Erstellt am: 29. 9. 2014 - 18:28 Uhr
Schatzi, lass deinen Hass stecken
Irgendwann am Samstagmorgen, nach 5 Uhr früh wurde die Wiener Rosa Lila Villa von unbekannten Tätern mit Hassparolen beschmiert. Im Café des Hauses seien davor zwei Männer auffällig gewesen, einer habe sich selbst als Hooligan bezeichnet, erzählt Marty Huber. Sie ist Aktivistin bei der Beratungsstelle "Lila Tipp", die sich im bekannten Lesben- und Schwulenhaus an der Wienzeile befindet.
Irgendwann nach der Sperrstunde wurde die Fassade in serbischer und deutscher Sprache besprayed. Eine der Messages, eine Morddrohung: "Töte Schwule".
Noch am Samstag wurde ein Plakat aufgehängt, auf dem zu lesen war "Schatzi, denk mal über die Konsequenz von nem Mord nach", ansschließend wurden die Schmierereien ganz entfernt und die Fassade übermalt.
Am Sonntag gab es eine Solidaritäts-Kundgebung. Was hinter dem Angriff steckt und ob homophobe Übergriffe in letzter Zeit zugenommen haben, hat Marty Huber, Aktivistin in der Rosa Lila Villa am Montag in FM4 Connected erzählt.
Rosa Lila Villa
Interview mit Marty Huber, Aktivistin in der Rosa Lila Villa
"Schatzi, wir lassen uns nicht einschüchtern!" Das war eure Antwort auf die Morddrohungen, die an die Wand gesprayt wurden . Kommt es oft vor, dass ihr so extremen Anfeindungen ausgesetzt seid?
Marty Huber: Es ist leider so, dass es immer wieder vorkommt, dass es Übergriffe gibt auf das Haus. Es gibt Farbbeutelattacken, Eierwürfe, hin und wieder auch Graffiti oder verbale Beschimpfungen vor dem Haus - teilweise auch im Haus. In der Größe hatten wir es aber noch nie. Dass jemand weithin sichtbar eine Morddrohung an unserer Wand anbringt, ist neu. Das muss man leider sagen.
Haben diese Schmierereien und Attacken in letzter Zeit zugenommen?
Marty Huber: So etwas tritt immer wieder in Wellen auf. Die Villa gibt es seit 30 Jahren. Das heißt, wir haben Erfahrung mit diesen Übergriffen. Manchmal ist es mehr, manchmal weniger. Es gab zum Beispiel zur Zeit der schwarz-blauen Regierungsbildung im Jahr 2000 eine leider sehr deutlich wahrnehmbare Zunahme an Drohbriefen etc.
Ich denke, es ist auch ein Zeichen der Zeit, dass solche Drohungen jetzt wieder verstärkt auftreten. Es ist die Frage des Nationalismus, rechte Tendenzen, faschistische Tendenzen in der Gesellschaft, die auch beunruhigend sind.
Die Schmierereien wurden von euch angezeigt. Habt ihr eine Vermutung, wer hinter diesen Hassparolen steckt?
Marty Huber: Das ist schwierig zu sagen. Wir können im Moment nicht genau sagen, wer das war. Da auf Deutsch und Serbisch gesprayt wurde, gibt es die Vermutung, dass ein Zusammenhang mit der Belgrad Pride besteht. Die Belgrad Pride hat am Wochenende das erste Mal seit langem wieder und nur unter massiver Polizeipräsenz stattfinden können. Die muss nämlich geschützt werden vor Hooligans, Neonazis und rechtskonservativen Kräften.
