Erstellt am: 6. 10. 2014 - 14:30 Uhr
Kampagne für Liebe und Akzeptanz
In einem Popsong davon zu singen, dass man gerne mit der eigenen Cousine schlafen würde, darf man das denn überhaupt?
Oder davon, das geliebte treue Haustier "Rico" einschläfern und der eigenen Mutter den Schädel einschlagen zu lassen, nur damit man schneller und bequemer in den Himmel fahren kann?
Die Wiener Band Wanda darf das. Und sie kann es auch, ohne auf ihrem Debüt "Amore" überkandidelt oder gar peinlich zu wirken. Wanda dürfen sogar vom "Schnapssaufen" singen, von Elfriede Jelinek und von Bologna, von Downtown Kairo und stehengelassenen Weinflaschen. Und das alles in charmantem Wiener Slang, gemischt mit rotzig frechem Unterton und rockig-räudiger Pop-Attitüde. Noch Fragen?

Flo Senekowitsch
Woher Wanda kommen…
Wanda live in Österreich:
- 17.10. CD Präsentation, Chelsea Wien, AUSVERKAUFT!
- 07.12. Felx Wien / mit Nino aus Wien
- 14.11. Red Box, Mödling / mit Garish
- 15.11. Zooming Culture, Oberwart
- 19.11. ARGE, Salzburg
Wenn eine Band so mir nichts dir nichts aus dem selbigen auftaucht, dann würde man schon gerne wissen, woher die fünf Musiker kommen. Geographisch so zwischen 2. und 22. Wiener Gemeindebezirk wahrscheinlich. Musikalisch wird die Sache da schon schwieriger. Sänger Marco erwähnt als musische Sozialisation gerne den "Best Of Rock" Sampler, den er in den 1990er Jahren auf und abgehört hat. David Bowie, Joe Cocker und Tina Turner, das alles sei auch heute noch super. Bei Keyboarder Christian sieht die Sache anders aus: Mit klassischer Musik als Kind beglückt eröffnet ihm ein Bravo-Sampler die Welt zum Pop.
Weil wir gerade bei klassischer Musik sind, die neue Single "Bologna" hat Marco bei einer ihrer Zusammenkünfte geschrieben, wo Lieblingsvinyls auf den Plattentellern rotieren. Bei "Bologna" sollen es Nirvana und die erste Symphonie von Brahms gewesen sein. So klingt auch der Wanda-Song. Episch und kaputt, verzwickt und verdreht, herrlich skurril und wunderschön harmonisch. Wobei es sich Marco auch hier nicht nehmen lässt, beim Refrain seine Stimmbänder derart zu strapazieren, dass das rauchige, kratzige Timbre fast ins Schreiende zu kippen scheint. Das alles passt hervorragend zum kecken Thema mit der Cousine und ist gleichzeitig auch noch eine Hymne an die italienische Metropole, in der Marco tatsächlich Verwandte hat.
Locker flockig und eher dem schlagerhaften Pop annähernd, treiben es Marco und seine Kumpanen im Video zu "Schick mir die Post" im Wiener Spital ganz schön rund. Auch wenn textlich an Totschlag und Einschläfern gedacht wird, mildert die Selbstironie und das Liebäugeln mit dem Himmel, in den man trotzdem kommen will, die etwas derbe Seite des Songs. Und schlussendlich wollen wir ja alle nur mit unseren Liebsten feiern bis zum Ende. Da ist es dann auch egal, wenn nix mit dem Haus am Land wird...
… und wohin Wanda gehen.
Das Album "Amore" ist natürlich weit mehr als nur eine Sammlung von Liebesliedern. Hinter dem Titel stecken nicht nur italophile Kindheits- und Jugenderinnerungen an den Abend am Meer. Marco bekräftigt, es gehe mehr um eine Kampagne für Liebe und Akzeptanz, ganz im Sinne von John Lennon und Yoko Ono. Das mit dem Musikmachen und Rockstarsein, das sei ja eh nur ein Schmäh. Vielmehr sind Wanda Aktionisten für ein liebe- und respektvolles Zusammenleben, wenn man das so ausdrücken mag. Aber nicht, dass sich Marco Wanda und seine Band hier ausschließlich die rosaroten Brillen aufsetzen würden. Es darf auch über die Pein von Liebesbeziehungen philosophiert werden, auch wenn es bedeutet, dass die gemeinsamen Wege dann doch auseinandergehen. Und das kann ganz schön schwer sein. Da hilft manchmal nur mehr, ein ganzen Aufzug voller Rotwein leer zu trinken. Und sich eben auch diese Popballade immer und immer wieder reinzuziehen.
Wer meint, "Auseinandergehen ist schwer" surfe hier auf einer österreichischen Popschlagerwelle, der liegt nicht ganz verkehrt. Sind doch Ambros und Falco "sehr interessante Menschen", wie Marco es ausdrückt. Mit der funkig heißen Hymne "Kairo Downtown" oder dem unterkühlt lässigen Hit "Easy Baby" hätte auch Johann Hölzl seinen großen Spaß gehabt. Jedoch sollte man - ganz im Sinne der Wanda-schen Kampagne für Liebe und Akzeptanz - solche Vergleiche mit einstigen Sternen am österreichischen Pophimmel lieber unterlassen, gibt es dem charismatischen Sänger des Wiener Quintetts doch immer einen kleinen Stich in der Brust, wenn die Namen der üblichen Referenzverdächtigen fallen.

Wanda/Problembär Records
Wenn auf eine Persönlichkeit Bezug genommen wird, dann machen das Wanda höchst persönlich, wie im Stück "Jelinek", das nicht nur Bewusstsein für die heimische Literatur signalisiert, sondern - wie kann es anders sein - ein verkappter Liebesbeweis ist. Etwas verwirrend ist allerdings Marcos Wunsch im Song, sich ein enges Kostüm anzuziehen, und was die Bücher von Elfriede betrifft sei er emotional sowieso noch nicht reif genug dafür. Obwohl "rattenscharf" sei sie ja, die Literatur der österreichischen Schriftstellerin, würden sich nicht so viele ihrer ProtagonisInnen vor die U-Bahn werfen, wie Marco meint.
Am liebsten würde ich jetzt auch ein lautes, kehliges "Aaaamore!" in die Welt hinausschreien, so sehr habe ich diese Band und ihre Songs liebgewonnen. Vielleicht liegt es aber auch daran, die ich sie einfach nicht mehr aus meinem Kopf bekomme. Wanda haben jedenfalls das "sich nix scheißen" mit ihrer Cleverness wieder salonfähig gemacht. Dabei sind die Stücke von "Amore" frisch und knackig, abwechslungsreich und durch und durch witzig, auf vielen verschiedenen Ebenen. Aber das größte Kompliment, das man dieser Platte und der Band machen kann ist, dass ihr herzhaftes, lustvolles Lachen über sich selbst und über den Wahnsinn des Alltags sofort ansteckt.
In diesem Sinne schließt sich auch der Kreis. Denn wenn wir uns alle selbst nicht so ernst und wichtig nehmen, dann haben wir viel mehr Liebe und Akzeptanz für unsere Mitmenschen. Und das wäre ja wiederum das Ziel von "Amore".