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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

28. 9. 2014 - 16:29

Flimmern

Chinesischer Mohn, Zahlen zu Schießereien, fragwürdige Kategorisierungen und obszöne Enten.

Was steckt hinter den Schießerei-Zahlen?

Nach einer letzte Woche veröffentlichten Untersuchung der University of Texas und des FBI, hat sich die Zahl der Amokläufe in den USA in den letzten Jahren fast verdreifacht. Während 2000 bis 2007 durchschnittlich 6,4 Amokläufe pro Jahr verzeichnet wurden, stieg diese Zahl 2008 bis 2014 auf durchschnittlich 16,4 Amokläufe. Schießereien, die mit organisiertem Verbrechen oder Drogenhandel zu tun haben, fallen nicht in die Statistik.

fbi

Was ist ein Attentat, was ist ein terroristischer Akt und was ist ein Amoklauf? Ist jeder Verrückte, der sich einen Bart wachsen lässt und Mitmenschen enthauptet, ein Terrorist oder Amokläufer? Datenbanken, die mögliche Täter aufgrund von Mustererkennung schon vor der Tat ausweisen, eine algorithmische Mischung aus Kristallkugel und Pokémon-Index des Bösen, sind ein feuchter Traum des Überwachungsstaats, der geiler ist als Personenrechte.

Absurde Zahlen, absurde Kategorisierungen

Für Verbrechen, die keine sind, und Straftaten, die nicht begangen worden sind, werden tausende Deutsche vom Bundeskriminalamt, kurz BKA (und nicht zu verwechseln mit dem Bundeskanzleramt), in Datenbanken unter Kategorien wie "Landstreicher", "Ausbrecher", "Prostituierte", "Betäubungsmittelkonsument", "Geisteskranker" oder "Rocker" erfasst. Letzte Woche berichtete "Die Zeit", dass sogenannte personengebundene Hinweise über mehr als eine Million Menschen in den Datenbanken des Bundeskriminalamts erfasst sind. Es gibt 18 Kategorien zur Vermessung der Delinquenz. Um in eine der oben genannten Kategorien gespeichert zu werden, muss man nicht verurteilt worden sein, man braucht auch keine Vorstrafen. Es reicht, wenn man angeschuldigt oder angeklagt war, ein Delikt begangen zu haben, dass in der Logik der Datensammler die Verwendung der diskriminierenden Begriffe dienlich erscheinen lässt.

Einen Aufschrei des Entsetzens über die politische Ausrichtung der Polizei und den Ermittlungsschwerpunkt gab es nicht nur wegen der Erfassung Nichtverurteilter sondern auch weil in den der "Zeit" zugespielten Listen zehn Personen als "Straftäter rechtsmotiviert" und 3.490 Personen als "Straftäter linksmotiviert" geführt wurden. Am gleichen Tag noch gab es eine Richtigstellung des Bundeskriminalamts: Durch ein Versehen waren falsche Zahlen in der Auflistung aufgeführt, die dann der "Zeit" zugespielt wurden. Demnach führt das Bundeskriminalamt in den Datenbanken (die es in der Form eigentlich nicht eben dürfte, und die nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren) 9.763 Personen als "Straftäter linksmotiviert" und 20.054 als "Straftäter rechtsmotiviert" - also deutlich mehr als zehn.

Chinesische Mohnverwechslung

Zu einer Überschneidung zwischen Restaurantführer und Strafregister ist es letzte Woche laut BBC in der Chinesischen Provinz Shaanxi gekommen. Liu Juyou, ein Besucher eines Nudelrestaurants, testet bei einer darauffolgenden Verkehrskontrolle positiv auf Opiate und wurde - obwohl er sich das alles nicht erklären konnte, was Polizisten wohl öfters hören - für 15 Tage inhaftiert. Nach der Entlassung bat er Verwandte, ebenfalls in dem Restaurant, das er vor der Verkehrskontrolle besucht hatte, zu essen und sich danach einem Drogentest zu unterziehen. Die Verwandten testeten anschließend ebenfalls positiv auf Opiate.

Erdrückt von der Last der Teststreifen gab der Restaurantbesitzer zu, seine Nudeln mit zermahlenem Schlafmohn zu würzen, um die werte Klientel zum Wiederkommen zu bewegen. Der Mohnkoch wurde für zehn Tage inhaftiert. Der Berufung von Liu Juyou wurde nicht standgegeben, mit der Begründung, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei, zu ermitteln, wie die illegalen Substanzen in den Körper des Beschuldigten gekommen sind, sondern nur, ob sie vorhanden sind oder nicht. Das ist beste BKA-Logik, nach der die Polizei in der Provinz Shaanxi handelt. Dass Schlafmohn und Speisemohn verschiedene Sorten sind und die eine Opiat enthält und die andere nicht, ist auch deutschen Konsumentenschützern bei Bewusstseinstrübungen nach übermäßigem Genuss von Mohnkuchen zu Ohren gekommen. Also aufpassen bei nicht bar bezahlten Großeinkäufen von Mohnprodukten in deutschen Geschäften! Das BKA kategorisiert möglicherweise mit.

walt disney

Obszöne Ente

Meine urban legend der Woche dreht sich um Donald Duck, der dieser Legende nach in Finnland in die BKA-Kategorie Sexualtäter fällt, weil er "unten ohne" durchs Leben geht. Donald Duck-Comics wurden im Jahr 1977 angeblich aus den Bibliotheken von Helsinki entfernt, weil Donald darin auf obszöne Weise permanent sein Bürzel entblößt. Die Geschichte stimmt so nicht, hat aber ihren Ursprung in einer auch nicht unspannenden Begebenheit. Der Politiker Markuu Holopainen schlug nämlich 1977 vor, zu sparen, indem auf die Anschaffung von Comics in Bibliotheken verzichtet wird. Im Wahlkampf des nächsten Jahres wurde er von seinem Kontrahenten als der Mann, der Donald aus Helsinki vertrieben hat, bezeichnet. Holopainen hat die Wahl verloren.