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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

10. 10. 2014 - 14:56

Assoziationsketten statt Flashbackdramaturgie

Das James Brown-Biopic "Get On Up" will ganz anders sein. Das gelingt. Teilweise.

Ein Mann im rot glänzenden Anzug am Weg ins Schweinwerferlicht. So beginnt "Get On Up" und so wird man James Brown in diesem Film noch öfters sehen: von hinten gefilmt, allein auf seinem Weg. Man wird sich zwar nicht unbedingt an diese Szenen erinnern, aber die egozentrische Einsamkeit des "Mister Dynamite" und "Hardest Working Man in Showbusiness" ist, was Regisseur Tate Taylor am nachdrücklichsten betonen möchte.

ein Mann im roten Anzug von hinten gefilmt

Universal Pictures

Kein Leben passt in einen Film und das Leben des Mannes, der (um noch einen Beinamen zu bemühen) als "Godfather of Soul" gilt, schon gar nicht. Man muss sich also entscheiden. Tate Taylor, flankiert unter anderem von Mick Jagger als Produzent, hat einige geistreiche Entscheidungen getroffen: die Verwendung der Originalstimme von James Brown in den vielen, langen, packenden Konzertszenen zum Beispiel. Genauso die eklektischen Bewegungsabläufe von James Brown nicht zu imitieren, sondern stattdessen eigene Choreographien zu entwickeln. Hauptdarsteller Chadwick Boseman hat gemeinsam mit Mick Jagger an seiner Version James-Brown-artiger Bühnenpräsenz gefeilt. Dass seine Schwester ihm ein ungläubiges "But you can't dance" entgegengeworfen hat, als er ihr sagte, dass er James Brown spielen würde, davon ist im Film nichts zu sehen. Chadwick Boseman springt in den Spagat und zurück auf beide Füße, als wäre er am Broadway geboren. Lange Rede kurzer Sinn: die Konzertszenen gehören zum Besten in diesem Film.

Konzertszene aus Get on up

Universal Pictures

Filmschnittberatung mit Siegmund Freud

Von der Eröffnungsszene des einsam auf die Bühne schreitenden alternden Mannes springt "Get On Up" ins Jahr 1988, zu einem James Brown im grünen Jogginganzug, der in einem Seminarraum Gewehrsalven durch die Decke feuert, weil eine Seminarteilnehmerin seine Toilette benutzt hatte. Sodann ins Jahr 1968. Da kracht's auch gewaltig, als James Brown mit seiner Band in einem brennenden Flugzeug über den vietnamesischen Busch fliegt, sich kurz über den Krieg wundert, um dann den Kampfgenossen in einem Hangar musikalisch einzuheizen. Zurück in Amerika begrüßt er am Rand einer Bühne schnell die dämlich dreinschauenden Beatles ("Welcome to America") und dann ist er ein Kind im Wald von South Carolina. Hier lebt er mit seiner überforderten Mutter und dem notorisch gewaltbereiten Vater in einer Holzhütte. Bald zerbricht die Familie und James geht allein und entschlossenen Schrittes in Richtung Kirche zu einer Gospelmesse.

Die Form dieser die Zeit zerhackenden Montage ist der Versuch, den Menschen hinter der Figur mit den vielen Beinamen zu entdecken. Woran Biopics wie "Ray" oder "Pollock" mit sepiafarbenen Flashbacks beziehungsweise allzu nachdrücklicher Manie in der Charakterzeichnung gescheitert sind, das gelingt "Get On Up" teilweise: zu vermitteln, dass ein Mensch zwar in der Chronologie der Zeit lebt, die einzelne und momentane Existenz aber aus chaotisch zusammengewürfelten Erlebnissen besteht. Diese Art der psychoanalytischen Montage hat den angenehmen Nebeneffekt, dass der Film nicht langweilig wird (eine der größten Gefahren von Biopics).

Chadwick Boseman als James Brown

Universal Pictures

Teilweise wird das Ursache-Wirkung-Prinzip (Ziehmutter sagt dem Kind, sein Name wird Geschichte machen, woraufhin der junge Mann die Bühne erobert) allerdings holzschnittartig angewandt. Und die größte therapeutische Aufgabe wird überhaupt vermieden: dass der große Womanizer (davon erfährt man reichlich, sieht aber wenig) auch ein großer Verdrescher war, wird nur in einer Szene (in der man James Brown nicht sieht, sondern nur eine seiner Frauen von rechts ins Bild geworfen wird) angedeutet. Diesen Lebensaspekt haben die DrehbuchautorInnen offenbar verdrängt.