Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Monday Edition, 22-09-14. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 9. 2014 - 16:41

The daily Blumenau. Monday Edition, 22-09-14.

Vorarlberger Wahl-Aftermath samt aufgewärmtem Exil-Juden. Und die Diskurs-Probleme der Rechtshilfe Rapid.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

Vorarlberger Spezifika und der alte Exil-Juden-Irrtum

#landtagswahl #antisemitismus

In Vorarlberg, dem schönen, aber schwach besiedelten Landstrich, in dem weniger Menschen leben wie in Wien 2 - 9, passiert vieles anders als im Rest von Österreich. Und das ist nicht immer schlecht.

So war bei der gestern erledigten Landtagswahl tatsächlich eine Affäre, die direkt vor der letzten Wahl im Jahr 2009 passierte, immer noch Thema: es ging um einen (bewusst gesetzten) antisemitischen Sager des FP-Kandidaten Egger, der seiner Partei damals eine Verdopplung ihres Stimmanteils bescherte.

Die Nachwehen dieser (nie bereinigten) Geschichte poppten vor dem jüngsten Wahltermin wieder auf: nur diesmal brachte das von anderer Seite aufgezogene wiederaufköchelnde, sublim judenfeindliche Gebrabbel der FP nichts.

Das ist in dreierlei Hinsicht interessant.

1) gilt für ein für Xenophobie und Rassismus prädisponiertes Publikum wohl der Grundsatz, dass Aufgewärmtes allein keinen Anreiz bietet.

2) macht die alte Geschichte klar, dass zwischenzeitlich keine weiteren Sager von Relevanz passiert sind.

Diese beiden Punkte verweisen darauf, dass das stockkonservative Vorarlberg zwar stolz auf seine schollenbewusste Verfasstheit ist und sich jederzeit in eine Alpenfestung gegen Auswärtige einreihen würde, sich aber andererseits nicht mit dem modischen Anpatzertum des Ostens (von Straches Wien bis Putins Russland) gemeinmachen will.

Auch der Unterschied zur einstmals erfolgreichen Haider-Taktik, was Nazi-Sager betrifft, ist evident: ein flirrendes Ausstreuen flamboyanter Sager und ihre quasi sofort nachgeschickte augenzwinkernde Entschuldigung, deren Unernsthaftigkeit den Adressaten die Ungestraftheit auch der untergriffigsten Häme direkt in die Seele brennt, geht sich in Vorarlberg nicht aus.
Dort wird zwar auch viel blöd dahergeredet, aber lange drüber diskutiert in klassischer Marktplatz-Kultur-Manier. Das mag Langsam- und Bockigkeit suggerieren, steht aber als westliches Gegenmodell zur Geschwätz-von-gestern-Flapsigkeit des Ostens da.

Zum dritten erzählt die weiterhin unreflektierte Über/Wiederaufnahme des Affären-Titels, dass die transportierenden Medien immer noch nicht so weit denken mögen

So etwas wie einen "Exil-Juden" gibt es nämlich nicht, der Begriff ist in sich ein völliger Holler und eignet sich als perfekter Anschauungs-Unterricht für gesellschaftspolitische Ahnungslosigkeit, die zu verbaler Brunnenvergiftung führt. Dass die Debatte in Vorarlberg trotzdem weiter dieses Signet tragen konnte, ist nur in einem unjournalistischen und diskursfreien Raum möglich.

Also nicht nur in Vorarlberg, sondern in ganz Österreich.

Selbst-, Fremd- und Medien-Bild; und der Kontroll-Versuch

#landfriedensbruch #ultras #hools #rapid #fußballjournal14

Heute gab es die Urteile im langwierigen Prozess um die Ausschreitungen nach einem Testspiel des SK Rapid gegen Nürnberg vor ziemlich genau einem Jahr. 17 Männer wurden wegen Landfriedensbruchs verurteilt; wie auch schon in anderen Fällen der letzten Zeit. Und wie auch z.B. beim Josef S.-Prozess nach dem Akademiker-Ball sind die Strafen durch die U-Haft erledigt.

Das Aufeinandertreffen einer Justiz, die alte Tatbestände neu auflädt um neue Formen von Verstößen zu ahnden mit dem Bereich des jahrzehntealten Problems der von Fußball-Fans, -Ultras oder -Hooligans ausgeübten Gewalt führt in ein hochkomplexes Feld, das das aktuelle Heft des Ballesterer bestmöglich erklärt.

