Erstellt am: 14. 10. 2014 - 12:07 Uhr
Illegalize it
Die Welt wird globaler und Grenzen lösen sich auf, aber nicht für alle. Denn während manche Menschen Grenzen passieren können, ohne einen Ausweis zu zeigen, müssen andere alle möglichen Gefahren und Kosten auf sich nehmen, um in ein Land einzureisen. Flucht bleibt weiterhin ein besonders gefährliches Unterfangen.
Die Helden von gestern
Heute wird im Mainstream Flucht häufig kriminalisiert. Begriffe wie Schlepper-Banden, Scheinasylanten und Scheinehen dominieren den Diskurs. Die Tagung „Schleppen, Schleusen, Helfen. Flucht zwischen Rettung und Ausbeutung“, die zurzeit in Wien stattfindet, erinnert an andere Zeiten.
In der Vergangenheit wurden viele FluchthelferInnen, auch jene, die gegen Entgelt ihre Unterstützung anboten, zu Helden. In der NS-Zeit halfen Passeure JüdInnen und anderen Flüchtlingen bei der Überquerung deutscher Grenzen. Während des Kalten Krieges war die Rettung von Flüchtlingen aus dem „Osten“ besonders angesehen. „Doch auch die Heroisierung von gestern war, wie die heutige Dämonisierung, nicht frei von politischer Instrumentalisierung“ sagt die Kulturwissenschaftlerin Ina Boesch. Schließlich stand mit dem kommunistischen Ostblock ein „Anderes“ gegenüber, dessen BürgerInnen in den freien Westen gerettet werden mussten. In den 80ern entschied ein deutsches Gericht sogar, dass selbst Fluchthilfe gegen Entgelt nicht sittenwidrig ist.

Radio FM4 / Lukas Tagwerker
Neue Gesetze für eine neue Welt
Der Fall des Eisernen Vorhangs bewirkte auch im Bereich der internationalen Migration und Flucht massive Veränderungen. In dieser Zeit nahm Österreich eine besondere Vorreiterrolle an. Wolfgang Schüssel wandte sich 1997 als Außenminister mit der Forderung an die Vereinten Nationen, den Schmuggel von Menschen international zu kriminalisieren.
Österreich spielte letztendlich eine große Rolle bei der Einführung des Zusatzprotokolls gegen Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg. Damit sollte die Strafbarkeit von Schlepperei ermöglicht und geregelt werden. Doch wo fängt die Strafbarkeit an?
Scheingesetze
Die Frage, was Schlepperei und was Fluchthilfe ist, zieht sich durch aktuelle Diskurse, wie am Beispiel des sogenannten Schlepper-Prozess sichtbar wird. Solche Prozesse zeigen auch, dass die Gesetze nicht frei von Widersprüchen sind. Besonders bekannt sind die Paragrafen 114 und 115, die Schlepperei und Beihilfe durch Aufenthalt etc. kriminalisieren. Die EU überlässt es ihren Mitgliedsstaaten zu entscheiden, ob Fluchthilfe aus humanitären Gründen strafbar ist. Österreich macht hier keine Ausnahme. Das widerspricht jedoch dem Zusatzprotokoll der UN, das von Österreich mitgestaltet wurde.
Die internationale Tagung
"Schleppen, schleusen, helfen.
Flucht zwischen Rettung und Ausbeutung" setzt sich bis zum 15. Oktober mit historischen und aktuellen Diskursen über Flucht auseinander.
„Die Gesetze verhindern Migration nicht“, sagt Andreas Schloenhardt, Professor für Strafrecht. Dennoch wird ständig über Gesetze diskutiert und in Zukunft werden weitere Verschärfungen angekündigt. Wieso? Weil Regierungen so der Öffentlichkeit auf leicht verständliche Weise mitteilen können, dass „etwas“ getan wird.
Dabei können die Gesetze mehr bewirken und auch die Flüchtlinge mehr beschützen, wenn Einwanderungsländer wie Österreicher stärker mit Transit- und Herkunftsländern zusammenarbeiten würden, betont Schloenhardt. Doch der aktuelle Trend macht nicht optimistisch.
Statt Kooperationen und Vorbereitungen auf absehbare Flüchtlingskrisen, wie im Fall des Bürgerkriegs in Syrien, werden Gesetze verschärft und die Grenzen dicht gemacht. Genau das macht allerdings entgeltliche Schlepper oder humanitäre Fluchthelfer für Flüchtlinge unentbehrlich.
Ob die Schlepper von heute vielleicht auch mal zu Helden werden? Das wird die Zukunft zeigen, sagt Ina Boesch. Es wäre nicht der erste Bedeutungswandel im Diskurs um Flucht.
FM4 Auf Laut: Was ist Fluchthilfe?
Bei Lukas Tagwerker war Hannelore zu Gast, die in den 90er Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert war. Wir diskutieren über legitime Fluchthilfe, Risiko, Verantwortung und den Schlepperei-Paragrafen. Zu hören ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut und mit Anschluss für sieben Tage unter fm4.orf.at/7tage.
Anrufen und Mitdiskutieren erwünscht!
Die Nummer ins Studio: 0800 226 996