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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 10. 2014 - 13:44

The daily Blumenau. Monday Edition, 13-10-14.

Mühe und Leidenschaft. Über Überwachung, andere Unabdingbarkeiten und eine provokante Anti-Empörung von Felix Schwenzel.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#netzkongress #netzpolitik #demokratiepolitik

Im Vorjahr war der Netzkongress unseres inhaltlichen Quasi-Partner-Radioprogramms bei BR, dem Zündfunk, Quell und Anstoßgeber für einige daily-Einträge - heuer hab ich's nicht nach München geschafft, weshalb ich heute einige Zeit in den Mitschnitten der interessantesten Panels, Keynotes und Vorträge herumgestöbert habe.

Hängengeblieben bin ich bei Felix Schwenzel und seinem launigen Halbstünder mit dem Titel "Warum wir die Überwachung lieben - und was man dagegen tun kann".

Schwenzel ist einerseits der Anti-Lobo, leise und unaufdringlich (das merkt man auch am wenig egofixierten Stil seiner Site wirres.net), andererseits aber natürlich auch ein denk- und sprachverliebter Mensch.

Sein Vortrag dockt inhaltlich an dem an, womit Lobo aktuell unterwegs ist - zuletzt auch in Wien: seiner Kritik am Plattform-Kapitalismus und den Gefahren der Sharing-Kultur, der unser ökonomisches System in eine turbokapitalistische Dumping-Hölle zu verwandeln droht.

Schwenzel beleuchtet eher die politischen Aspekte der Überwachungs-Kultur, spricht über das "Was tun nach Snowdon?" Er stellt unangenehme Fragen, agiert aber (gemäß seiner ersten Regel "Ruhe bewahren") als Anti-Empörer.
Er äußert Verständnis für die "ich habe nichts zu verbergen!"-Argumentation jener, die gegen Überwachung meist nicht allzu viel einzuwenden haben; und er macht klar, dass die gern gestellte Empörungs/Journalisten-Frage, warum angesichts der lückenlosen Überwachung nicht alle Menschen andauernd auf den Straßen protestieren, sehr kurz greift. Weil Überwachung Sicherheit gibt: Chips für Kleinkinder, U-Bahn-Überwachung gegen Schläger, die Videokamera, die mein Nachbar über meiner Wohnung angebracht hat...

Mittlerweile, so eine von Schwenzels Thesen, hat sich Überwachung so tief in unsere Leben eingeschlichen, dass es gar nicht mehr ohne geht. Und er zitiert zeitgenössische Stimmen, als im 17. Jahrhundert die Straßenbeleuchtung eingeführt wurde; und auch da stand neben dem Sicherheitsaspekt selbstverständlich die bessere Überwachung im Vordergrund.

Daraus folgert: von Regierungen zu verlangen die Überwachung zu beschränken ist sträflich naiv. Schwenzel spöttelt ein wenig über die Juli Zehs und ihre Appelle, macht deren intellektuelle Ineffektivität klar.

These 2: Den Satz von der demokratie-gefährdenden Überwachung will keiner hören - nicht weil es den meisten egal ist, sondern weil's schwer nachvollziehbar ist, wie bei vielen allzu abstrakten Ängsten jenseits der plumpen Verschwörungstheorie. Wer überzeugen will, muss besser argumentieren - was der Netz-Community ebenso schwerfällt wie den Piraten (die daran ja final sogar gescheitert sind).

Die Annahme, dass es genüge, Druck auf Regierungen auszuüben, wäre also vom Tisch. Schwenzel spricht von der Notwendigkeit eines Sogs, von gezielt gesetzten Bildern, Symbolen und Narrativen, die die Gefahren klarmachen. Und er empfiehlt Provokation, Benennung und Spott gegen den Missbrauch von Technologien - auch wenn der Marcuse-Satz, dass Herrschaft in Konstruktion von Technologie schon angelegt sei, unbeeinsprucht bleiben muss.

Die Überwachungs-Debatte kann zudem nicht getrennt von der Transparenz-Debatte geführt werden. Der Drang, Überwachung (Datensammeln, Wissenwollen) immer nur beim Anderen einsetzen zu wollen, ist nichts als die Umkehrung der Überwachungs-Panik.

Hilfreich, sagt Schwenzel, wäre auch ein besseres Funktionieren der Gewaltenteilung, checks & balances wie der Amerikaner sagt (und angesichts der Bedeutung dieser Formulierung wird mir off topic klar, warum der Journalismus in den USA einen selbstverständlicheren Ansatz hat; weil das checken und balancieren da im Sprachgebrauch grundangelegt ist). Eines der letzten Charts sagt "Freiheit hat einen Preis: Mühe und Leidenschaft".