Erstellt am: 16. 10. 2014 - 20:00 Uhr
Ein sanfter Zuhörer
"World, you need a change of mind", nannte der britische Musiker Adam Bainbridge in Anlehnung an den Eddie Kendricks-Song "Girl, you need a change of mind" sein Debütalbum, auf dem er vor zwei Jahren zwischen verwaschener Disco, melancholisch dreinschauendem Bedroom-Pop und eigenbrötlerischem Funk eine Menge guter Einflüsse in eine gute Platte packte. Tanzen im Morgengrauen, vielleicht aber auch mit Tears in den Augen.

Pooneh Ghana/Kindness/Female Energy
Wenn Album Nummer Zwei, "Otherness", mit einem Song namens "World Restart" beginnt, möchte man einen Neubeginn vermuten, eher geht es textlich aber um die Utopie eines Neubeginns, wie Bainbridge in einem Interview erzählt. Sein Projekt Kindness bewegte sich schon immer gern im Referenzuniversum und steht auch heute noch im engen Austausch mit von ihm geschätzten Künstlerinnen und Künstlern, nur der Zugang hat sich von den verneigenden Neuintepretationen des ersten Longplayers auf "Otherness" in Richtung befruchtender Zusammenarbeit verschoben.
Wo auf "World..." noch Disco und Funk für Bainbridges ausgeklügelte Popsongs Pate standen, drehen sich die neuen Songs in Richtung R’n’B und Pop. Die kalifornische R’n’B-Durchstarterin Kelela ist auf gleich drei Nummern als Gastsängerin zu hören, die schwedische Popkönigin Robyn drückt der Single "Who do you love" ihren unverwechselbaren Stempel auf und Bainbridges langjähriger Kumpel Dev Hynes aka Blood Orange ist ebenfalls mit von der Partie. Das hauchige Saxophon in Songs wie "With you" oder "8th Wonder" wurde von dem britischen Jazzmusiker Finn Peters eingespielt, die Harfe in "For the young" ist ein Sample einer Zusammenarbeit von Herbie Hancock mit dem gambischen Musiker Foday Musa Suso, das amerikanische Produzenten- und Songwriterduo Jimmy Jam und Terry Lewis, die man beispielsweise von ihrer Zusammenarbeit mit Janet Jackson und ihren Contemporary-R’n’B-Entwürfen kennt, kümmert sich um zusätzliche Produktionen.
Im Zentrum all dieser verschiedenen Künstler und deren Input steht Adam Bainbridge und ist neben Musiker und Ideengeber auch eine Art Kurator oder Stylist, der die besten Parts der anderen zu einem assoziativen Gesamtbild zusammenfügt, so als bilde sein Geschmack den Nährboden für die sich leise um sich selbst drehende Musik des Projekts Kindness.
I'm thinking bout my baby now,
I'm thinking bout my baby now,
I'm thinking bout my baby now, yeah
I'm thinking bout my baby now,
I'm thinking bout my baby now,
I'm thinking bout my baby now, yeah
("8th wonder")
Dem Maximalismus vieler aktueller Chartsproduktionen stellt er eine entspannte Reduziertheit entgegen. So setzt sich etwa der zurückgelehnte House-Jam von "I’ll be back" aus wenig mehr zusammen als einer fantastischen Piano-Hookline, Stimme, Beat und Fingerschnippen, während Kelelas Stimme auf "With you" scheinbar frei und ohne Verankerung über improvisierte Saxophon- und Basslines fliegt. Andere Songs funktionieren nach dem Prinzip eines merkwürdigen Stop-and-Go-Prinzips, das den Beat verebben und dann wieder anschwellen oder einzelne Spuren plötzlich alleine dastehen lässt und den Sog, der sich aus den neuen Kindness-Songs entwickelt, zu einem sanften macht. "Otherness" ist eine eigenständigere Platte als ihr Vorgänger und sie ist, ganz im Geiste ihres Titels und im besten Wortsinne "seltsam". Sie tut sich, ebenso wie ihr Protagonist, nicht hervor, sondern wartet geduldig und funkelnd in einer Ecke auf ihre Entdeckung.