Erstellt am: 24. 9. 2014 - 20:11 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 24-09-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
#medienpolitik #medienkonvergenz
Vorab: ich finde die Huffington Post grauenvoll. Ein unübersichtlicher Aggregator, dessen Blogs auch nicht mehr bieten als die Meinungsseite der alten Herald Tribune. Auch die deutsche Version, vielversprechend gestartet: eine Enttäuschung; optisch nur die Gala der News-Portale, inhaltlich beliebig.
Die Frage, die sich in der ersten Sekunde des Drüberscannens stellt, nämlich die nach dem Mehrwert, nach der Besonderheit, nach dem Charakter, der mir ein Medium vertraut machen muss, ehe ich mich seiner bediene, bleibt im Fall der HuffPo seltsam unbeantwortet. Und konnte auch in der Praxis - als für kurze Zeit einmal eine österreichische Ausgabe angedacht war und man (sehr vorsichtig) bei mir vorfühlte - nicht beantwortet werden. Die visionäre Ziel/Stoß-Richtung war zwar Thema (die lag etwa dort, wo sich die NZZ in Österreich aktuell bewegt) - es war aber klar, dass das vorerst einmal nicht (und auch später dann eher nie) möglich sein würde. Erinnerte mich an die Anfänge von Puls 4, als Geschäftsführer Breitenecker von seiner Vision erzählte, ein FM4 des Fernsehens machen zu wollen.
Ich bin also kein HuffPo-Fan. Und auch die Botschaften von Arianna Huffington, die gestern abend bei der medial breitgetretenen future.talk-Reihe der Telekom Austria (einer jährlich durchgeführten, imposant inszenierten Poser-Party für den Snob-Eliten-Teil der hiesigen Zivilgesellschaft) entbehren eines echten News-Werts. Nur dem medialen Rundherum entnehme ich, dass die vagen Österreich-Pläne auch weiter vage bleiben werden.
Huffington hält angesichts ihrer Wien-Visite dieser Tage viel mehr als Symbolfigur her, an der sich die österreichische Medien-Nomenklatura abarbeitet; und zwar gleich von zwei Seiten her.
Zum einen sucht man ihre Nähe/Expertise um das Wissen, um Geschäftsmodelle für den Online-Journalismus (Stichwort Monetarisierung) abgreifen/saugen zu können.
Zum anderen ist sie natürlich ein optimaler Reibebaum, um das Narrativ vom Sitten-Verfall im Journalismus weiterzuschreiben.
Die Parodie davon würde so aussehen:
Frage der Interviewerin: "Als Journalistin eines Printmediums frage ich Sie: Bringen Sie traditionelle Medien wie mein Magazin (...) um?"
Antwort Huffington: "Nein. Was wir derzeit sehen, ist eine Konvergenz. Ich bin sicher, ihr Medium ist auch online tätig. Richtig?"
Soweit die Satire.
Leider sieht auch die österreichische Praxis so aus. Nämlich genauso.
Das Gespräch des Qualitätsmediums mit Frau Huffington macht es ihr möglich, auf eine weinerliche Frage nach Schuldgefühlen als digitale Medien-Betreiberin den Satz "Genauso gut könnte man sagen, dass sich der Erfinder des Buchdrucks für den Untergang der Handschriftenkultur schuldig fühlen müsste" sagen zu können. Also einen Elfer zu verwerten, ohne dass der Tormann sich bewegen darf.
Das klingt alles ebenso nach der Tagespresse wie der Vorwurf, dass es ein vormaliger Printjournalist war, der der HuffPo einen Pulitzer-Preis gewonnen hatte: Als ob nicht letztlich jeder Journalist ab einem gewissen Alter früher (also vor Online-Journalismus) als Nicht-Online-Journalist begonnen hätte.
Wirklich grotesk wird es dann, wenn der in Österreich von deutlich zu vielen Medien als Selbstverständnis vor sich hergetragene Begriff des in den seltensten Fällen eingelösten Qualitätsjournalismus geht.
