Erstellt am: 11. 10. 2014 - 16:12 Uhr
Was Pornos und Moral gemeinsam haben
Was tut mir gut beim Sex? Und wie schaff ich's drüber zu reden? Eine oft nicht ganz leichte Aufgabe. Oft sind wir, grad wenn's drauf ankommt, zu sagen, was wir beim Sex gerne mögen oder lieber nicht wollen, sprachlos. Daran ändern scheinbar auch Pornobilderflut und Sadomaso-Romanbestseller nichts. Wie aufgeklärt sind wir wirklich? Wie stehts um unsere Sprache über Sex? Und wo fang' ich an, wenn ich gelernt hab, nicht darüber zu reden? Sexologin Bettina Weidinger vom österreichischen Institut für Sexualpädagogik gibt Auskunft.
Bettina Weidinger
Claudia Unterweger: Sind wir einerseits von Moralvorstellungen, andererseits von Porno geprägt – und in Wirklichkeit gar nicht richtig aufgeklärt?
Bettina Weidinger: Sexualität ist ein Tabuthema, und jedes Tabuthema hat es an sich, dass nicht wirklich darüber gesprochen wird. Das heißt, es wird nicht über die wahren Sehnsüchte gesprochen, sondern es werden andere Themen abgehandelt, die irgendetwas mit der Sexualität zu tun haben.
Warum ist das so tabuisiert?
Das ist eine schwierige Frage. Sexualität ist aus meiner Sicht eine starke Kraft und hat viel Macht. Menschen, die sich wohl fühlen in ihrer Sexualität, das sind Menschen, die sich sehr wohl fühlen in ihrem Körper, in ihrer Person und in ihren Emotionen. Das heißt, das sind Menschen, die nicht gut lenkbar und manipulierbar sind.
Die Generation Internet schwankt nun in ihrer Sprache und in ihren Bildern zwischen alten Moralvorstellungen, die wir alle mitbekommen haben und eben diesen pornografisierten Bildern, die überall – in der Schule, am Handy usw. – verfügbar sind. Wie finden wir da wieder raus?
http://is.gd/SjWYac; http://is.gd/2eaEG2
Ich möchte festhalten, dass diese beiden Pole, die Sie nennen – die Moral und die Pornos – dieselben Dinge sind. Weil: Aus meiner Sicht sind beides Situationen, die aus der Sprachlosigkeit entstehen. Wenn ich nicht darüber sprechen kann, weil die Gesellschaft das aus welchen Gründen auch immer verbietet, dann wird sich einerseits ein enges Moralkorsett ergeben, und manche werden sich daran halten und andere nicht. Und andererseits bleibt die Sehnsucht bestehen. Die Sehnsucht nach Extase, nach etwas Besonderem, die Sehnsucht, endlich zu wissen: Was ist das mit dem Sex? Was erleben Andere? Wenn nicht darüber gesprochen wird, muss dennoch diese Sehnsucht, diese Energie, dieses Bedürfnis nach Antworten gestillt werden. Das wird dann nicht auf eine Weise gemacht, in der es die Fragen ausreichend beantwortet, sondern auf oberflächliche Weise. Pornos sind oberflächlich – und sie kommen aus dem Tabu, und sind nicht ein Zeichen von Extrovertiertheit. Deshalb ist es für mich dieselbe Schachtel. Und daher stellt sich für mich weniger die Frage: Wie kommen wir aus diesem Spannungsfeld heraus? Sondern: Wie kommen wir in das sexuelle Thema hinein?
Über die eigenen Gefühle zu reden, ist etwas, das man explizit nicht lernt. Wie gehen wir es also an?
Es geht darum, wachsam zu werden gegenüber dem, was man selbst wahrnimmt und empfindet. Und auch wachsam zu werden gegenüber jenen Dingen, wo man selbst feststellt, dass das Außenbild, das kommt – nehmen wir das Klischee Porno – eine ganz andere Wahrnehmung darstellt, als ich sie habe. Da kann ich mir selbst helfen, indem ich selbst reflektiere und differenziere: Was ist meine Wahrnehmung? Und was ist das Außenbild? Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen genau diesen Schritt nicht wagen. Und das hat natürlich eine Vorgeschichte, die nicht bei den Pornos anfängt, sondern lange Jahre davor – im Kindesalter.