Erstellt am: 16. 9. 2014 - 16:41 Uhr
Verhetzung neu, Vorratsdatenspeicherung neu?
Erst vor drei Jahren wurde in Österreich zum letztenmal ein „Anti-Terror-Paket“ geschnürt. Darin enthalten: Der Anti-Mafia-Paragraf (aufgrund dessen etwa der Tierschützer-Prozess geführt wurde) sowie die Ausweitung der Befugnisse der Polizei durch das neue Sicherheitspolizeigesetz.
Zeitsprung ins Jahr 2014: Am Montag hat die ÖVP-Regierungsriege (Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Justizminister Wolfgang Brandstetter und Vizekanzler Reinhard Mitterlehner) ein neues Maßnahmenpaket vorgeschlagen - als Reaktion auf den Zulauf zur Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien und Irak. Gewünscht sind Verschärfungen von Strafrechtsbestimmungen, z.B. beim Tatbestand der Verhetzung, und auch eine Wiederauferstehung der Vorratsdatenspeicherung hat die ÖVP im Sinn.
APA/HERBERT NEUBAUER
Zuständig für die Überwachung von Personen, die terrorverdächtig sind, ist in Österreich das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Mutmaßliche Dschihadisten seien seit 10 Jahren auf dem Radar des Verfassungsschutzes, sagt dessen Direktor Peter Gridling. Denn im Jahr 2004 hätte es die ersten Fälle von Personen gegeben, die aus Österreich ins Ausland (damals nach Afghanistan) gegangen sind, um dort zu kämpfen - heute seien es Irak und Syrien. Wie schätzt Peter Gridling die Gefahr islamistischen Terrors in Österreich ein? „Sie wächst mit der Zahl von radikalisierten Personen mit Gewalterfahrung, die aus diesen Gebieten zurückkommen. Aber auch mit Personen, die sich möglicherweise hier entsprechend radikalisiert haben. Ich möchte aber gleich dazusagen: Wir haben derzeit keine Informationen, die auf eine konkrete Anschlagsplanung oder Anschlagsgefahr hindeuten.“
Der Aufruf zur Gewalt gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen stellt in Österreich den Straftatbestand der Verhetzung dar – in Zukunft soll das laut Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bereits ab einer Zuhörerschaft von 10 Personen gelten. Bisher ist Verhetzung erst vor einer Menge von mindestens 150 Menschen strafbar. Peter Gridling: „Das trifft natürlich nicht die Radikalisierung, die in Wohnungen oder Gebetsräumen stattfindet. Dort ist die Personenanzahl deutlich geringer. Deswegen wäre eine Herabsetzung für unsere Ermittlungen ein begünstigender Umstand.“ Ermittlungen, in denen die Überwachung von Personen eine große Rolle spielt. Deshalb will die Regierung auch gleich die Vorratsdatenspeicherung wiederbeleben.
Vorratsdatenspeicherung neu
Die VDS wurde im Juni vom Verfassungsgerichtshof als unverhältnismäßig gekippt. In der Terrorismusbekämpfung wäre sie aber nach wie vor ein sinnvolles Werkzeug, sagt Peter Gridling: „Ich begrüße den Vorstoß von Justizminister Brandstätter. Denn er hat richtig erkannt, dass die Vorratsdatenspeicherung ein gutes Instrument ist, das man für die Bekämpfung von Schwerkriminalität heranziehen kann. Sie ermöglicht einerseits, Verflechtungen und Netzwerke relativ rasch zu erkennen, und andererseits, die Ermittlungen auf die richtigen Personen zu konzentrieren.“ Dass in der Vergangenheit die Vorratsdaten überwiegend zur Verfolgung von Diebstählen und Stalking angefordert wurden, liegt laut Peter Gridling am alten, zu weit gefassten Gesetz: „Der Justizminister hat klar gesagt: In Zukunft muss der Fokus bei Terrorismus und schweren Straftaten liegen.“
Verschärft werden soll laut Innenministerin Mikl-Leitl in Zukunft auch das Abzeichengesetz: Die Symbole von 19 Terrororganisationen sollen verboten werden, darunter auch Al-Kaida und der Islamische Staat. Peter Gridling ist der Meinung, dass auch hier präzise vorgegangen werden sollte. „Man muss zuerst erheben, wie die einzelnen Symbole beschaffen sind. Sind sie in dieser Form für diese Terrororganisation charakteristisch? Schwierig wird das, wenn allgemeine religiöse Symbole verwendet werden. Es wird einer sorgfältigen Ausarbeitung bedürfen, damit man mit dieser Maßnahme die richtigen trifft.“
Die Zustimmung zu den Plänen erscheint vorsichtig - trotzdem wirkt es ein bisschen so, als sei die Wunschliste des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bei den ÖVP-Regierungsmitgliedern gut angekommen.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass neue Gesetze oft andere Personen betreffen als bei ihrer Einführung angekündigt - der VGT-Prozess aufgrund des "Anti-Mafia"-Gesetzes und die Überwachung von gewöhnlichen Dieben aufgrund der Vorratsdatenspeicherung sind die prominentesten Beispiele. Es wäre wünschenswert, dass diesmal mit mehr Augenmaß an die Gesetzesvorhaben herangegangen wird.
Die SPÖ hat die Vorschläge ihres Koaltionspartners begrüßt. Der FPÖ gehen die geplanten Maßnahmen nicht weit genug. Neos und Grüne lehnen eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ab.