Die Redakteurin des Magazins, eines traditionellen Qualitäts-Mediums stellt nämlich allen Ernstes folgende Frage: "Sie bedienen die Bedürfnisse Ihres Publikums. Was hat das mit Qualitätsjournalismus zu tun?"
Das wirft alles um, was ich über österreichischen Qualitätsjournalismus zu wissen glaubte. Und rückt alle anderen, wohl veralteten Definitionen ins Abseits. Österreichischer Qualitätsjournalismus versteht sich, das sagt dieser Satz, als Journalismus, der die Bedürfnisse des Publikums nicht bedienen soll, will und darf.
Bislang kannte ich nur eine vergleichbare Definition: nämlich die der Vertreter von VÖZ oder VÖP über Öffentlich-Rechtlichkeit. Die sich erst dann einstellt, wenn man seinem Publikum schwer verdaubare Kost, Schulfunk, Nischen- und Eliten-Angebote oder andere in Produktions- oder Personal-Kosten umfangreiche und anspruchsvolle Programm-Elemente bietet.
Alles andere (Online in seiner Gesamtheit, Unterhaltung, Sport sowieso, in der letzten Zeit aber auch Teile des Nachrichten-Bereichs) wären deshalb das ureigene Terrain der Privatanbieter, weil es um die Befriedung der Bedürfnisse des Publikums handle und nicht um die gefälligst lust-/spaßfrei zu haltende Brot-und-Wasser-Grundversorgung.
Bislang war das nur in Interview-Nebensätzen von Akteuren zu hören, die da bloß persönliche Meinungen absonderten - jetzt aber haben wir es schwarz auf weiß: bei Qualitätsjournalismus made in Austria handelt es sich um an den Bedürfnissen des Publikums vorbeiproduzierten Inhalten.
Nie würde ein Qualitätsmedium österreichischer Provenienz auf die Idee kommen, seine Inhalte nach Publikums-Bedürfnissen zu richten.
Absurd wäre das.
Es wäre zum Beispiel unmöglich, dass ein Magazin seine Titelgeschichten nicht ihrer Bedeutung entsprechend vergibt, sondern nach der Abstimmung am Kiosk, nach Erfahrungswerten, die besagen, dass sich Katzen, Kinder, Gesundheit oder Hitler deutlich besser verkaufen als Kultur, Ökonomie oder Politik, selbst wenn es sich um Aufdecker-Storys erster Ordnung handelt.
Nie würde zum Beispiel Profil so vorgehen.
Nie wäre es etwa möglich, dass eine Qualitätstageszeitung sich regelmäßig mit Hauptschlagzeilen über selber durchgeführte Umfragen dem somit direkt angezapften Bedürfnissen seiner Leser stellt. Noch weniger wäre es möglich, dass Qualitätstageszeitungen sich den Interessen einer kleinen Untergruppe des Publikums, nennen wir sie Mit-Besitzer, beugen. Oder Einzelinteressen von Freunden des Herausgebers, die sich von, sagen wir einer Museumsquartiers-Planung belästigt fühlen. Völlig unmöglich ist es selbstverständlich, dass sich Unternehmen den Bitten von freundlich nachfragenden Gästen des Landes beugen und für diese unangenehme Enthüllungen von ihrer Titelseite nehmen.
Alles absurd bis ins Mark.
Wahr ist vielmehr - und ich bitte um Verzeihung, dass ich es erst jetzt begriffen habe - dass sich Qualitätsjournalismus in Österreich als Gegenstück zur Bedienung von Publikums-Bedürfnissen positioniert hat.
Ich bin stolz und froh, in einem Land zu leben, in dem diese Maxime jeden Tag aufs Neue gelebt und geatmet wird, in dem die unangenehmen aber nötigen Wahrheiten, die ungeschönten Fakten Vorrang haben vor dem Nachdenken über Lesernutzen, Userbindung oder Hörer-und-Seher-Vertretung. Frau Huffington soll sich bei ihrer Abreise aus Wien auch schon warm angezogen haben.