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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

8. 10. 2014 - 10:52

In Schönheit sterben

Der kalifornische Producer Flying Lotus nähert sich auf "You're Dead" dem schweren Thema Tod an - mit viel Jazz, etwas Elektronik und Gästen von Kendrick Lamar bis Herbie Hancock.

Warp

Der Themenkreis, den sich Steven Ellison alias Flying Lotus (nach Weltraum und Traumwelt) für seine neue Platte ausgesucht hat, bewegt die Menschheit seit Jahrtausenden: der Tod.

In den letzten Jahren hat Ellison nahe Familienmitglieder ebenso verloren wie seinen übertalentierten jungen Pianistenfreund Austin Peralta. Das hat viele Fragen aufgeworfen, zum Beispiel die nach dem Warum? und Warum nicht ich? Solch schwere existenzielle Brocken, an denen sich bislang auch die meisten Weltreligionen die Zähne ausgebissen haben, kann und will auch Flying Lotus auf You’re Dead nicht beantworten. Vielmehr versucht er, sich musikalisch dem anzunähern, was die Seele nach dem Moment des körperlichen Endes so durchmacht.

Flying Lotus‘ Mutmaßungen darüber, wie sich der Tod anfühlt und wie er klingen könnte, fußen einerseits auf Augenzeugenberichten aus der einschlägigen Literatur und andererseits auf Nahtoderfahrungen, die er und seine Freunde mithilfe der psychedelischen Droge DMT alias Ayahuasca gemacht haben. Tod und Psychedelik, davon ist Steven Ellison überzeugt, können sich mitunter sehr ähnlich anfühlen...

Als der Albumtitel zuerst aufkam, war er übrigens noch nicht mit der Schwere aufgeladen, die You’re Dead jetzt auch prägt. Eigentlich wollten Thundercat und Flying Lotus im Mixtape-Stil dreißig klassische Jazz-Grooves je eine Minute lang spielen und dann wechseln - und den Hörern damit metaphorisch den Kopf wegblasen. Im Laufe des Prozesses kam Lotus die Idee, die Platte mit dem Moment des Todes beginnen zu lassen.

Flying Lotus

Auf der irrlichternden Reise einer Seele begleiten Ellison neben seinem engen Freund Thundercat jetzt auch unterschiedliche Charaktere wie der legendäre Keyboarder Herbie Hancock, der nur zu gut zur dominanten Jazz-Klangfarbe des Albums passt, oder auch Snoop Dogg, der in der düsteren Videospiel-Hommage Dead Man’s Tetris eine Art Pförtner am Himmelstor gibt – insoferne passend, weil Flying Lotus zu Protokoll gibt, wegen Doggystyle mit dem Musikmachen angefangen zu haben.

Obwohl die Platte sonst – wie bei Flying Lotus üblich – eher als ein ineinanderfließendes Ganzes wirkt, und grade wegen ihrer Unberechenbarkeit zwischen jazzigen Ausbrüchen und elektronischen Beats lange interessant bleibt, sticht ein Song dann doch besonders hervor: Never Catch Me, die programmatische Ansage von Kendrick Lamar in Richtung Gevatter Tod, vorgetragen über höchst tanzbare Juke-Rhythmen und eine eingängige Klaviermelodie, die sich in ihrem Verlauf aber auch einem Improv-Freakout hingeben. Das wundervolle Video illustriert eigentlich die Anmutung des ganze Albums recht treffend.

Wie Steven Ellison nicht müde wird zu betonen, wäre You're Dead ohne seinen Homie Thundercat nie so entstanden. Dem sehr kollaborativen Prozess, an dem auch Ex-Freundin Nikki Randa und viele andere (FKA Twigs, Earl Sweatshirt oder Chance The Rapper waren zeitweise ebenfalls im Studio dabei) beteiligt waren, entspringt auch der starke Jazz-Vibe der Platte und die organische Anmutung. Die elektronischen Beats, mit denen man FlyLo lange verbunden hat, rücken weiter in den Hintergrund. Manchen ist das vielleicht schon eine Spur zu weird, aber damit wird Steven Ellison mit Sicherheit leben können!