Erstellt am: 3. 10. 2014 - 20:54 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 03-10-14
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Außerdem: Radio in Österreich ist 90 Jahre und das Flex wohl nicht pleite.
Gibt es Richtiges im Falschen? Alltag mit der FPÖ
#machtpolitik #demokratiepolitik
Gestern hat nach Wirtschaft und Gewerkschaft auch die FPÖ ihre Vorschläge zur Steuerreform präsentiert. Die Eckdaten: Anhebung der Steuerfreigrenze, fünf statt drei Stufen, 55 Prozent Steuerhöchstsatz oder Familiensplitting. Soll heißen: Entlastung für die Wenigverdiener, Mehrbelastung für die Besserverdiener, mehr Rücksicht auf Gesamt-Familien-Einkommen.
Zur Finanzierung haben sich die freiheitlichen Experten nichts überlegt: die Reform würde sich durch die Ankurbelung der Wirtschaft selber tragen, außerdem könne man ja anderswo (Verwaltung, Subventionen) sparen. Genau dort setzt (sicherlich auch zurecht) die Häme der politischen Gegner und der spöttische Unterton der Berichterstattung an.
Entscheidend aber ist eigentlich anderes: dass die FPÖ mit diesem Vorschlag die SP links überholt; dass immer dann, wenn die rechtspopulistische 25-Prozent-Partei ohne Krawall auftritt und sich niemand inhaltlich damit auseinandersetzt, die Modelle analysiert. Weshalb die Parteispitzen immer dann, wenn es um Sachpolitik geht, eilig auf (inhaltlich) unbeeinspruchte Programme verweisen (die womöglich sogar sozialromantisch sind) um sich danach - ohne große mediale Gegenwehr durch das Mittel der kritischen Nachfrage - wieder den Radau/Krawall-Themen widmen zu können.
Für die Öffentlichkeit bleibt genau das Gegenteil übrig: dass die FPÖ eh g'scheite Sachen vorschlägt, aber medial damit nicht durchdringt und nur im Radau-Fall vorkommt. Und so leisten Gesellschaft, Medien und Politik (durch den schlichten Akt der Nicht-Beschäftigung) dem Populismus Vorschub.
Die Ausgangsfrage ob es Richtiges im Falschen geben kann, ist natürlich reine Polemik. Wenn die rechtsrechte Schweizer Weltwoche dem Wiener Nicht-Bildungsexperten und Bildungsexperten-Basher Konrad Paul Liessmann große Bewunderungsräume aufstellt, bedeutet das nicht automatisch, dass der Wiener Vordenker jetzt zur Gallionsfigur einer schollenkonservativen Bunker-Bewegung wird.
Applaus, Interesse, vielleicht sogar Nachfragen und vor allem Beschäftigung mit Thesen, Ideen und Konzepten anderer darf in fast allen Fällen auch lagerübergreifend daherkommen. Mehr noch: es darf kein dürfen bleiben, es muss ein müssen werden. Beschäftigung mit anderen Positionen, auch jenen von Gegnern und Minderheiten, das ist das Wesen von Demokratie.
Geht politischer Subtext im Pop gar nicht mehr?
#newwave
Heute hat ein Filmteam bei mir vorbeigeschaut, das einen Blick zurück in die (damals tatsächlich existente und auch bedeutende) Musikszene in Niederösterreichs Süd-Metropole Wiener Neustadt in der Punk/New Wave-Ära unternimmt. Auch um die allerbeste Band von "früher", die keiner kennt zu würdigen.
Und das Gespräch kam dann irgendwann auf den gesellschaftspolitischen Kontext jener Zeit. Dass nämlich durch die in den Siebzigern passierte Öffnung Österreichs zur Welt, die Verwendung von Farbe anstelle eines dominanten Grau und das Anfang der Achtziger beginnende Abtauen einer kulturellen Eiszeit auch die populäre Kunst, auch die Popmusik im Zentrum von Umbrüchen stand. Und sich das auch auf an sich völlig unpolitische Musikanten und deren Schaffen auswirkte, auswirken musste.
Und wie schwer es diesbezüglich heute ist. Wie kaum sagbar politische oder gesellschaftliche Umstände in aktueller Popmusik sind. Nicht nur im sowieso recht sprachlosen Elektronik-Bereich, sondern in allen (auch sprachlichen) Avantgarde-Bereichen, auch im Faker-Universum des ur-authentischen HipHop und selbst bei jenen, die sich per Dialekt-Pop, also der zeitgenössischen Fortführung des an sich obrigkeitsbashenden sarkastischen Volkslieds, mitteilen. Mit ganz ganz wenigen Ausnahmen.
Es gibt kaum originelle Beobachtungen und Zustandsbeschreibungen, die über Herr-Strudl-Niveau hinausgehen; und es schwingt auch wenig mit an Gefühligkeit in Umbruchszeiten wie diesen zu leben, wo Kulturtechniken konvergieren und politische Systeme erodieren. Im Gegensatz zu einer Zeit, in der die gesamtgesellschaftliche Entwicklung ganz direkt sowohl Sound als auch Sprache der damals relevanten Popmusik diktiert hat.
Nicht dass ich ein Rezept hätte, wie man's bewerkstelligen könnte oder auch nur genau wüsste, warum Pop 2014 so weit weg ist von akuten Lebensrealitäten. Schad' finden darf, nein, muss ich es trotzdem.
Liefern Satiriker Journalismus und Journalisten Satire?
#medienkritik
Über das Ballyhoo, das die ZDF-Satire-Sendung Die Anstalt auch wieder mit seinem letzten Programm in die deutsche Medienszene gebracht hat, hab ich schon vorigen Freitag hier geschrieben. Als wieder einmal das Kabarett den besseren Journalismus geliefert hat.
Mittlerweile liefern die Hauptbetroffenen (und das sind die sonst Korrekten und Guten wie die ARD oder Die Zeit) zum Ausgleich das Kabarett bzw. ringen sich nur mit großer Mühe dazu durch die kriegsbesoffene Rhetorik, die die deutsche Mainstream-Medien-Landschaft seit Beginn der Ukraine-Krise an den Tag legt, wenigstens ansatzweise zu relativieren.
Hier, im Interview gehen die Anstaltsleiter Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner mit der Komplexität der ganzen Situation durchaus konstruktiv zu Werke. Zentraler Satz: "Teile der großen Medien scheinen geradezu in einer eigenen Sinnwelt zu agieren, die sich zu derjenigen der Rezipienten durch grundverschiedene Wahrnehmungsraster kennzeichnet. Diese Grundkonstellation bietet reichlich Platz für Satire."
In der Einleitung vergleicht Telepolis den Streit Anstalt/Mainstream-Media mit dem zehn Jahre alten, legendären Konflikt zwischen Jon Stewart (und dessen Daily Show) und CNNs klassischen Fluch-oder-Segen-Format Crossfire. Auch da ging es darum, dass die Satire die besseren Nachrichten produzierte, während Crossfire, um es mit Stewart zu sagen, "You have a responsibility to the public discourse, and you fail miserably".
Der entscheidende Unterschied zwischen den Beispielen ist allerdings die Konsequenz: CNN stellte Crossfire nämlich kurze Zeit später ein.