Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Work Hard, Party Hard"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

28. 9. 2014 - 16:56

Work Hard, Party Hard

Der Song zum Sonntag: Les Sins - "Bother"

Sich mit monotonen Handgriffen zwischen Kopiergerät und Tabellenkalkulation in die Ektase arbeiten: Hier kommt die Tanzmusik aus dem und für das Großraumbüro. "Großraum-House", mit neuer Bedeutung beladen. Wie soll man denn hier arbeiten können? Ständig wird nebenan, hinter und vor uns gequatscht und gehustet. Es werden Privattelefonate geführt. Selber sind wir auch so. Wir wollen aber doch arbeiten.

Wir wollen arbeiten wollen, während wir am Monitor vorbei in die leere Welt blicken. Tippen. Rauchen gehen, Kaffee holen, im Kaffee rühren, Kaffee holen. Wir müssen arbeiten wollen wollen. Der amerikanische Musiker und Produzent Chaz Bundick spürt in seiner aktuellen Single mit einem ganz simplen, also fantastischen Kniff der Beziehung zwischen Arbeitswelt, die die Seele entsaftet, und Party nach.

Chaz Bundick

Les Sins

Chaz Bundick

Unter dem Namen Toro Y Moi ist Bundick der König des schönen Genres, das wir einst "Chillwave" nannten, mit seinem Alter Ego Les Sins steuert er seine Produktionen auf den Dancefloor. Vom Pop geküsster House, französischer Filterhouse, Disco: Drei feine 12-inches hat Bundick als Les Sins bislang veröffentlicht, demnächst folgt das Debütalbum namens "Michael".

Die Vorabsingle macht Angst und zieht uns in den Club: "Don't Bother Me, I'm Working" lauten die einzigen Zeilen in dem Stück "Bother", bisweilen zerrissen, geloopt und schnell aneinandergeschnitten, da und dort minimal variiert und um ein "Can't You See?" erweitert. Es ist freilich ein ewiger Trott. Dröge, öde Arbeitsabläufe, wir wollen nicht gestört werden, brauchen unsere Ruhe für unsere Selbstoptimierung.

Klarerweise lebt auch die elektronische Tanzmusik von der Repetition, wird nicht selten von einem stets wiederkehrenden schlichten, knappen Slogan getragen, der zum Tanz auffordert: "Jack Your Body!" etwa, oder eben "Work Your Body!" oder bloß "Work It!". Die schweißtreibende, sexuell konnotierte Körperarbeit auf dem Dancefloor als Ausgleich zur brotbringenden Arbeit.

Plattencover von "Bother": der Schriftzug "Les Sins" von oben nach unten in Blockbuchstaben geschrieben. Daneben ein kleines Foto von einer lachenden Figur.

Company Records

"Bother" von Les Sins ist bei Company Records erschienen.

Ob Chaz Bundick die Platte kennt, ist nicht bekannt, auf ihrem Album "Work" haben sich der Heidelberger Produzent und DJ Move D und der Münchner Autor, Theoretiker, Musiker und ebenfalls DJ Thomas Meinecke jedoch einem sehr ähnlichen, ausschnittweise überlappenden Thema ausführlicher gewidmet: Die Platte beleuchtet als aufsehenerregende Collage aus House und Hörspiel die Beziehung zwischen Dancefloor, Geschlechteridentitäten und Körperpolitik. Tanzen als Arbeit. Beispielsweise wird eine New Yorker Dragqueen mit folgenden Worten zitiert: "I didn't just dance. I worked my whole body. I worked the crowd, I really worked it."

Gemeinhin werden der Club und das Tanzen als große gemeinschaftliche Erlebnisse inszeniert, die alle zu Schwestern machen. So trägt "Bother" von Les Sins durch den Aspekt des Nicht-Angenervt-Werden-Wollens schon in seinem Titel zusätzliche Spannung. Ein Track über Nöte und Zwänge, auch selbstauferlegte, über Exzess, Wahn, Konkurrenzdruck, Vereinsamung und die verwirrende, heilende Macht des Dancefloors.