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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 9. 2014 - 18:44

The daily Blumenau. Friday Edition, 12-09-14.

Der Weg aus der Medienkrise. Eine Vision.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#medienpolitik #digitalsm

1

Die FAZ ist schuld.
Sie ballert heute einen Feuilleton-Aufreger unter dem Titel Schafft den Online-Journalismus ab raus, dass der Branche nur so die Ohren schlackern.
Okay, der Titel kommt im Text dann gar nicht vor.
Niemand fordert eine Abschaffung.
Nicht einmal Beschränkungen oder so.
Es geht schlicht um den Debattenstand im öde gewordenen Match Analog vs. Digital und aus Anlass eines womöglich echten 20-Jahre-Jubliäums der ersten Online-Medien müht sich ein Freiherr Müller von Blumencron um historische Aufarbeitung, stellt (wow!) einen Info-Overflow fest und bittet um ein Fehden-Ende samt Neustart der Diskussion unter dem Label "Was ist guter Journalismus".
Also eh ganz seriös alles.
Bis auf den Titel.
Der passt so gut wie "Putin muss bluten" über eine Geschichte zum ukrainischen Friedensprozess oder "Obama findet IS eigentlich geil" über einen Artikel zu den US-Maßnahmen.
Echter Qualitätsjournalismus also.

2

Aber darum soll es nicht gehen.
Diese in sich kuriose Geschichte hat mir - implizit, via assoziativem Geistesblitz - die Lösung der österreichischen Medienkrise offenbart.
Der Freiherr (Chefredakteur für Digitale Medien bei der FAZ) erzählt im Verlauf seines Exkurses ja auch wieder die klageliederne Geschichte des noch nicht gefundenen Geschäftsmodells fürs Digitale; und lässt dabei sowohl die Business-Seite als auch den ethischen Anspruch der deutschen Medien-Verlage nicht außen vor.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo Verlage zum Teil Industrie-Giganten sind, die mit der somit erworbenen Macht selber Politik machen, ist es in Österreich (mit Ausnahme der Kronen-Zeitung) umgekehrt: Interessens-Verbände und Wirtschafts-Konglomerate halten sich Verlage und Medien um sicherzustellen, dass ihre Interessen geschützt werden. Gewinn ist eine schöne Sache - die meisten österreichischen Medien mit politischem, wirtschaftlichen oder kulturellen Anspruch (die special interest-Medien, die eh keinen Journalismus, sondern nur mehr Anzeigenumfeld anbieten, nehme ich natürlich aus; in jeder Hinsicht) sind fette Verlustgeschäfte, die von ihren Besitzern als Preis für die Machterhaltung in Kauf genommen werden. Rechnen tut sich's maximal im Gesamtangebot.

3

Öffentlich wird dies - falls es überhaupt Erwähnung findet; in welchen Medien auch. den eigenen sicher nicht, auch die wenigen anderen sind diesbezüglich lieber vorsichtig - anders interpretiert: zum einen ginge es nicht um politische Machterhaltung, sondern engagierte gesellschaftliche Stellungnahme, die dann eben im Interesse von guten Katholiken, Genossenschaftern oder Wirtschaftstreibenden agiert, zum anderen wäre die Gewinnlosigkeit kein ächzend zu zahlender Preis, sondern eine weltläufige Inkaufnahme als vorbildlicher Philanthrop inmitten eines weltanschaulich integrierten Altruismus.

Womit die Einflussnehmer (zumindest im Bereich der Qualitätspresse, der Magazine und auch der meisten Semi-Boulevard-Medien) also ihr Geld verlieren oder zumindest nicht vermehren, ist also eigentlich egal. Wichtig wäre nur die Beibehaltung der Botschaften und die Gewissheit ihrer flächendeckenden Ankunft.

Das jedoch wird in absehbarer Zeit nicht mehr im Print-Bereich sein; zumindest nicht allein - und in jedem Fall nicht im höchstprozentigen Bereich, wie es aktuell gehandhabt wird.

4

Eigentlich können die heimischen Verlage also die Ansprüche ihrer Geldgeber künftig nur dann erfüllen, wenn sie ihre Angebote systematisch ins Netz verlagern: denn die nachrückenden Medienkonsumenten, die die gar keine Zeitungen/Zeitschriften lesen oder sie maximal online konsumieren, sind dort daheim.

Die Praxis zeigt ein anderes Bild, ein Festhalten an alten Gewohnheiten. Dass die Verlags-Sponsoren strategisch so sehr gegen ihre eigenen Interessen und den einzigen Grund für die Existenz vieler ihrer Medien handeln, kann nur einen Grund haben: sie werden dementsprechend beraten. Also schlecht, oder bewusst falsch.

Natürlich ist es den Medien-Mogulen auch wichtig für eine bestimmte Klientel bestimmte folkloristische Rituale aufrecht zu erhalten: eine konservative Polit/Wirtschafts-Tageszeitung etwa, die die industrielle Peer-Group einfach selber gerne täglich in der Hand halten will etwa. Einflußnahme auf das Wahlvolk wird damit aber bald nicht mehr möglich sein.

Das geht entweder über die ganz anders (quasi-staatlich) finanzierte Gratis-Presse oder übers Netz, über Gratis-Online-Journalismus mit Posting-Narrenfreiheit, Social Media inclusive.

5

Die Mächtigen hinter Österreichs könnten also, wenn sie ihr Selbstverständnis ernst nehmen und keinen ÖVP-mäßigen Selbstzerstörungs-Mechanismus eingebaut haben, eine Vorreiter-Rolle in der Medien-Konvergenz-Krise der westlichen Welt einnehmen. Österreich könnte, ähnlich wie im Telekommunikations-Bereich, wo man als Testmarkt für europaweite Verblüffung gesorgt hat, Maßstäbe setzen.
Eigentlich.
In einer besseren Welt; innerhalb einer absurden Szenerie.