Erstellt am: 11. 10. 2014 - 22:14 Uhr
Vampire und Westernhelden revisited
Es gab Zeiten, popkukturelle Veteranen werden sich vielleicht erinnern, da hatten Horrorgestalten keine Biografie. Ganz mysteriös schlugen sie aus dem Dunkel zu, irrational, jenseits aller Erklärungen. Heute muss dagegen, zumindest im Mainstreamkino, längst alles aufgeschlüsselt, entzaubert und zu Tode psychologisiert werden.
Graf Dracula bespielsweise darf dann nicht, wie etwa in der unvergesslichen Verkörperung von Christopher Lee, einfach ein dämonischer Blutsauger sein. Er braucht einen Grund, um in Hälser zu beißen.
Ganz diesem Trend folgend, erzählt "Dracula Untold" nun also die Geschichte des Vlad Tepes, des berüchtigten Pfählers, jener historisch belegten Figur, auf der Bram Stokers Vampirmythos aufbaut. Zumindest dreht sich der Film gefühlte zehn Minuten lang um die Legende des Woiwoden, der das Fürstentum der Walachei regierte. Der Rest der glücklicherweise kurzen Laufzeit gehört einem berechnenden Mix aus Superhelden-Action und Gothic-Kitsch, inklusive schrottigen CGI-Effekten, die an die "Underworld"-Filme erinnern.
Universal
Blutleere Reanimationen und fade Aufgüsse
Luke Evans spielt treuherzig den rumänischen Prinzen, der seine Seele dem Teufel verkauft, um sein Land und seine Familie (die ätherische Sarah Gaddin gibt die sanfte Ehefrau des Kriegsherren) gegen die türkischen Armeen zu verteidigen. Sogar in dunklen Momenten lässt Regisseur Gary Shore den zukünftigen Dracula irgendwie sympathisch wirken, von widersprüchlichen Emotionen zerrissen. Auf der Gegenseite, bei den osmanischen Horden, gibt es dafür keine Grauzonen. Allerdings einen Sultan (Dominic Cooper), der wie ein türkischer Gangsterrapper aussieht.
Es scheint, dass sich die klassischen Kinomonster der 30er Jahre nicht so einfach reanimieren lassen. Der unselige "I, Frankenstein" unlängst wurde meinerseits erfolgreich verdrängt, aber auch die Firma Universal hatte kein glückliches Händchen punkto des eigenen Erbes, wenn man an den muffig-faden „Wolfman“-Aufguß mit Benicio del Toro denkt.
Nach dem wahrlich unerträglichen "Van Helsing" Spektakel ist "Dracula Untold" nun nur unbedeutend besser geraten. Gerade angesichts der spannenden Vampir-Neudeutungen der letzten Jahre, inklusive melancholischen Meisterwerken wie "Let The Right One In" oder "Only Lovers Left Alive", braucht diesen noch dazu blutleeren Blockbuster vom Hollywood-Reißbrett niemand.
Nicht so schlimm natürlich, da es im Archiv ja weiterhin die unkaputtbaren Dracula-Darstellungen von Bela Lugosi, Christopher Lee bis Klaus Kinski und Gary Oldman zur ständigen Sichtung gibt. Nur um die wahre Story des Vlad Tepes ist es schade, man wünscht sich einen Werner Herzog oder Paul Thomas Anderson, der dem Pfähler ins erschütternde historische Terrain folgt.
Universal
Archaische Rachegeschichte vor mythischer Kulisse
Schon ungleich gelungener präsentiert sich ein neuer Blickwinkel auf das Western-Genre, der ausgerechnet aus Dänemark kommt. Das soll natürlich im Grunde nicht verwundern, nicht nur weil auch der österreichische Ritt in "Das Finstere Tal" heuer zu faszinieren wusste. Sondern weil die für mich zentralsten Kuhbuben-Abenteuer alle ohnehin aus Europa stammen, genauer gesagt Italien, mit Spanien als Drehort.
Trotzdem ist seit der sagenhaften Spaghettiwestern-Ära der 60er und 70er Jahre verdammt viel Zeit vergangen. Genau an die Meilensteine der drei Sergios - Leone, Corbucci und Sollima – küpft Kristian Levring aber mit "The Salvation – Spur der Vergeltung" an.
Der dänische Regisseur, der einst mit Lars von Trier zu den Begründern der Dogma-Gruppe zählte, huldigt nun genau jenen gewalttätigen Genrefabeln im Breitwandformat, die er damals unter das Verbotsgesetz stellte. Levring, der sich seinen Aussagen zufolge einen Kindheitstraum erfüllte, wagt sich mitten ins Zentrum der Mythen, sein Film prahlt mit der Kulisse des berühmten Monument Valley, auch wenn in Wahrheit in Südafrika gedreht wurde.
Passend zum Setting läuft auf der Leinwand eine archaische Rachegeschichte ab, wie man sie aus unzähligen Italowestern kennt. Kaum hat der tüchtige dänische Auswanderer Jon Frau und Sohn vom Provinz-Bahnhof abgeholt, sterben die beiden schon durch die Kugeln kaltblütiger Outlaws. Dass der Exsoldat mit den Killern sofort kurzen Prozess macht, löst eine Kette von Blutbädern aus. Denn einer der Hingerichteten war der Bruder des diabolischen Oberbösewichts, der über das kleines Städtchen regiert.
Constantin
Dänen auf den Spuren amerikanischer Italiener
Bis zu dem Punkt, wo sich die Hauptfiguren ein Duell auf Leben und Tod liefern, lässt "The Salvation" nichts aus. Neben den Gegenspielern Mads Mikkelsen (der stoische Gute mit den zugekniffenen Augen) und Jeffrey Dean Morgan (der gewissenlose bärtige Verbrecher) tummelt sich einschlägiges Personal, man kennt die feigen Sheriffs, rückgratlosen Bürgermeister und geheimnisvollen Frauen (personifiziert von der umwerfenden Eva Green) aus einschlägigen Wild-West-Vorlagen.
Kristian Levring mag aber zwar aufgekratzt mit Referenzen um sich werfen, bis hin zum Soundtrack à la Ennio Morricone, zitiert jedoch nicht zu Tode (man denke abschreckend kurz an die erstarrten Noir-Stereotypen im aktuellen "Sin City 2: A Dame To Kill For"). Auf jegliche Ironie verzichtet der Regisseur ohnehin.
Abgesehen von einigen zu gelackten Kameraeinstellungen und manchen sichtbaren Landschaftsverschönerungen mittels CGI gelingt ihm eine einnehmende Gratwanderung zwischen Hommage und Update. Das gewohnt eindringliche Gesicht des großartigen Mads Mikkelsen hämmert einem nämlich ein, was man ohnehin weiß: Es waren europäische Emigranten, die im amerikanischen Westen ums Überleben kämpften. "The Salvation" ist in diesem Sinn auch ein urtypisch dänischer Film.
Constantin