Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Bartensteins Erbe"

Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

30. 9. 2014 - 16:05

Bartensteins Erbe

Zehn Jahre nach dem sogenannten "Bartenstein-Erlass" finden Asylwerber noch immer kaum Arbeit in Österreich. Warum ist das so?

Gruppen junger Männer stehen ziellos in einer ihnen fremden Landschaft und schauen gelangweilt in die Gegend. Das ist ein Bild in den Köpfen der Mehrheitsbevölkerung, das von Boulevard und Parteipolitik gerne zur Stimmungsmache verwendet wird: Zur "Angst" ist es dann nur mehr ein kleiner Schritt - wie man unlängst wieder bei einer Bürgerversammlung am Semmering sehen konnte.

Die politische Diskussion setzt dann zumeist erst an diesem Punkt an, der Spitze des Eisberges - und verliert sich gerne in Schuldzuweisungen und Pauschalurteilen entweder über Asylwerber oder über die "verunsicherte" Bevölkerung.

Die Chancen auf Differenzierung sind da schon längst verspielt, und vielen derer, die auf der Suche nach Schutz nach Österreich gekommen sind, bleibt außer ziellos herumstehen nicht viel: Ob jemand, der in Österreich um Asyl ansucht, Gentechnikerin oder Maurer ist, Hebamme gelernt oder einen Uni-Abschluss hat, spielt kaum eine Rolle – denn die Möglichkeit, während des Aufenthalts eine sinnstiftende Arbeit zu übernehmen, ist sehr beschränkt.

Saisonnier oder Selbstständiger

Seit dem Bartenstein-Erlass 2004, benannt nach dem damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Martin Bartenstein (ÖVP), haben Asylwerber, die noch keinen positiven Asylentscheid haben, nach drei Monaten Aufenthalt drei Möglichkeiten der Arbeit: Gemeinnützige Tätigkeiten, Selbstständigkeit oder eine Tätigkeit als Saisonnier bzw. Erntehelfer.

Flüchtlinge und Asylsuchende am Gelände der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen.

APA/Helmut Fohringer

Flüchtlinge und Asylsuchende am Gelände der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen.

Von der Gemeinnützigkeit einmal abgesehen stoßen die Betroffenen allerdings oft auf Widerstände. So kommt für die Selbständigkeit in der Praxis nur ein Beruf in Frage, für den man keinen Gewerbeschein braucht. Damit bleiben nur wenige Optionen über – tatsächlich bedeutet „Selbstständigkeit“ für die meisten Asylwerber die Wahl zwischen Zeitungen austragen und Prostitution. Was Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ziemlich sicher nicht gemeint hat, als sie letzte Woche sagte, es gehe darum, dass Asylwerber mit der Bevölkerung in Begegnung kommen.

Mehr Möglichkeiten bietet die Beschäftigung als Saisonnier oder Erntehelfer. Doch auch hier stimmt die Praxis nicht mit der Theorie überein, wie die Ministerin in ihren letzten TV-Auftritten selbst bezeugte.

Das Problem: Von einem Kontingent von etwa 10.000 solcher Stellen konnte nur ein kleiner Teil, weit weniger als die Hälfte, tatsächlich an Asylwerber vermittelt werden, der überwiegende Teil der offenen Stellen bleibt unbesetzt. Doch was heißt das? Gibt es keinerlei Bedarf Asylwerber mit Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit auszustatten – da sie nicht mal diese Chance nutzen?

Nun, das kann man wohl kaum behaupten.

Fehlende Vermittlung

Fragt man bei den betroffenen Betrieben oder der Wirtschaftskammer nach, bekommt man folgende Information: Wenn ein Betrieb eine Zahl an Kontingentplätzen bewilligt bekommt, steht er vor dem oft unlösbaren Problem jemand dafür zu finden: Anders als österreichische Arbeitslose sind Asylwerber, die Jobs suchen, nicht zentral beim AMS gemeldet. Dank der fehlenden Vermittlung kann trotz Bewilligung oft niemand für den Job gefunden werden - ganz abgesehen von der Frage, ob etwa ein Gentechniker nicht auch andere Arbeiten als Weinlese oder Geschirrabwaschen in Österreich verrichten könnte.

Bis vor einigen Jahren hat man in der Wirtschaftskammer diese Fälle noch gesammelt und versucht etwas zu verändern, mittlerweile stellt man mitunter so etwas wie Resignation bei den Betrieben fest.

Die Sorge um die Grundversorgung

Auch bei der Arbeiterkammer bestätigt man diese Analysen. Johannes Peyrl, AK-Experte für Migrationsfragen, fasst das Dilemma so zusammen: Neben der fehlenden Erfassung und damit der mangelnden Vermittlung spielt vor allem auch die geografische Frage eine große Rolle. In Wien sind die meisten Asylwerber gemeldet und in der Grundversorgung, diese können nicht einfach in Tirol für einen Saisonnier-Job anheuern: Das ist rechtlich und logistisch nicht möglich, außerdem sind solche Saisonnier-Tätigkeiten per Definition befristet. Dafür aus der Grundversorgung zu fallen würde wohl kaum jemand riskieren, hängt doch oft auch das Quartier an diesem Status. Gerade in Wien finden sich allerdings kaum Möglichkeiten als Saisonnier oder Erntehelfer zu arbeiten.

Einige Sozialpartner

Margit Kreuzhuber von der Wirtschaftskammer merkt dazu an, dass mit dieser Situation nicht nur die Asyl-NGOs und die Asylwerber selbst unzufrieden sind, auch die Wirtschaft würde sich eine Liberalisierung dieser Arbeitsregelungen wünschen. Und befindet sich damit im trauten Einklang mit ihrem Gegenüber: Seit 2010 gibt es eine gemeinsame Position der Sozialpartner: Der Arbeitsmarkt soll Asylwerbern, unter der sozialen Auflage, dass es zu keiner Verdrängung heimischer Arbeitskräfte kommt, vermehrt geöffnet werden. Ob es aber nun, nach zehn Jahren und unter dem Druck der aktuellen Fluchtwellen aus Syrien und anderen Ländern, zu einer Änderungen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Asylwerber kommt, ist dennoch mehr als fraglich.