Ich bin deutlich zu wenig Auskenner, vor allem was die neue juristische Dimension betrifft: meine Rolle in der (tatsächlich schon länger zurückliegenden) Vergangenheit war die desjenigen, der scheinbar harmlose Symbole in einen Kontext setzt. Da hat sich zwischenzeitlich vieles gebessert.

Ich erwähne diese Vergangenheit (Stichwort: Neonazi-Probleme bei Fangruppen der Wiener Groß-Vereine) um ein grundsätzliches Problem im Umgang mit dem Prozess klarzumachen. Seit Beginn der aufs Feld der Gerichtssäle verlagerten Kampfzone bemüht sich nämlich die Solidargemeinschaft Rechtshilfe Rapid um eine hochsachliche Informationspolitik.

Im Rahmen dieser Aussendungen ist ein bitterer Unterton zu vernehmen, der die kritiklose Übernahme der Aussagen von Polizei, Justiz, Offiziellen, Verbänden etc. in die (wenigen) Medienberichte einklagt.

Nun könnte man das als Teil der allgemeinen Schwäche der Medien, mit heiklen und kritischen Themen, die "ihr" Feld beschädigen könnten, umzugehen, abhaken. In diesem Fall steckt aber noch mehr dahinter.

In der erwähnten Vergangenheit war es (von mikroskopischen Ausnahmen abgesehen) unmöglich Nachfragen zu Stellungsnahmen von Fan-Gruppen zu relevanten, brennenden Themen zu stellen. Die Folge waren bestenfalls Beschimpfung und pauschale Angriffe . Die damalige Des/Informations-Politik (die nicht zufällig, sondern ganz bewusst so gestaltet wurde) begründete sich auf der Ablehnung jedweder Berichterstattung über das eigene Wirken.

Mit der neuen Qualität der Gegnerschaft, durch die neue Politik der Extremismus/Gewalt-Bekämpfung von Exekutive und Legislative brauchen die Fan-Vertreter was jeder Beklagte in so einer Situation dringend braucht: eine kritische Öffentlichkeit. Das, was seit Jahrzehnten, seit eigentlich immer abgelehnt und verteufelt wurde, ist jetzt notwendig wie ein Bissen Brot.

Nur: die immer schon den Mächtigen verpflichteten Medien interessiert das sowieso nicht; und die wenigen kritischen Berichterstatter, die derlei als ihre Aufgabe ansehen, sind von jahrelanger Ignoranz und Beflegelung natürlich gezeichnet - und entsprechend zurückhaltend, was ihre Positionierung und ihren Einsatz im Rapid-Prozess betrifft.

"Wir sehen es als Aufgabe von Journalisten, eine objektive und ausgewogene Berichterstattung zu gewährleisten.", sagt ein Sprecher der Rechtshilfe, und weiter: "Auch die organisierte Fanszene hat vieles differenzierter betrachtet als es für Außenstehende den Anschein hat."

Nachdem in diesem Fall alle außer den Betroffenen "Außenstehende" sind, kann sich natürlich auch weiterhin kein Diskurs entwickeln. Und das soll es auch nicht: "Der Diskurs wird allerdings nicht öffentlich ausgetragen, auch wenn sich das viele (insbesondere die Boulevardmedien) wünschen würden."

Das ist schade. Auch weil die Solidargemeinschaft da Äpfel mit Birnen verwechselt. Wenn die Boulevard-Medien ihre klassischen Jobs erledigen (nämlich aus zwei Aussagen scheinbare Gegensätze rauszuzutzeln und die Betroffenen gegeneinander auszuspielen), dann hat das nichts mit einem öffentlichen Diskurs zu tun. Der kann nur dann stattfinden, wenn man Positionen offen darlegt und sich einer kritischen Debatte stellt - die den Boulevard eh nicht interessiert, die vielmehr auf den vielen qualitativ hochstehenden Fußball-Sites oder Medien wie dem Ballesterer stattfinden wird.

Diskurs bedeutet über die reine Aussendung und den Wunsch, dass die eigene Position vollinhaltlich transportiert wird, hinauszugehen. Solange das nicht möglich ist, wird sich an der Behandlung der Fan-Szene nichts ändern; nichts andern können.