Erstellt am: 17. 9. 2014 - 12:31 Uhr
Auf dem Weg zum erwachsenen Medium
Im vergangenen März ist das neue "South Park"-Computerspiel "Stick of Truth" erschienen, auf das viele Fans schon Jahre gewartet haben. Bei "South Park" steht kruder Humor an der Tagesordnung, und das ja schon, seit es die TV-Serie gibt. Doch beim Medienwechsel vom Fernsehen zum Computerspiel hat sich der zuständige Spielevertrieb Ubisoft zu einer seltsamen Handlung entschlossen, und zwar zur Selbstzensur. Zwei Minispielchen mit Analsonden und Abtreibung wurden für den deutschen Markt sicherheitshalber entfernt, und für die Konsolenversionen wurde zusätzlich eine Szene mit Nazizombies mit Hakenkreuzbinden herausgeschnitten - FM4 hat berichtet.
Was etwa in Filmen als künstlerische Darstellung gängige Praxis ist, darüber herrscht bei Computerspielen noch Unklarheit. Dabei kämpfen Jugendschutzbehörden mittlerweile selbst für eine gesetzliche Gleichstellung bzw. Gleichbetrachtung der "alten" Medien und des verhältnismäßig neuen Mediums Computerspiel. Zwei junge Mitarbeiter der USK, der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, die in Deutschland die gesetzlich bindenden Alterskennzeichnungen für Computerspiele vergibt, haben vor kurzem im Rahmen der Gamescom in Köln einen Vortrag über die Verbesserungen bei den USK-Freigaben gehalten und über eine sichtbare Weiterentwicklung bei der Wahrnehmung von Games gesprochen.
Der Sonderweg in Deutschland
USK
Deutschland nimmt mit der USK, also einer bundeseigenen Prüfstelle für Computerspiele, in Europa eine Sonderstellung ein. Der Grund dafür liegt in der knapp zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, kurz BPjM. Ihren Ursprung hat diese jedoch bereits in der sogenannten "Bewahrung der Jugend vor Schmutz- und Schundschriften" aus der Weimarer Republik.
Import aus Österreich
Sind Originalfassungen in Deutschland nicht erhältlich, kauft man sie bequemerweise im österreichischen Onlineshop. Praktisch für heimische Händler.
"Die BPjM kann seit ihrer Gründung vor 60 Jahren rechtswirksam Medien verbieten und macht das auch seither. Die haben angefangen vor allem als Überprüfungsbehörde für nationalsozialistische Inhalte: in Büchern, in Magazinen, in Comics, in Geschichtswerken. Später sind sie über die Gewaltdebatten der 70er und 80er Jahre in Film und Fernsehen auch auf Medien wie Videokassetten, TV-Beiträge, DVDs und letztendlich auch auf die Computerspiele übergegangen", so Paul Dalg, Referent für Jugendmedienschutz Online bei der USK.
Die BPjM kann Spiele indizieren und auf Antrag sogar beschlagnahmen lassen. Indizierung bedeutet: Keine öffentliche Werbung, kein öffentlicher Vertrieb, Verkauf unter dem Ladentisch, wie es gerne genannt wird. Bei der Beschlagnahmung sind Kauf, Verkauf und Verleih komplett verboten, nur noch der Besitz ist straffrei. Das ist etwa bei Games wie "Wolfenstein 3D" oder "Left 4 Dead 2" passiert: Ein sehr harter Eingriff in die Freiheit der Kunst, die wie Zensur wirkt. Seit April 2003 darf die BPjM allerdings keine Indizierungen und Beschlagnahmungen mehr vornehmen, sobald die USK eine Freigabe erteilt hat – also eine Bewertung von "Ab 0" bis "Ab 18".
https://www.flickr.com/photos/jdhancock/
Entscheidungsgrundlage Hakenkreuze
Die meisten Probleme gibt es bei der Darstellung von verfassungswidrigen Symbolen, vorrangig dem Hakenkreuz. Abgesehen von einer unfairen Behandlung des Spiels im Vergleich zum eingangs erwähnten Medium Film, das auch in einem "unterhaltenden" Sinn verbotene Symbole darstellen darf, wurde bei der Jugendschutzbewertung der Spiele die längeste Zeit nicht auf den Gesamtkontext eingegangen. Dass etwa das in einem Nazischloss spielende "Wolfenstein 3D" ein antifaschistisches Spiel ist, tat bei der Beschlagnahmung 1994 offenbar nichts zur Sache. "Left 4 Dead 2" ist erst 2009 erschienen und darf nur in einer speziellen, für den deutschen Markt überarbeiteten Version verkauft werden. Da ist es aus wirtschaftlichen Gründen nur verständlich, dass die Verlage hier schon vorab Maßnahmen ergreifen, um schlechter Presse und unerwarteten Kosten aus dem Weg zu gehen.
