Erstellt am: 25. 9. 2014 - 12:42 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 25-09-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Das L steht für Leben ist im Styria-Verlag erschienen.
Helmut Kronjägers Hinterlassenschaft wird Bestand haben, wie diese Geschichte von vor ein paar Tagen und zahlreiche Nachrufe wie dieser oder _-jener(90minuten.at belegen.
#nachruf
Weil das Mediensystem Anlässe braucht um Themen anzupacken, die zwar auf der Straße liegen, aber im Denken der Medienmacher "ka G'schicht" sind, sind Scheinereignisse wie Buchveröffentlichungen so willkommen.
Weil Helmut L. Kronjäger, der steirische Ex-Kicker und Ex-Trainer, den seine Freunde Petz und seine Feinde Heli nennen, sein schon einige Zeit avisiertes Projekt eines Fußball- und Krebsabwehrkampf-Buchs jetzt (Anm.: Anfang Mai 2014) vollendet hat, bekommt er eine Medien-Coverage (hier oder hier oder hier oder hier oder hier - später dann auch hier und hier...) die ihm zu aktiven Zeiten (als Bundesliga-Coach, als ÖFB-Nachwuchstrainer, als Ausbildner in Bhutan, Sri Lanka oder auf den Solomonen) verwehrt blieb.
Weil Kronjäger in den letzten Jahren zunehmend lauter die Schwachstellen des Systems (besser: der Systeme) Österreichs Fußball anprangerte, weil er - auch aufgrund seiner Krankheit und des Bewusstseins keine Zeit zu verplempern zu haben - sich zunehmend weniger geschissen hat, weniger Rücksicht auf Befindlichkeiten von fahrlässig oder bewusstlos agierenden Playern genommen hat, wird versucht seine Kritik zunehmend in eine Art Mitleids-Kokon zu hüllen und so zu entwerten oder entkräften. Es äußert sich niemand dazu, man blockt mit geheucheltem Respekt ab.
Weil ich Kronjäger nicht sehr gut, aber doch aus dem echten Leben kenne (uns verbindet eine gemeinsame Arbeit und meine ehemalige Kollegenschaft zu seiner zweiten Frau) steht mir eine solche Charity-Behandlung seiner Anliegen noch weniger zu als jenen, die sich mit dieser Ausrede ins Leo des Aussitzens flüchten.
Kronjäger erzählt in Das L steht für Leben von einer Fußball-Zeit, von der man sich nie sicher sein kann, ob sie wirklich vergangen ist. Der dem barocken Verschwender und verurteiltem Verwüster Hannes Kartnig lustvoll zur Verfügung gestellte mediale Raum (rund um Fußfesseln ua) etwa lässt auf mehr als nur Sehnsuchts-Fantasien der alten Journalisten-Garde schließen. Die hätten am liebsten immer noch die Ära der Wirtshaus-Deckel-Gschichterln, in denen sie als gut ausgestattete Herolde die Geschicke der Branche mitbestimmen, zurück; die sehnen sich nach den lugneresken Gutsherren (Kronjäger porträtiert die, die er bei seinen Stationen in Graz und Ried kennenlernen musste, durchaus menschlich, als selbstsüchtig inkompetente Selbstverständlichkeiten einer österreichischen Realverfassung, nicht nur der des Fußballs), in deren Medienglanz sie mitschneiden können.
Kronjäger berichtet auch von den Untiefen der Verbände, nicht nur des ÖFB, sondern auch der unter einer gewissen Wahrnehmungsschwelle agierenden Landesverbände, den Küngeleien, Eitelkeiten und Absurditäten politischer Gefügigmachung, vom strukturellen Elend des heimischen Sports. Kronjäger schafft es auch seine wahrlich exotischen Abstecher nach Asien nicht in blanken Exotismus abgleiten zu lassen, er romantisiert nicht.
Kronjäger stellt keine diesbezügliche These auf, er selber ist auch zuwenig Parsival oder Kohlhaas, aber seine partielle Lebensbeichte lässt sich durchaus zu einer Warnung verdichten: derjenige, der andere als die ausgetretenen Wege gehen will und das ohne Parteibuch (resp. Vereinsbacking für ehemalige Spieler) und ohne Medienanbiederung erreichen will, zieht sich besser sehr warm an. Denn ein um sich selber rotierendes Selbstbestätigungs- und Selbstreferenzierungs-System wie der österreichische Fußball ist nur in sehr geringem Maß bereit sich anderen als den herkömmlichen Ideen zu stellen, andere als die bisher gepflegten Zugänge zuzulassen oder andere als die in gut vernetzten Seilschaften verbündeten an die Futtertröge zu lassen.
Dass es Kronjäger in einem solchen Umfeld schwerer als schwer haben würde, sollte nach einem Zitat des auch nicht durch übergroße Verträglichkeit auffallenden und sich auch stets am Rande des Systems aufhaltenden Alfred Tatar klarer sein: Der Trainer Kronjäger wäre, sagte Tatar nach dessen Entlassung in Ried und der Übernahme des Amts durch den bisherigen Co-Trainer (ihm selber), der Trainer Kronjäger wäre unserer Zeit zehn, fünfzehn Jahre voraus. Und viele würden das wahrscheinlich nie kapieren.
Es tut gut die Gedanken eines solchen Menschen zu lesen, zu erkennen, dass er sich nie gegen Schwache oder Schutzbefohlene richten, sondern immer jene, die die Fäden in der Hand halten, sie aber nur zum eigenen Vorteil zupfen. Und es zeigt sich, dass der Fußball, der sowieso als Mikrokosmos vieles übers Leben zu berichten hat, in Österreich ein noch viel ehrlicher und wenig verzerrender Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse ist.