Erstellt am: 4. 10. 2014 - 13:01 Uhr
Einheitswochenende
Der 3.Oktober, der ungeliebte deutsche Nationalfeiertag, geht ja auf einen Verwaltungsakt, eine schnöde Vertragsunterzeichnung im Jahr 1990 zurück und viele Bundesbürger hätten lieber das emotionaler besetzte Datum des Mauerfalls am 9. November als Nationalfeiertag gehabt. Der 9. November hätte allerdings auch auf die Pogromnacht am 9.November 1938 verwiesen und ein so ambivalenter Gedenktag wäre dann wohl zuviel gewesen.
Und so lag schon am Mittwoch das lange Wochenende wie ein Brocken vor der Tür. Wenn Freitag Feiertag ist, dann ist Donnerstag schon Wochenende, Freitag dann tagsüber alles zu und abends Ausgehpflicht und dann kommt erst noch der Samstag mit anhängendem Sonntag. "Wohin, wohin mit mir?" fragt sich der Mensch, bevor er sich in der jahrzehntelang eingeübten Sonntagsroutine (Lindenstraße, Weltspiegel, Tagesschau, Tatort) vom anstrengenden Wochenende erholen kann.
Kim Keibel/jens-friebe.de
Wie so oft in Berlin, passierten auch letzte Woche alle interessanten Dinge an einem einzigen Tag. Schweren Herzens muss man sich dann für ein Amüsement entscheiden:
Jens Friebe stellte in einer kleine Bar namens "Ernst" im kleinen Kreis sein neues Album "Nackte Angst zieh dich an, wir gehen aus" vor und wollte, wie früher die Stars bei Dieter Thomas Heck in der ZDF-Hitparade, halbplayback zur Platte singen.
http://haffmans-tolkemitt.de
Aber gleichzeitig las der berühmte Newsletter-Literat Gereon Klug in einer anderen Kreuzberger Bar aus seinem just erschienenen Erstlingswerk "Low Fidelity". In selbigem werden die allgemein als lustigsten Newsletter der Welt bekannten Werbebriefe der Versandfirma "Hanseplatte" in gebündelter Form unter dem Titel "Low Fidelity - Hans E. Plattes Briefe gegen den Mainstream" veröffentlicht.
Dann lief noch im Rahmen der russischen Filmwoche "90 Jahre Mosfilm" im Kino Babylon der Film "Einige Tage aus dem Leben Ilja Oblomows / Neskol'ko dnej iz zhizni Oblomova." Also eine Literaturverfilmung des berühmten Romans "Oblomow" von Gontscharow, dessen Titelfigur "Oblomow" wohl die interessanteste und sympathischste Romanfigur der europäischen Literaturgeschichte ist. Wohl auch, weil er sich viele hundert Romanseiten lang weigert, sein Bett zu verlassen. Diesen Film sieht man auch in Berlin selten im Kino und nur einige Schritte weiter in der Volksbühne ging es zur gleichen Zeit auch recht russisch zu: Unter dem Titel "Verfluchte Eier, verfluchte Romane" lud man zum großen Bulgakow-Abend: Berliner Autoren lesen Bulgakow und die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot macht Musik.
Da musste abgewogen werden. Jens Friebes Halbplaybackshow war Ehren- und Herzenssache, die Newsletterlesung bestimmt sehr lehrreich - vielleicht zuerst zur Lesung, dann zum Friebe hetzen und die russische Literatur sausen lassen?
Aber Ach, es endete wie so oft: Am Tag zuvor hatte Ja, Panik im S0 36 gespielt. Man kam schon kränkelnd, leicht vergrippt hin, wollte nicht lange bleiben, traf dann doch viele Bekannte, wandte das probate Hausmittel "Wodka gegen Halsentzündung" an, rauchte ein bisschen dazu und seltsamerweise hatte sich der Allgemeinzustand tags darauf durch die Wodka-Zigaretten-Kur überhaupt nicht verbessert, eher verschlechtert. Kurzum - der Freitag ein Krankentag. Jens Friebe verpasst, Lesung verpasst, Oblomow und Bulgakow, alles verpasst.
Und jetzt an das leere Einheitswochenende. Natürlich ist in Berlin immer irgendwas: das Einheitsfest mit Bratwurst am Brandenburger Tor, die Trans*Gala Wigstöckel im So 36, die üblichen hundert Konzerte und Tanzvergnügungen, aber nichts, was einen so direkt einlädt. Vielleicht zu Nina Hagen? Aber die Sängerin befindet ich zur Zeit aber in einer auch für langjährige Bewunderinnen schwierigen Jesus- Phase… Wir werden weiter berichten.