Erstellt am: 12. 10. 2014 - 18:51 Uhr
Schöne Psychedelik mit Orgel
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
War alles nur ein vernebelter, wunderschöner Traum? Was ist geschehen? Ein langgedienter Künstler, im so genannten "Underground" eine so genannte "Legende", findet spät in der Karriere in der Schlichtheit neue Dimensionen, versteckt in der süß zu schluckenden Pille Mysterien. Mit seiner Band Sun City Girls hat der Musiker und Sänger Alan Bishop seit den späten 70ern wilde, weirde, kaputte Musik gemacht, die an so etwas wie Erfolg nur kaum und an leicht zu konsumierendem Pop nur hie und da ein klitzekleines bisschen interessiert gewesen ist.
Die Sun City Girls haben mit einem wirren Kauderwelsch aus Jazz und Noise, Surf- und Garagen-Rock, Folk und weltmusikalischen Entlehnungen aus dem Nahen Osten, Afropop und oft kaum zu dechiffrierend Brumm- und Gurgelgesängen unzählige Platten, Cds, echte Alben und Kassetten vollgemacht. Ein unüberschaubarer Werkkorpus, oft wie beiläufig hingeschmissene Aufnahmen, wie im allerhöchsten Delirium zufällig eingespielte Jams ohne Ziel und Ende. Immer wieder sind dabei auch große, immer noch absurdest wuchernde, aber konzentrierte Alben herausgekommen, wie beispielsweise das Meisterwerk "Torch oft he Mystics".
The Invisible Hands
Zusätzlich zur verbogenen und im ganzen Universum verkabelten Musik schmückten sich die Sun City Girls mit einem ausgeprägten Interesse für Mystizismus, Esoterik, paranormale Erscheinungen oder religiöse Kulte. Mit dieser für alles empfänglichen Sockenschusstaktik auf vielen Ebenen dürfen die Sun City Girls klar und ausdrücklich als Vorläufer und Ideenspender für Gruppen wie das Animal Collective oder Gang Gang Dance gelten. Im Februar 2007 starb Drummer und Teilzeitsänger Charles Gocher, die Sun City Girls lösten sich auf.
Mittlerweile hat Alan Bishop mit jungen ägyptischen Musikern, unter anderem aus der populären Band Eskenderella, eine neue Gruppe gegründet, die deutlich zeigt, dass er auch ein geschicktes Händchen für echte, große Songs hat, die nicht bloß zum Zwecke der Kuriosität arg durch die Gegend jazzen müssen.
Demnächst erscheint das zweite, wieder in Kairo aufgenommene Album der Band The Invisible Hands namens "Teslam", die Vorabsingle "Slaughterhouse" übt sich in halluzinogen durchsetztem, gut orgelndem Psychedelic-Rock, direkt herübergebeamt aus den frühen Seventies. Einmal Pilze, bitte.
Sängerin Aya Hemeda und Alan Bishop umschmiegen sich mit ihren Stimmen und zwirbeln sich in einen magischen Strudel: "You’re spinning in a dream that could never be consumed", heißt es da, und später, "Kiss yourself goodbye for you’re much too beautiful". Nach dreieinhalb Minuten ist das Stück auch schon wieder vorbei, fast die Hälfte davon ist rein instrumental gehalten, Refrain gibt es keinen, einzig das Wort "beautiful" taucht öfters und klar mit Bedeutung beladen auf.
In dem Song "Slaughterhouse" wirkt eine Körperlichkeit durch, die Leidenschaft, eine Freude an der Liebe, am Sex ("Rub your hands all through the beautiful heads of hair"), gleichzeitig schwebt ein Unbehagen, eine Mulmigkeit über diesem Lied. Man spürt das nicht bloß am Titel, "beautiful", ja, das ist es, aber irgendetwas ist hier faul. Eine rätselhafte, erhebende Allianz, eine Altersmilde, die nicht fade schmecken muss, eine Umarmung, der wir nicht ganz trauen wollen.