Was wir weiter machen? Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir bleiben wo wir sind, weiterhin auch sichtbar an einer stark befahrenen Kreuzung in Wien. Und ich denke, es ist wichtig, auch öffentlich zu machen, dass man gemeinsam gegen jede Form von Gewalt auftritt. Egal ob es gegen Lesben, Schwule, Transpersonen geht, gegen rassistische oder sexistische Gewalt. Wir haben, glaube ich, am Wochenende gezeigt, dass wenn man ein bisschen zusammenhält, auch eine andere Stimmung erzeugen kann. Mit ein bisschen Humor zeigen: Ja, Schatzi, wir lassen uns nicht einschüchtern. Also nicht zurückziehen, verstecken und auf Eiern herumsteigen.
Trotz wiederkehrender homophober Übergriffe hat man den Eindruck, dass Österreich ein vergleichsweise sicheres Land ist. Täuscht der Eindruck?
Marty Huber: Österreich ist grundsätzlich schon ein sehr sicheres Land. Wir haben eher mit verbalen Übergriffen Erfahrung. Ein großes Thema ist zum Beispiel die Frage des Bullying und Mobbing in der Schule. Wo gewisse Wörter sehr oft als Schimpfwörter benutzt werden. Da ist es auf jeden Fall wichtig, so etwas wie Vielfalt in der Schule usw. auch gut zu vermitteln. Das betrifft eben nicht nur Lesben und Schwule.
Es gab vor kurzem auch einen Angriff im Wiener Lokal Marea Alta, der vor allem auf Facebook diskutiert und kommentiert wurde. Was ist da passiert?
Mehr Info: Identitäre
Rechtsextreme marschieren durch Wien
Im Mai marschierten ca. 100 Identitäre durch Wien.
Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und GegendemonstrantInnen gab es Verletzte und Verhaftungen. Wer sind die "Identitären"? Und wie konnte es zu einer derartigen Eskalation kommen?
Marty Huber: Zwei junge Männer haben das Lokal betreten und versucht, die vielleicht bekannten "Identitären"-Sticker dort anzubringen. Das sind gelb-schwarze Sticker mit dem Lambda-Symbol. Diese rechte, extreme Organisation versucht ja seit längerem schon, so etwas wie eine junge, nationalistische Bewegung in Österreich zu etablieren. Das passiert auch in anderen Ländern. Die beiden Männer haben versucht, auf dem Laptop des DJs einen Sticker anzubringen, dabei gab es ein Handgemenge, wobei der Laptop beschädigt wurde. In dem Handgemenge soll eine Kellnerin auch eine Ohrfeige bekommen haben. Die jungen Männer sind dann verschwunden, ich weiß aber nicht, ob eine Anzeige gemacht wurde.
Aber es gibt eine gewisse Sorge, dass diese Übergriffe mehr werden und verschiedene Einrichtungen und Lokale das Ziel von solchen Gruppen werden.
Auf den Angriff auf die Rosa Lila Villa habt ihr ja ganz besonders reagiert. Statt auf die Hassparolen groß einzugehen, habt ihr euch lieber positiven Dingen gewidmet und ein Projekt vorgestellt. Was ist das?
Marty Huber: Ja, es wollten sehr viele Menschen Geld spenden, damit wir die Fassade übermalen können und das ist ja eine sehr, sehr schöne Geste. Wir haben uns sehr gefreut über den großen Zuspruch, den wir bekommen haben.
Anmerkung
LGBT: Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Trans
Wir wollen aber nicht an der Oberfläche der Fassade kratzen: Es gibt schon seit längerem ein LGBT-Flüchtlingsprojekt, wofür der Wohnverein der Rosa Lila Villa eine Wohnung angemietet hat. Die steht für Asylwerbende und Flüchtlinge zur Verfügung, die aufgrund einschlägiger Gesetzeslagen in anderen Ländern als LGBT-Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind. Wir kennen alle die aktuelle Diskussion um Wohnraum und die Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnraum ist ein sehr wichtiger Aspekt im Asylverfahren. Wir brauchen ca. 300 bis 350 Euro im Monat zusätzlich, um die Miete zu finanzieren. Deswegen haben wir einen Spendenaufruf auf unserer Facebook-Seite gestartet.