Erstellt am: 29. 9. 2014 - 20:18 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 29-09-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Ich habe das Wochenende (das ist einer der Vorteile als Plus1 im Wissenschafts-Circuit) in einem Schlösschen verbracht, Übernachtung im Meierhof, Essen fassen unter Fresken im Prunksaal von Schloss Leopoldskron, das Kind zur Beruhigung durch die Max Reinhardt-Bibliothek tragen und Poldi den Hausdrachen bewundern lassen.
Das barocke Kleinod gehört mittlerweile der US-Organisation Salzburg Seminar, dient als Tagungsort und bleibt für den klassischen Tourismus verschlossen.
Das ist seltsam.
Weil: Jenseits des ausufernden Ententeichs, an der Stelle, die den schönsten Blick auf die Vorder-Fassade des Schlosses freilegt, vollzieht sich untertags alle 20 Minuten dasselbe Ritual: eine (immer andere) Frau im Dirndl, die eine busgroße Gruppe (gemischt, mit leichtem Dirndl-Einsatz) im Schlepptau hat, steuert den Aussichtspunkt an, belehrt die eifrig Lauschenden dort einige Minuten lang und lässt ihnen dann kräftig Zeit um sich selber vor dem Schloss oder nur das Bauwerk alleine abzufotografieren. Danach: Abmarsch retour.
Nähert man sich diesen Gruppen, fällt zuerst der durchdringende US-Akzent dieser Touristen auf. Folgt man ihnen zum Bus, fällt das überdeutliche Branding ins Auge: diese Menschen sind Teil der The Sound of Music-Tour quer durchs Salzburger Land. Und klar, alle die den Film gesehen haben, werden sich erinnern: dort, auf Balkon und Vorplatz zwischen Schloss und Wasser tanzen Julie Andrews und ihre Trapp-Familie ganz schön lang herum.
Auch eine andere Geschichte: warum ein US-NGO, dem das Anwesen gehört, sich nicht dazu durchringen kann, die touristisch lohnende Geschichte irgendwie geschickt zu verwerten, sondern sich so strikt verweigert. Nein, NSA-Anlagen sind dort keine zu entdecken.
Drinnen auch, aber das wurde nicht wirklich drinnen (unter den Fresken) gedreht, sondern nachgebaut und anderswo, aber das ist eine andere Geschichte...
Nur: als geborener Österreicher hat man diesen Film einfach nicht gesehen. Den kennt man als Amerikaner; vielleicht als Rest/Westeuropäer - dort hat er etwa das Standing, das die Sissi-Filme für unsereinen hat/te: household.
Am selben Wochenende ist mir die aktuelle Ausgabe der Wochen-Zeitschrift Jungle World in die Hände gefallen. Wie jedes Jahr unternimmt das Redaktionsteam dieses vielleicht bestproduzierten deutschsprachigen Missing Links zwischen Haltung, Journalismus und Originalität einen Betriebsausflug in die Fremde, um dann von dort, aus der Höhle des Löwen zu berichten; quasi embedded inmitten aller Objekte.
Das verspricht vor allem im vorliegenden Fall, wo der Standort Wien auch noch eine gemeinsame Sprache und das Thema Österreich große Teile gemeinsamer Geschichte vorrätig hält, einiges. Mehr jedenfalls als das die gern nach den Wünschen der Stammredaktion hingebogenen Geschichten der Auslands-Korrespondenten (parodiert von Hitchcock in der Szene hier ab 1:30 im Klassiker Foreign Correspondent) oder die noch schlimmeren der schnellen Einsatztruppe, die Kriegsreportern gleich Schauriges aufzudecken gedenken, gelingt.
Hier ein schöner TV-Bericht zur Jungle World-Exkursion.
Und die Jungle World-Ausgabe 38/39-2014 hält dann auch eine Menge. Sowohl die Analyse von Innensichten als auch die Darstellung von verhärteter Verfasstheit, sowohl die Frage nach Parallelen und Differenzen zu deutschen Zuständen als auch kulturelle Eigenheiten werden in unaufgeregter Tonalität (was für ein betont linkes Medium eigentlich eine Sensation ist und den vergleichsweise lachhaften Ösi-Varianten der Jungle World zum Vorbild gereichen sollte) und mit klugem Blick anvisiert.
Die wenigen peinlichen Momente sind dem allzu übermütigen Versuch geschuldet, sich allzu tief vorgewagt zu haben; und zwar aufs Terrain der Sprache, besser des Dialekt.
Naaa, dös is kaane gewöhnliche Jungle World, beginnt das Editorial. Und abgesehen davon, dass das "dös" im Vokale gern dunkler färbenden Bayern wohl besser aufgehoben wäre, und das simple "des" gereicht hätte: der Unterschied zwischen kaa und kaane mag ein scheinbar geringer sein - der Singular/Plural-Fehler zeugt aber ebenso von grundlegenden Missverständnissen wie der Verheber beim Titel "An unandlichen Tritt in' Oasch", wo ein "uandlicher" (also ein ordentlicher, also ein richtig fester) gereicht hätte.
Das erinnert an andere Österreich-Versteher und Wienerisch-Probierer wie Harald Schmidt, der es auch sowas von gar nicht beherrscht und trotzdem auf sein Publikum loslässt, wie einen kläffenden Pocher.
Vorzugeben in die Sprache eintauchen zu können, ist vielleicht der schlimmste Fehler, den man im Rahmen einer Exkursion machen kann. Mehr als ein Schnuppern an speziellen Ausdrücken oder Phrasen ist da nämlich nicht drinnen - egal ob es sich um irisches Englisch oder österreichisches Deutsch handelt.
Dieses Verkalkulieren beim Einschätzen einer dann doch sprachlich nicht so recht fassbaren Mentalität wird die Fortschritte, die die Jungle World mit dieser Ausgabe in Österreich machen will, aber nicht behindern. Zuletzt war das Blatt einige Zeit nur per Abo oder eben im Netz zugänglich, nicht aber am Kiosk, wie man im Heft nicht unstolz vermeldet.
Derweil steht man nämlich noch irgendwie drüben, auf der anderen Seeseite und schaut rüber auf das Schloss in das man nicht reindarf. Eine Zukunft jenseits von The Sound of Music, also eine, die mit österreichischem Bewusstsein stattfindet, ist möglich.