Erstellt am: 17. 9. 2014 - 10:33 Uhr
Annas Hasenfußliste
/slash Filmfestival
Festival des fantastischen Films, von 18. bis 28. September im Wiener Filmcasino Alle Infos hier!
- Weiterlesen: Christian Fuchs über den herandräuenden Horror-Herbst in Wien
Wenn die Startseite von Youtube Benutzerinnen-generiert ist, dann verrät sie einiges über meine Bewegtbild-Recherchen der letzten Zeit. Da schaut mir, jedes Mal wenn ich den Du-Kanal öffne, mit silbern blitzenden Augen ein schwarzer Hundekopf auf fell-überzogenen Spinnenbeinen entgegen. Das Monster nennt sich "Mutant Giant Spider Dog" und ist selbst für schreckhafte Wesen nicht mehr als das Werk eines halblustigen Bastlers. Das erinnert mich an die flammenden Bonsai-Kitten-Befreiungs-Emails, die vor vielen Jahren selbst von dezidierten KatzenhasserInnen verschickt wurden ("man kann doch kein Lebewesen einrexen!!!"). Aber wahrscheinlich sind wir mittlerweile einfach etwas weniger leicht zu irritieren, wenn uns ein derartiger Aufruf erreicht oder ein Spinnenhund aus dem Netz entgegenlacht.
Doch nun in medias res: ich versuche mir auch heuer wieder einen Blut- und Beuschelfreien Weg durch das Programm des /slash Filmfestivals zu bahnen. Dass dieser Weg dennoch nicht harmlos sein muss, gebe ich zu bedenken und ich gebe auch keine Garantie auf Nicht-Fürchten ab. Jedes Angsthäschen ist ein Individuum und macht dabei auch unterschiedliche Phasen durch. Ich zum Beispiel fühle mich heuer recht mutig. Beginnen wir dennoch mit:
mostly harmless
Vormals ein von Bekannten und Freunden gemobbter underdog, wird Melvin Ferd III durch einen Absturz in ein Fass mit Atommüll zum Superhero: "The Toxic Avenger" is born. Zwar sind ihm durch den Unfall die Augen ein wenig verrutscht und auch sonst schaut er mehr aus wie ein Monster, aber in seiner Brust schlägt ein giftfreies Herz. Er tritt für die Unterdrückten und Bedrohten ein, den Bösewichten und Tunichtguten flößt er Eiscreme ein, bis sie ersticken, umwickelt sie mit Stahlbalken oder zerreißt sie einfach. Der Regisseur dieses Kultfilms von 1984 (vier Jahre vor Tschernobyl) und Troma Entertainment Gründer Lloyd Kaufman wird das /lash Filmfestival besuchen und da wäre es nicht uninteressant, ihn zu fragen, in was für eine Flüssigkeit man heute fallen müsste, um zum Superhero zu werden.
slash Festival
Ebenfalls einiges zu lachen gibt es mit "What we do in the shadows" und "Knights of Badassdom", wobei letzterer - das muss gesagt werden - auch ziemlich blöd ist: ein junger Mann, der gerade von seiner Freundin verlassen wurde, gibt sich die Dröhnung und erwacht am nächsten Morgen in Ritterrüstung in einem Kofferraum. Seine beiden Wohnungsgenossen haben ihn ungefragt zu einem LARP-Wochenende mitgenommen – man verkleidet sich mittelalterlich, redet mittelalterlich und tut ganz so, als wäre der Wald rund um den Parkplatz in miteinander konkurrierende Königreiche unterteilt. Lustig (okay: blöd lustig) sind die Charaktere und einige (okay: viele) Dialoge. Dadurch kann der schaurige Twist, der durch ein fehlgeschlagenes Ritual (wunderbarer Satz, nachdem einem Ritter ein Buch ins Gesicht gesprungen ist: "the book fucked up your face") entsteht, einen Angsthasen nicht ernsthaft aus der Reserve locken.
Ich bin ein Fan von Mockumentaries, die aus einer Zeit stammen, als es die Genrebezeichnung noch nicht gab, "A Hard Day's Night" und "Das Fest des Huhnes" zum Beispiel. "What we do in the shadows" ist zwar etwas zu offensichtlich als Parodie gedacht und die beiden Regisseure und Hauptdarsteller hätten es mit ihrer Doku über die sensationelle Entdeckung einer seit Jahrhunderten bestehenden Vampir-WG (inklusive Kaminschaufel-Sammlung, SM und Hypnose) ruhig ernster nehmen können, aber dass sie den komödiantischen Wert dieser Entdeckung erkannt haben, kann man ihnen nicht verübeln.
/slashfestival
Der mit den Realitäten tanzt
Außer jeglicher Konkurrenz firmiert "La Danza de la Realidad", der erste Film von Alejandro Jodorowsky seit zwei Jahrzehnten. Der in Paris lebende 85-jährige Filmemacher, Surrealist, Magiker (seit Jahren spricht er in Pariser Cafés über Tarot, das Unterbewusstsein und Metageneologie) reflektiert in "La Danza de la realidad" über seine Kindheit in Chile als Sohn eines stalinistischen Vaters und einer Arien-schmetternden Mutter. Im Guardian ist ein sehr lesenswerter Artikel zum Film erschienen.
Der Horror der Vorstadt
Dass hinter den geschliffenen Fassaden, geschlossenen Garagentüren und frisch gewaschenen Vorhängen alles, nur nichts Gutes steckt, weiß man spätestens seit "Twin Peaks". Der Film "Suburban Gothic" (von "Excision"-Regisseur Richard Bates Jr.) nennt sich zwar genauso wie das Genre, macht aber wahrscheinlich genau deswegen einen Ausfallschritt in Richtung Vorstadt-Horror-Komödie. Raymond (gespielt von Matthew Gray Gubler, der schön ist, aber auch sehr eingebildet) hat keinen Job und muss wieder bei seinen Eltern einziehen. Dort entdeckt, verfolgt und beschwört er – mithilfe einer alten Bekannten (Kat Dennings, die ihrem Kollegen Gubler das Divaeske auszutreiben versucht) – das Paranormale in Gestalt eines Geistes.
/slashfestival
Psycho Grenzüberschreitungen
Wer zwar kein Blut sehen kann (oder nur ganz wenig), dafür aber über starke Nerven verfügt, lege ich "Oculus" ans Herz (und gebe zu, dass ich ihn mir streckenweise ohne Ton angeschaut habe). Er dreht sich um einen alten Spiegel, der seine Besitzer zu Bestien macht. Behauptet zumindest Kylie, als ihr Bruder Tim aus dem Gefängnis entlassen wird. Tim will von allem, was damals passiert ist, nichts wissen. Wie immer bei guten Psycho-Thrillern, wäre es überhaupt nicht tragisch, hier die gesamte Geschichte zu verraten, denn der Effekt des psychischen Schauders entsteht allein durch eine langsam durch Gänge und um Ecken schwebende Kamera, leise Musik, laute Originaltöne (die knarzende Stiege wirkt einfach immer) und die durchdacht manipulative Montage.
Wer nach "Oculus" noch nicht genug hat, zieht sich noch "The Honeymoon" rein ("something bad happened to me in the woods"): die Geschichte eines frisch vermählten Ehepaares, das seine Flitterwochen in einem entlegenen Waldhäuschen verbringt. Sehr unheimlich.
Aber zum Glück beginnt in etwas über einem Monat die Viennale. Dann können wir Angsthäschen uns beim französischen Autorenkino erholen.