Erstellt am: 11. 9. 2014 - 18:08 Uhr
Die Intimität ist ein Overload aus Kunststoff
Das publikumsscheue schwedische Duo, das die Welt bislang unter dem Namen "jj" gekannt (hält sich in Grenzen) hat, nennt sich nun, mit Erscheinen seines dritten Albums namens "V", offiziell "JJ". Sicherlich, nur eine kleine, alberne Formalität, ein minimales Neu-Tuning eines schon von Anfang etwas ärgerlichen Namens. Eine Buchstabenkombination, die sich um Mysteriösität, eventuelle Schwergooglebarkeit und Blog-Hipness allzu sehr zu bemühen schien. Dass Elin Kastlander und Joakim Benon ihr musikalisches Unternehmen mittlerweile in Großbuchstaben schreiben, markiert dennoch einen sanften Neubeginn. Sind wir erwachsen geworden? Reif gar?
JJ
Ein seriöses Alterswerk will man von einer Band wie JJ nicht erwarten. Bislang waren JJ immer am besten, wenn sie ihre sensiblen Dreampop-Schmachtereien mit billigem Synthie-Prunk gekreuzt haben, mit frech geklauten HipHop-Zitaten, mit überzogenen Drogen-Referenzen. Mit einem pompösen Proll-Schick, der in Opposition zu den sonst dünnhäutigen Liebesliedern von JJ steht. Ein Schuss durchs Internet, eine Überlagerung von Rap, Disco und balearischem Sunshine-Pop mit Düsternis, Zerbrechlichkeit, Schmerz in den Texten. Oder andersherum, finster und schwerfällig wabernde Depro-Soundscapes als Unterlage für Lyrics über Hyper-Party und Kokain.
In ihren Songs haben JJ Fetzen, Texte, manchmal gleich ganze Melodien, aus Stücken von Lil Wayne, Kanye West oder Jay-Z in neue Zusammenhänge gesetzt. Diese Umdeutungen leben zunächst von komischer Reibung, ihrer Gimmick-haftigkeit, von Spaß, nicht unbedingt von traditionellen Songwriter-Qualitäten.
Auf ihrem neuen, wieder sehr guten Album haben JJ auf Samples und das Neueinspielen bekannter Melodien zum Zwecke der Signalwirkung verzichtet. Es ist eine Platte, die von den beiden Menschen Elin Kastlander und Joakim Benon handelt. Ihrer Liebe. "V" spritzt und blinkt nicht schrill, die Platte überzeugt mit quiet Quality. Was aber nicht bedeutet, dass sie nicht reich und üppig wäre. Diesmal jedoch haben sich JJ für den akustischen Rückzug unter die heimelige Bettdecke entschieden und streifen den Dancefloor nur noch durch wärmende Erinnerungen. Das Schmusen und Nachgrübeln im kargen Heimstudio wird von künstlichem Pomp begleitet. Privatmelancholie und Digital-Pathos im prickelnden Zungenkuss.
Secretly Canadian
Streicher schwelgen, mitunter finden wir uns wie in einem besonders gefühligen Score von Hans Zimmer wieder. Akustische Gitarren, weich singende Steeldrums, New-Age-hafte Synthesizer-Esoterik, Softrock – und dann gibt es da, ein-, zweimal, eine zart, ganz zart aufspielende E-Gitarre, ein komplett sich spürendes Solieren, das Bryan Adams und alle cool dads der Welt sicher gerne in ihr Repertoire aufnehmen werden.
Ge-autotunete HipHop-Einlagen tauchen hier nur noch selten und punktuell auf, der Fokus liegt auf Elin Kastlanders purer Singstimme, die sich mittlerweile von einem schüchternen Hauchen zu Selbstsicherheit gedreht hat – die Magie des Nebulösen, nicht Greifbaren ist geblieben.
Während "V" so auf zu eindeutige musikalische Diebstähle verzichtet, greifen die Texte tief ins Füllhorn der Musikgeschichte: Zeilen von beispielsweise Robyn oder Leonard Cohen haben JJ in ihre schlicht-naiven Lyrics gewoben, Phrasen, die man schon aus hundert Liebesliedern zu kennen glaubt, Klassiker: "It's My Party And I Cry If I Want To". So entsteht abermals eine weirde, wieder leicht neue Versuchsanordnung. Intime, im Herzen gewachsene Lieder über die Sehnsucht und die Umarmung, getunkt in Plastik. Große Musik für die Trauer, für das Glück und das Glühen in der neuen Welt.