joe Goddard und Raf Rundell sind beide etwa Mitte Dreißig, sachte erfolgt eine innere Beruhigung, Sesshaftwerdung, man bekommt Kinder.

So entsteht auf "The Night Is Young" ein schönes Ungleichgewicht, das wir Leben nennen: Zum einen haben The 2 Bears die Welt bereist, in ihrer englischen Homebase, in Tel Aviv und vor allem in Südafrika aufgenommen und abenteuerlustig die Styles angezapft. Schon auf ihrem Debütalbum waren neben den dominanten Elementen House, Disco, Pop, Garage, 2-Step immer wieder auch deutlich Einflüsse von Dub und Reggae zu hören, beispielsweise in dem schon durch den Titel klar dem vielleicht wichtigsten und besten Reggae-Album aller Zeiten gewidmeten Song "Heart of the Congos".

Diesmal sind diese Vorlieben stärker herausgearbeitet: Vor allem in dem Stück "Money Man" mit dem englischen Sänger Stylo G, eine Nummer, die von einem ostentativ leichten, gutgelaunten Sunshine-Reggae-Vibe in einen roughen Ragga und wieder zurückgleitet und mit politischen, fast schon klischeehaften, vermutlich dem Genre geschuldeten Lyrics daherkommt: "Stand up, stand up for your rights, you see you only have a short time in which to be free, don't give up, give up cause we're under attack and the money man wants to break your back."

Anderswo sprudeln Goddards und Rundells Erfahrungen aus Kapstadt und Johannesburg aus den Rillen, beispielsweise im Song "Son of the Sun", den die 2 Bears mit dem Kwaito-Sänger Senyaka aufgenommen haben. Der ist dann wiederum auch auf der klassisch gebauten Popnummer samt House-Piano "Angel (Touch Me)" zu hören.

2 bears

Southern Fried

"The Night Is Young" von The 2 Bears erscheint via Southern Fried

Die weltmusikalischen Erforschungen, die eben nicht von Kulturimperialismus geprägt sind, sondern bloß von großer gegenseitiger Liebe und Kollaboration, mischen sich so mit traditionellem Songwriting, elektronischem Soul, Kuschelliedern für den Slow Dance, abgebremstem House im Songformat: In Plüsch gepackte Stücke wie "Not this time", "Unbuild it again" oder "Modern Family" besingen unter anderem die Probleme mit und das Wunder der Liebe, wie das so gehen könnte mit einer halbwegs ernstgemeinten Beziehung oder das Glück der Elternschaft.

Es jauchzen die Steeldrums, Raf Rundell und Joe Goddard mit glorreichem Schmelz, dazwischen ist auf gut 70 Minuten noch Raum für einen Zeitlupendiscotrack für die Hängematte wie "Mary Mary" oder die mit verstellten Humor-Stimmen durchsetzten Quatsch-Tracks "See You" und "My Queen". Das ist alles ein bisschen viel, aber: "Together we can lift it", wie es in dem den Comedown von "The Night Is Young" begleitenden, seinem Titel alle Ehre machenden Abschließsong "Sleepwalking" heißt.

Eine an allen Kanten überschwappende Platte über das Zusammenkommen und das Zusammenleben, global gesehen, im kleinen Kreise, in der Liebe, in der Feierei, im Club. Eine Umarmung, zart und süß, wild und aufregend, heute Nacht und forever.