Erstellt am: 1. 10. 2014 - 15:01 Uhr
No Problemo!
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharovs. Jeden Mittwoch in FM4 Connected (15-19h) und als Podcast.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es ab sofort im FM4 Shop.
"Grüß Gott! Ich komme im Namen der freiheitlichen Bürgerinitiative für Problembekämpfung" - (oder so ähnlich) - "und wir würden Sie gerne fragen, ob es Ihnen gut geht? Haben Sie Probleme? Zum Beispiel mit Ausländern in ihrem Haus? Bitte teilen Sie uns Ihre Probleme mit und wir helfen Ihnen gerne!"
An meiner Wohnungstür steht eine kleine zierliche Frau mit einem Lächeln wie aus der Zahnpastawerbung. Auf ihrem blauen T-Shirt strahlen mir zwei arische Schönlinge entgegen, sie strahlt mit. Noch nie habe ich so viel positive Energie in diesem dunklen Korridor im 12. Wiener Bezirk gespürt.
CC BY 2.0, flickr.com, User: (vincent desjardins)
Probleme? Ich glaube nicht, dass dieses Mädchen trotz ihres Lächelns meine Identitätsprobleme lösen kann. Und stellt euch bitte vor, dass jemand an die Wohnungstür läutet, und ihr fangt an, über eure problemreiche Kindheit zu erzählen. Nein, nein! Obwohl ich in der Stadt Sigmund Freuds lebe, kommt mir das unpassend vor. Ich denke darüber nach, was für andere Probleme ich vielleicht haben kann. Der Klimawandel kommt nicht in Frage. Ich weiß nicht, was diese Frau und sogar ihre Partei dagegen unternehmen können.
Ohne es zu wollen, kommen mir nur ganz triviale, häusliche Probleme in den Kopf. Die sympathische junge Frau fragt ja nach den Problemen in meinem Zuhause, im gleichen dunklen Gebäude. Wie sage ich ihr jetzt, dass mein Mitbewohner (er ist ein Ausländer, das heißt, dass ihm die Probleme hinterherlaufen) den Müll nicht rausbringen will? Und wie wird sie mir dann weiterhelfen? Wird sie versprechen, dass sie jeden Tag kommt, um den Müll rauszubringen? Oder wird sie mir ein spezielles Deo gegen Müllgeruch in der Küche bringen? Oder wird sie ganz radikal sein und meinen Mitbewohner rausschmeißen? Ich glaube, es ist doch keine gute Idee mich darüber zu beklagen, ich will niemanden rauschmeißen. Wenn mein Mitbewohner weg ist, werde ich meine tägliche Routine im Müllrausschmeißen verlieren, dadurch auch mein tägliches Fitnessprogramm und ich werde dicker. Ich lasse meinen Mitbewohner lieber in Ruhe.
Danach erinnere ich mich, dass über mir jemand systematisch mit einer Bohrmaschine bohrt. Seit einem halben Jahr. Jeden Tag. Seine Wände sehen mittlerweile sicherlich wie Emmentalerkäse aus. Dieser Bohrmaschinenliebhaber bevorzugt es, seinem Hobby in den frühen Morgenstunden nachzugehen. Wenn ich die Bohrmaschine höre, ist es Zeit aufzustehen. Wenn ich sie nicht höre, verschlafe ich, denn mittlerweile stelle ich keinen Wecker mehr. Ich weiß nicht, ob der Bohrmaschinenfreak von oben ein Ausländer ist, aber seine Bohrmaschine ist sicherlich aus Deutschland. Sie funktioniert einwandfrei, schon lange. Ich sage der lieben Frau besser nichts über die Bohrmaschine. Falls sie das Problem löst, bin ich meinen Wecker los.
CC BY-SA 2.0, flickr.com, User: Maik Meid
Ich könnte mich auch über meine liebe M. beklagen. Sie erfüllt alle Voraussetzungen. Sie ist Ausländerin und macht jede Menge Probleme! Zum Beispiel vorgestern entschied sie, dass wir unbedingt Limbo tanzen sollen. Ganz ernsthaft! Sie fand einen Stock und ließ mich nicht in Ruhe, bis ich ein paar Mal auf meinen Rücken gefallen bin. Laut M. ist Limbo-Tanzen gleichzeitig gesund und spaßig. Ihr hat es sicherlich Spaß gemacht, als sie mich beim Limbo-Tanzen beobachtet hat. Ich weiß aber nicht, wie viel Spaß die ältere Dame unter mir hatte, nachdem ich ihr ein paar Mal auf den Kopf gefallen bin. Ich sage lieber nichts über M. Ich habe mir vorgestellt, wie das lächelnde Mädchen bei der Nachbarin von unten läutet und fragt, ob sie Probleme hat. Die Dame von unten schaut mich sowieso immer ganz misstrauisch an, wenn sie mich im Treppenhaus sieht. Ein dunkles, unrasiertes Balkansubjekt, der die ganze Nacht Limbo tanzt. Einer, der sicherlich Probleme macht.
Ich lächele zurück zur Frau an der Wohnungstür. "Dankeschön!", sage ich. "Ich habe überhaupt keine Probleme, bei mir ist alles in Ordnung!"