Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mitten im Gewühl"

Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

28. 9. 2014 - 17:22

Mitten im Gewühl

Der steirische herbst 2014 ist eröffnet.

steirischer herbst, Festival für neue Kunst

In Graz sowie in Stainz, Wildon, Kornberg, Laafeld, Bad Radkersburg und Bad Gleichenberg. Bis 19.10.

Sie könne auch ein Lied singen, erklärt Veronica Kaup-Hasler in einem Moment, als es bei ihrer Eröffnungsrede des steirischen herbst kurz zu laut wird. Unmittelbar darauf schwillt der Lärmpegel des "hallo, hallo" und des Plauderns ab. Das Foyer der Helmut-List-Halle ist voller Menschen.

Veronica Kaup-Hasler eröffnet den steirischen herbst 2014

Radio FM4

Europa schaue "kuhäugig, wie Flüchtlinge angeschwemmt würden", fährt Veronica Kaup-Hasler fort, die das Festivals für neue Kunst seit 2006 leitet und deren Intendanzzeit bis 2017 verlängert wurde.

"I prefer not to ... share"

Das ist das diesjährige Motto des steirischen herbst und im Falle des Falls zieht man es dann doch vor, nicht zu teilen. Vielleicht würde man bei der nächsten Eröffnung die Carta der Genfer Flüchtlingskonvention zusammen singen, sagt Kaup-Hasler und die internationale Performancetruppe Needcompany feiert daraufhin einen Spektakelreigen mit "All Tomorrow's Parties" in zwei Teilen. Dystopische Momente stellen sich in den Videobildern ein, die das Bühnentreiben auf großen Projektionen in anderen Blickwinkeln darstellen. Der titelgebende Song von The Velvet Underground wird minutenlang zelebriert.

"Das Teilen und sein Gegenteil"

Simon Hadler berichtet auf news.ORF.at von weiteren Ausstellungseröffnungen.

"All Tomorrow's Parties" von der Needcompany war nur einmal zu sehen. Doch der herbst setzt sich die nächsten drei Wochen fort. Den ganzen Samstag hindurch wurden im Stundentakt die Ausstellungen eröffnet. Vor Menschen sah man die Kunst erstmal minutenlang nicht. Da war es gut, dass die Kuratorinnen etwa im Kunsthaus Graz eine ausführliche Beschreibung dessen gaben, was es im Space 04 auf sechs Screens spielt. Richard Mosse hat "The Enclave" in der Demokratischen Republik Kongo gedreht, einem Land, das alles andere als eine demokratische Republik ist. Der australische Musiker Ben Frost hat dazu binnen zwei Jahren Soundlandschaften aufgenommen und komponiert. Ein unsichtbarer Konflikt wird sichtbar, die Bilder sind betörend und verstörend.

Nach dem Andrang: Älterer Herr, abgebildet in einem Stillleben und alleine auf einer Fotowand im HDA

Radio FM4

Nach dem Andrang der Massen ist man danach allein mit der Fototapete im Haus der Architektur in Graz.

Wenn schon mal Menschen vor der kuratierten Kunst stehen, halten die Kuratoren mitunter auch gleich eine Lecture. Macht nichts, wenn man so steht, dass man nebenbei einen 25-minütigen Film von Harun Farocki zur Herstellung von Waffen für den Vietnamkrieg zur Gänze sehen kann. Der deutsche Filmemacher war für die diesjährige herbst-Konferenz "Akademie der Asozialität" als Gast vorgesehen und vergangenen Juli verstorben. In der Ausstellung "The Militant Image" in der Camera Austria ist sein Werk nun zu sehen.

"Im Sumpf" wird sich speziell der Ausstellung "Ordinary Freaks" widmen.

Mit Videokunst tun sich nicht wenige schwer. Bei Kindern weckten die Videos der Ausstellung "Ordinary Freaks" im Künstlerhaus, Halle für Kunst und Medien, allerdings rege Neugier. Im Keller spielten MARTA, weil Kevin Blechdom mit Flugverzögerungen konfrontiert war. Ihr Auftritt werde aber nachgeholt, heißt es. Etwas Enttäuschung gab es auch für Freunde der Goldenen Zitronen: Schorsch Kamerun ist aus persönlichen - und zwar erfreulichen Gründen - nicht gekommen.

MARTA im Keller des Künstlerhaus in Graz

Radio FM4

Dafür waren genug andere Menschen da. Auch im Hinterhof des diesjährigen Festivalzentrums in der Paulustorgasse. Dort gibt es eine Fahrradküche, die Funken flogen, das Schweißgerät war an, und zum Einstand gab es Bierkisten-Bowling. Mit Fahrrädern. Heute kann man dort das "Altbaukriterium" bestaunen.

Indes ist das Schlimmste, was man Menschen derzeit antun kann, einen Gang runter zu schalten. 180 Scheinwerfer machen eine Wärme, die sich gut anfühlt und die schöne Arbeit "Premiere" von Maria Hassabi setzt auf Bewegungen in minimalstem Tempo. Fünf Menschen gruppieren sich zu Standbildern, die an Gemälde erinnern.

Der New Yorker Rasheed Newsome formierte für sein "Shade Graz, 2014" GrazerInnen zu einem Chor. Gewandet allesamt in Donna Karen, prangte das "NY"-Logo silbern auf seinem Longshirt, getragen über einem weißen Kleid. Der Master of Ceremony ist aktuell ein Darling in der amerikanischen Kunstwelt, dirigierte mit Wii-Steuerungen und arbeitete sich selbst ein wenig in Euphorie. Laute hat er zu schnalzenden Beats mutiert, kurze Dialekt-Aussprüche wie "Ah geh!" zu Rhythmen.

Chor in Rashaad Newsomes "Shade Graz, 2014"

Thomas Raggam

Die Höhepunkte dieses steirischen herbst liegen noch vor uns. Kommende Woche etwa mit dem Mystery-Hörspiel-Game "machina exkursion: Kingdom" in Wildon und den "Life and Times" des Nature Theater of Oklahoma in Graz.