Erstellt am: 17. 9. 2014 - 16:49 Uhr
"Calle Libre" - Street Art aus Lateinamerika
Der Wiener Donaukanal hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer der größten Freiluft-Galerien Europas verwandelt. Angefangen hat alles mit einer verhältnismäßig kleinen, legalen Fläche in der Nähe vom Flex. Dort durften Sprayer bereits in den frühen 90er Jahren in Ruhe ihre Werke malen.
Michael Hierner
Etwas später wurden dann dank dem Projekt Wiener Wand neue Flächen entlang des Flußufers für Graffiti-Kunst freigegeben. Die Szene hat das dankend angenommen. Nicht alle wussten jedoch genau, wo man jetzt legal malen darf und wo nicht. Vor allem internationale Gäste waren ob der teilweise legalen und teilweise illegalen Flächen verwirrt. Irgendwann waren dann fast alle Wände entlang des Donaukanals bunt. Und irgendwie ist der große Aufschrei ausgeblieben. Ganz im Gegenteil: internationale Reiseführer preisen Spaziergänge entlang des farbenfrohen Ufers mittlerweile als Attraktion an und immer mehr Gäste aus dem In- und Ausland kommen gezielt hierher, um ein Bild in Wien zu malen. Nicht jedes dieser Bilder ist ein Meisterwerk, doch die Qualität nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Calle Libre
Nachdem in den letzten Jahren bereits Wände am Donaukanal von internationalen Künstlern im Rahmen des BLK River-Street Art-Festivals bemalt wurden, widmet sich in den kommenden Tagen ein weiterer Street Art-Event den vielen Flächen am Wasser.
Calle Libre
"Calle Libre" nennt sich das Festival, das in den kommenden Tagen Künstlerinnen und Künstler aus Lateinamerika nach Wien lädt. Zeitgenössische urbane Kunst ist der Fokus. Gemeinsam mit heimischen Graffiti- und Street-Artists werden die internationalen Gäste einige Wände neu gestalten. Interessierte Menschen können diese Gelegenheit nutzen, um dabei zuzusehen, wie großflächige Bilder entstehen, welche Techniken angewandt werden und mit den Künstlern direkt in Kontakt treten. Anhand von Workshops, die im Rahmenprogramm angeboten werden, ist ein tieferes eintauchen in die Materie möglich. Dazu muss man sich allerdings anmelden.
Initiiert wurde das Festival von Jakob Kattner, der sich seit Jahren mit Hip Hop und Street-Art beschäftigt. Bei einer Reise nach Lateinamerika hat er lokale Street Artists und deren Lebensrealitäten kennengelernt. Besonders auffällig war dabei die unterschiedliche Rezeption und Akzeptanz der lokalen Bevölkerung. In Ländern wie Brasilien oder Argentinien erfahren Künstler, die im öffentlichen Raum malen, meist eine andere Reaktion als in westlichen Metropolen. Während hier gerne die Polizei anrückt um Genehmigungen zu checken und Personalien aufzunehmen, steht viele Menschen in lateinamerikanischen Ländern der Kunst in ihren Straßen positiv gegenüber. Nicht selten bringen Bewohner kleine Mahlzeiten oder Snacks für die Künstler und bedanken sich.
"Calle Libre" bei Facebook
Workshops, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Party
Das "Calle Libre"-Festival wird von einem interessanten Rahmenprogramm begleitet. Die Details dazu findet man hier.
Zu den geladenen Künstlerinnen und Künstlern, die zum diesjährigen Festival anreisen, zählen unter anderem Fefe Talavera (Brasilien), Marina Zumi (Argentinien), Akuma (Brasilien), Loomit (Deutschland), Nychos, Busk & Knarf aus Österreich und viele mehr. Hier ein paar Eindrücke diverser Kunstwerke, die von den oben genannten in der Vergangenheit gemalt wurden.
Marina Zumi
Fefe Talavera
Nychos
Akuma
Aufwertung der Stadt
Abschließend bleibt zu hoffen, dass den Verantwortlichen der Stadt Wien das Potential der gratis zur Verfügung gestellten öffentlichen Kunst am Donaukanal bewusst ist.
Dass nicht jedes gemalte Bild eine Auftragsarbeit oder Teil der visuellen Erscheinung eines Gastronomiebetriebs ist, macht den Charme des Donaukanals aus. Hochprofessionelle Arbeiten international anerkannter Künstler koexistieren neben rohen Tags und Graffitis, die zum Teil von Anfängern gemacht wurden.
Daraus ergibt sich ein komplexes Gesamtbild, das den Geist und die Evolution von Graffiti und Street Art im urbanen Raum in allen Facetten authentisch zeigt.
Den Besuchern der Stadt scheint es zu gefallen. Regelmäßig kann man Touristen auf einfahrenden Booten aus Bratislava dabei beobachten, wie sie mit Kameras und Handys begeistert das Flußufer abfotografieren.