Erstellt am: 9. 10. 2014 - 17:55 Uhr
Der Mann mit der hölzernen Maske
Mir persönlich bekannte Figuren haben mokiert, dass Produzenten wie Aaron Jerome aka SBTRKT die DNA von Dubstep in eine Popkleid hüllen und ein Wildfire entzündeten an dem sich Mami, Großtante, die ganze Belegschaft der Espressokette entzückt. Ein Feuer, das zwar knistert, aber nie heißer wird als wohlige 36 Grad. Und man kann sicher gut dazu schmusen. Ich freue mich über jede Art von Besessenheit, auch über die außerhalb der akuten Gefahrenzone.
"Wonder Where We Land" ist das zweite Album des Londoner Produzenten Aaron James aka SBTRKT, auf dem er Soul, Bassmusik und melancholisch düsteren Pop verbindet. Er ist ein weiterer jener Herren, die uns ihr Gesicht nicht zeigen, sondern immer nur mit Maske in der Öffentlichkeit erscheinen. Im Fall von SBTRKT ist es eine afrikanische Holzmaske, damit nicht seine Person zum Thema wird, sondern sich die Menschen auf seine Musik konzentrieren, hat er sich für die Verhüllung entschieden.
Im Interview erzählt er mir, dass die Maske ein weiteres Element seiner Taktik ist, keine Interviews zu geben und nicht über seine Person als Aaron Jerome und dessen Gefühle und Intentionen zu sprechen. Wir sollen zuhören und nicht die soziale Referenzmaschine anwerfen.
sbtrkt
Über die musikalischen Stammbäume und Rhizome spricht SBTRKT gerne. Er sieht seine Geschichte, seine musikalische Entwicklung seit dem ersten DJ Gig im Plastic People, stark in Korrelation zu britischer Clubmusik, von Jungle über UK Garage hin zu Dubstep.
Obwohl man SBTRKTs Musik nicht mehr mit dem in Verbindung bringen würde was heute unter Dubstep läuft, brachiales Wobbeln und Drop, Something for the Ravers. Damit hat SBTRKT nichts zu tun.
Das was vor über zehn Jahren in London entstanden ist und von Artists wie Kode9 und seinem Partner Spaceape (R.I.P.) oder Digital Mystikz gespielt wurde hat SBTRKT beeindruckt. Das Gefühl für Raum in diesen Produktionen hat den Mann mit der Maske geprägt.
sbtrkt
SBTRKT hat sowohl ein Gefühl für die Düsterheit, die Londoner Dubstep vor zehn Jahren aus dem Underground heraufbeschwor, als auch für Charts-taugliche Schmeicheleien. Seine Musik ist voll, wirft Schlaglichter auf viele Musiksubkulturen und holt die Besonderheit ihres Sounds in einen Popkontext. Sie funktioniert an vielen Orten und auf vielen Ebenen und das ist ein schöner Widerspruch zu dem Namen SBTRKT, der Reduktion, Abzug bedeutet. Darauf angesprochen lacht SBTRKT allerdigns und meint, dass sich die Reduktion nur auf seine Person, Aaron Jerome bezieht.
Vielleicht gibt es deshalb auf dem Album des Produzenten soviel Raum für Stimmen. Der Soul -Sänger und Musiker Sampha, den wir vom ersten SBTRKT Album kennen, dessen Stimme den Sound von SBTRKT definiert, ist diesmal auf vier Songs zu hören. Keiner kann so wie Sampha Schönheit und Sehnsucht verbinden.
Betanik Funk und Coolness von Vampire Weekend Sänger Ezra Koenig gibt es auf New Drop New York. Die Nummer sticht wegen der von ihr erzeugten Spannung aus dem Album heraus.
Melancholisch und klar ist die Stimme von Caroline Polackek von Chairlift auf der Nummer Look Away. Das unheimliche interaktive Video, das von eurer Webcam Besitz ergreift und euch so eine Erfahrung irgendwo zwischen Poltergeist und Alice hinter den Spiegeln beschert, ist eine dringende Empfehlung.
Die Zusammenarbeit von A$AP Ferg, Warpaint und SBTRKT heißt Voices in My Head und könnte auch im Hausstudio von Arkham Asylum entstanden
sein. Wo die an der urbanen Kälte und an altmodischer Angst gescheiterten und zu verrückten Bösewichten mutierten Bewohnerinnen von Gotham City landen.
Irgendwo in der Dunkelheit steht eine Gestalt mit einer afrikanischen Maske.