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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

19. 10. 2014 - 09:51

Comfort Food mit Dämonensauce

"King's Bounty: The Dark Side" ist ein fast zu zeitloser Klassiker mit Wohlfühlgarantie.

Cover

Katauri Interactive

Manche Wörter und Konzepte schaffen es nicht über die Sprachgrenzen: "Comfort Food" zum Beispiel. So bezeichnet man traditionelle Speisen, die beim Essen die wohligen Gefühle Nostalgie und Sentimentalität auslösen und so etwa gegessen werden, um Stress oder negative Emotionen abzubauen. Der Wikipedia-Artikel zum Thema listet internationale Beispiele dafür auf; hierzulande könnte man vielleicht bodenständige simple Spezialitäten wie Holzhackernockerl oder Kaiserschmarrn erwähnen.

"King's Bounty: The Dark Side", der soeben veröffentlichte neue Teil der in der einen oder anderen Form seit fast einem Vierteljahrhundert existenten rundenbasierten Fantasy-Strategieserie, ist sozusagen digitales Comfort Food - und das ist durchaus als hohes Lob zu verstehen. Seit 2008 bereitet das russische Studio Katauri Interactive die Neuinterpretation der klassischen Rezeptur zu, und die ist inzwischen selbst ein Klassiker geworden, die höchstens minimal variiert werden braucht. Nach "The Legend", "Armored Princess" und "Crossworlds" folgt nun mit "The Dark Side" schon die vierte Portion Nachschub.

Das Leben der anderen

Diesmal - der Titel verrät's - mit leicht unterschiedlichen Gemüsen als Dekoration: War man bislang stets als augenzwinkernd generischer Held im Auftrag des Guten unterwegs, zieht man nun als einer von drei bösen, aber dennoch sympathischen Feldherren gegen die Mächte des Lichts zu Felde. Als Vampir, Ork oder Dämonin - die Charakterauswahl ist eine Neuerung - erforschen wir die serienbekannt liebevoll gestaltete Welt, sammeln Aufträge, Gegenstände und Armeen und kämpfen bei den vielen, vielen Begegnungen mit Feinden klassisch rundenbasiert auf Hexfeldern.

Über 100 Quests, eine schier unüberblickbare Auswahl an zum Teil radikal unterschiedlichen Kreaturen als Feinde oder Verbündete, unzählige Gegenstände und Zauber, eine Vielzahl von Upgrade- und Levelling-Möglichkeiten sowie die gewohnte, für Einsteiger überraschende Spieltiefe machen auch "The Dark Side" wieder zum Zeitfresser für Freunde der Vorgänger. Und auch für Neueinsteiger: Es gibt kaum eine Rundenstrategieserie, die man derart bedenkenlos Anfängern, aber auch Fortgeschrittenen jeden Alters ans Herz legen kann.

Katauri Interactive

All you can eat

Es wäre absolut verfehlt, "The Dark Side" mangelnde Innovation oder Stillstand vorzuwerfen, denn die warme Wiedersehensumarmung nach den vielen, vielen Stunden der Beschäftigung mit der Serie fällt auch diesmal herzlich und überzeugend aus. Wer braucht schon eine neue Engine, wer braucht eine Änderung am Liebgewonnenen und, mal ehrlich, wer braucht von Spiel zu Spiel auch nur neue Ladebildschirme? Katauri Interactive verlässt sich völlig zu Recht auf das, was die "King's Bounty"-Serie zu einem modernen Klassiker gemacht hat: Liebe zum Detail, augenzwinkernder Humor, solides Gameplay und vor allem schieres Übermaß an Inhalt. "The Dark Side" ist gewohnt riesig geworden, und dank dreier Hauptfiguren ist auch Wiederspielwert gegeben.

"King's Bounty: The Dark Side" ist für Windows erschienen.

Nostalgie, Sentimentalität, Wohlfühlfaktor - in einer Branche, die regelmäßig mit Superlativen und Hypes nur so umherwirft, mag diese Charakterisierung nach wenig klingen. Tatsächlich übersetzt sie sich aber in jenes höchste Lob, das aus tiefer Sympathie, aus dem Herzen kommt - wie die Liebe zu jenem Essen, das uns an die glücklichen Tage unserer Kindheit erinnert, an denen unsere Mütter uns die Lieblingsspreise gekocht haben. "King's Bounty" ist Comfort Food - und das ist kein kleines Kompliment. Da bist du wieder, genau so, wie ich dich in guter Erinnerung habe. Ich habe dich vermisst.

Never change.