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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 9. 2014 - 20:59

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 16-09-14.

Der Verleger als journalistisches Leichtgewicht. Zu den Österreichischen Medientagen.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#medienpoltik #medienkonvergenz #medienbefindlichkeit

In der senioritätsstrotzenden Eröffnungsrede zu den Österreichischen Medientagen übte der veranstaltende Verleger Manstein heute vormittag heftige Kritik an der einander bemitleidenden Schulterklopferei der heimischen Medien-Podien; wohl weil er solche fernhalten wollte bei der 21. Auflage seiner Veranstaltung. Um dem Titel des zweitägigen Szene-Aufmarsches, nämlich Re-Invent Media, einigermaßen gerecht werden zu können.

Im allerersten Panel des Tages jedoch passiert dann folgendes: Die obersten Medien-Mächtigen des Landes erklären anschaulich und nüchtern den fehlenden politischen Medien-Diskurs und die deshalb seit Jahren im Argen liegenden Rahmenbedingungen unter denen fast alle Teile der Branche leiden, woraufhin der in Deutschland tätige österreichische Medienmanager Mahr bei seinem nicht nur gefühlt 21sten Auftritt die im Land verbliebenen Akteure der Mutlosigkeit zeiht (wobei er allerdings die Tatsache, dass er als politisch supervernetzter Günstling leicht reden kann, außer Acht lässt - nicht die erste und nicht die letzte Nebelgranate bei dieser Branchenfachtagung) und dafür Applaus bekommt.

Denn der Keynote-Speaker davor, der hatte das ausgestrahlt; ebenso wie dann zwei weitere Impulsreferierende aus Deutschland - egal ob RTL, Gruner & Jahr oder Burda: Optimismus. Nicht genau wissen wohin man gelangt, wenn man die vielen wichtigen Punkte, die man selber aufgestellt und elegant benamst hat, auch befolgt, aber immer forsch voranschreiten.

Die österreichischen Teilnehmer bewegen sich gefühlslagentechnisch anderswo: sie sind fatalistisch, sarkastisch und frönen dem Ausmalen des worst case. Sie erkennen ihre eigene Unzivilisiertheit (Copyright Brandstätter) und bieten - ganz offensiv - keine Rezepte dagegen an.

Das ist durchaus im sympathischsten aller Sinne österreichisch und durch und durch undeutsch.

Es hat aber auch, und da hat der Eröffnungsredner recht, mit der immer gleichen Dramaturgie der heimischen Medientreffen zu tun; zu deren Festigung auch die Medientage selber beigetragen haben.

Und es sind nicht nur die österreichische Podiums-Diskussions-Unsitten a) zu viele Teilnehmer reinzustopfen (wegen diverser Proporz-Ängste) und b) sich durch langatmiges, oft selbstverliebtes Gerede dem Thema zu entziehen und c) durch entweder konsensheischende oder entwicklungsresistente Moderation jede Bewegung zu blockieren.
All das (und all das ist auch am ersten Tag der Medientage wieder gehäuft passiert) ist es auch. Aber eben nicht nur.

Viel problematischer sind die sehr vagen Fluch-oder-Segen-Themen, die vielleicht in Deutschland geschulten Diskutanten Konkretes entlocken können, die aber im eh prinzipiell am so wenig konkret wie möglichen interessierten Österreich Notausgänge in jede Himmelsrichtung bieten.

Das allergrößte Hindernis ist aber die hierarchische Besetzung. Wie im höfischen Zeremoniell unter Franz-Joseph wird in Ständen geschichtet, in Kasten gesiebt. Es gibt die große (quasi afrikanische) Elefanten-Runde, dann die kleine, quasi indische, dann eine Runde in der die Adlaten sitzen dürfen. Dazu kommen noch ein paar extern gehostete Panels, die weiteren quer eingezogenen Hierarchien (etwa aus PR oder Marketing) gehorchen müssen. Die Absurdität in der Zusammenstellung der Medientage-Panels zeigt sich am besten im morgen Vormittag angesetzten Aufeinandertreffen von vier Verlags-Erben, deren Thema schlicht ihr Sein werden wird.

Es sind nämlich keine Medientage, sondern Verleger-Tage. Es ist eine Veranstaltung, die nicht darauf abzielt eine Branche abzubilden, voran zu bringen oder kritisch zu beleuchten.

Es sind keine Journalisten-Tage, wie es sie in Deutschland in qualitätsvoller Dichte gibt - und wie sie in Österreich gerade erst entstehen.

Es sind keine Journalismus-Tage, die sich der Entwicklung eines Berufsbilds verpflichtet sehen, und dabei auch Ausbildungs-Institutionen oder ethische Komponenten berücksichtigen.

Es sind auch keine Medientage deutscher Prägung, die ganz gezielt sehr konkrete, kleinteilige Themen ansprechen und den Fokus auf das Große Ganze über den Blick aufs Detail fahren, also einen auszulotenden Bereich über geschicktes Themenmanagement aufrollen.

Es sind Verlegertage, darauf angelegt einander sein Leid klagen zu können, schwarze Peter zuzuschieben und die taffen Deutschen ein bisserl anzuhimmeln. Es sind Treffen, die dazu dienen, sich einmal im Jahr auf Augenhöhe auszutauschen, auf jener der Bosse.

Nun sind aber die Verleger, die Bosse allermeist keine Journalisten, und also echt schlechte Programm-Macher und dramaturgische Leichtgewichter. Und als solche werden sie den Kern der Problematik einfach nicht zu fassen kriegen, weder sich selbst noch anderen begreiflich machen können.

So sieht die Tagung dann eben auch aus. Weil sie in allererster Linie dazu dient die Befindlichkeiten der Verlegerschaft, der Platzhirsche und Wichtigmänner wahrzunehmen, kann sie gar nicht konzis sein. Weil die Rücksichtnahme auf die versammelten Eitelkeiten der Branchenspitze über allem steht, müssen sich die Panels der Medientage in fatalistischen Elogen verlieren und so wiederum den Mahr immer zu seiner (im Grunde richtigen) Mehr-Mut-Arie anstiften.

Echte Medientage, Branchentreffen, die eine Verschlagwortung wie "Re-Invent Media" mit Inhalten befeuern sollen, können nicht von Verlegern und anderen Medien-Bossen getragen werden oder - genauso schlimm - ausschließlich auf sie Rücksicht nehmen. Sie müssen von jenen ausgerichtet werden, die die Kraft für die Neuerfindung haben, mutige Ideen zumindest einmal anzudenken.

Und das sind - zumindest in Österreich - definitiv nicht die oberen Chargen. Dort sind, nicht erst seit der Wirtschaftskrise, sondern bereits seit den allerersten Medienkrisen in den 90ern, die Abwäger und Lieber-nichts-Riskierer daheim. Die Ausnahmen, jene, die wissen, wo ihre Stärken liegen und die inhaltliche Arbeit den an der Medien-Front Erfahrenen überlassen, sind zu wenige, um sich in einer Szenerie der Schulterklopferei durchzusetzen, einer Szene wie sie der veranstaltende Verleger in seinem Intro beschrieb. In der Hoffnung das Unheil so zu bannen.

Dieser Re-Invent ist - zumindest heuer - sicher nicht gelungen.