Es bräuchte einen Musterprozess, der diese ungleiche Behandlung anhand eines konkreten Beispiels thematisiert - das würden auch Paul Dalg und Ruben Schwebe als Vertreter der USK begrüßen. Doch will man denn als Computerspieleverlag einen Prozess dafür anstrengen, dass man ohne Sorge auf Indizierung bzw. Beschlagnahmung Hakenkreuze in sein Spiel tun darf? Besonders sympathisch kommt diese Forderung ja nicht rüber, also wäre das PR-technisch ein hohes Risiko. Besser wäre schon ein konzertiertes Vorgehen mehrerer Firmen mittels einer Sammelklage.
Was sich verbessert hat
Länderübergreifender Jugendschutz
Vor vier Jahren ist die IARC (International Age Rating Coalition) gegründet worden. Der Verlag reicht sein Produkt dort einmal ein und bekommt für alle beteiligten Regionen der Welt Freigaben.
Doch immerhin: Bei der USK würde seit den letzten zehn Jahren immer mehr auf die Inhalte der Spiele und ihre jeweiligen Geschichten eingegangen, so Ruben Schwebe und Paul Dalg im Interview mit FM4. Die Personen, die die Spiele sichten und bewerten, würden sich mittlerweile mehr mit der aktuellen Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen und trauen ihnen mehr zu. "Betrachtung der Gesamtheit" nennt das die USK trocken, aber treffend, und verweist im Vortrag in Köln auf Spieleserien wie "Gears of War" oder auch "Wolfenstein", die in ihren aktuellsten Teilen - im Gegensatz zu früher - Freigaben bekommen haben.
Robert Glashüttner
Interessanterweise ist die USK hier - im Gegensatz zum europäischen Jugendfreigabesystem PEGI (Pan European Game Information) - bereits einen Schritt weiter. Denn die PEGI klopft, ziemlich oldschool, die Spiele weiterhin auf Inhalte wie "Gewalt", "Vulgäre Sprache" und "Drogenkonsum" ab, die dann in Form von eigenen Symbolen auf den Spielepackungen angebracht sind und die Gesamtbewertung beeinflussen. Das führt etwa dazu, dass im gerade erschienenen "Bernd das Brot"-Spiel die USK eine "Ab 0"-Bewertung vergibt, die PEGI jedoch eine Kennzeichnung "7+", weil "Gewalt" im Spiel vorkommt. Demnach hätte wohl auch das Springen auf die Goombas in "Super Mario Bros." zumindest ein kleines Gewaltproblem.
Doch im Gegensatz zur (in Deutschland) rechtsverbindlichen USK-Freigabe, stellt PEGI nur Empfehlungen aus. Dennoch können Länder und deren Bundesländer diese nutzen, um sie gesetzlich zu verankern – das machen etwa Kärnten und Wien.
Die Lage im Netz
Für Games, die rein online vertrieben werden, besteht keine Notwendigkeit für ein offizielles USK-Logo, denn im Netz gilt in Deutschland das Jugendschutzgesetz nicht. Online-Inhalte fallen unter den Rundfunk ("Telemedien"), und für den Rundfunk ist der sogenannte Jugendmedienschutzstaatsvertrag relevant. So weit, so konfus - und reif für eine Novelle.
Die USK ist sich jedenfalls der Tatsache bewusst, dass man das Internet nicht abschließen kann. Deshalb wird für den Online-Bereich einerseits auf Jugendschutzsoftware (etwa Jugendschutzprogramm.de) gesetzt, vor allem aber werden Eltern angehalten, sich selbst und ihren Kindern Medienkompetenz beizubringen, sprich: Eltern sollen mit ihren Kindern spielen, die Faszination verstehen, übers Spielen sprechen. Da Computerspiele durch die Interaktivität wesentlich anders funktionieren und oft intensiver wahrgenommen werden als andere Medien, ist ein Verlieren im Spiel in vielen Fällen die größere Gefahr als die Darstellung bestimmter "jugendgefährender" Inhalte. Darüber hinaus ist jeder Mensch anders als die anderen. Das sogenannte Elternprivileg besagt, dass Eltern am Ende des Tages ihr Kind am besten kennen sollten und deshalb entscheiden dürfen, was sie ihm in welcher Form zumuten.