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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 9. 2014 - 21:10

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 10-09-14.

Kommissarische Besetzungen, Flatscreen-Opfer und Ressourcen-Verplemperer: Kurzmeldungen aus Außen- und Innenpolitik und Sport.

The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Kommissare zweiter Klasse. Die EU setzt Prioritäten

#machtpolitik #bildungspolitik

Sieht man nicht genauer hinter die Schlagzeilen, dann hat der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn bei der heutigen Bekanntgabe der Zuständigkeiten der zur Quasi-Regierung aufgewerteten 28-köpfigen Kommission einen tollen Job ausgefasst. "Nachbarschaftspolitik und Erweiterung", da ist er mittendrin in den Brennpunkten. Aktuell im eskalierenden Ukraine-Konflikt, demnächst vielleicht mit den umzumeldenden Schotten, mittelfristig im schwierigen Umgang mit der Türkei, langfristig etwa auch in der Einbindung von Schurkenstaaten wie der Schweiz.

Nur: Hahn ist - wie seine Kollegen aus Spanien, Polen, Frankreich oder Großbritannien - in die zweite Reihe zurückgestuft worden; als Kommissar des B-Zugs ist er einem der neuen sieben Vizepräsidenten unterstellt, ohne deren Zustimmung er etwa nichts auf die Tagesordnung setzen kann, braucht er das Okay der Vize für Außen-Angelegenheiten, der Italienerin Federica Mogherini.

Das sieht wie ein exzellentes Instrument für Kommissionsboss JC Juncker aus, die unterschiedliche (oft mangelnde) Qualität der von den jeweiligen Regierungen entsendeten Kommissären auszugleichen. Dafür würde etwa sprechen, dass der deutsche Problembär Öttinger, der klassische Fall eines nach Brüssel weggelobten Anti-Experten für alles, zwar die "digitale Agenda" umgehängt bekam, sich aber unter einen ausschließlich für digitales zuständigen Vizepräsidenten unterordnen muss. Auch die Vertreter von London und Paris, deren Kurs die Kommission zu torpedieren drohte, sitzen auf solchen Posten zweiter Klasse.

Nur ein Fall gibt extrem zu denken. Der Ungar Tibor Navracsics ist zuständiger Kommissar für Bildung und Kultur, einem Ressort für das kein übergeordneter Vizepräsident so richtig zuständig ist.
Navracsics ist Teil der EVP-Fraktion, die noch immer kein Problem darin erkennen kann, dass die Fidesz unter Viktor Orban nicht mehr nur symbolisch sondern expressis verbis demokratischen Boden verlässt und Ungarn als autoritären Staat positionieren will.

Navracsics, Jurist und Politwissenschafter, ist der Sieger-Justiziar hinter den vielen problematischen Gesetzen und Orbans Chefideologe. Dass er an Orbans Hausuniversität einmal zum Teacher of the year gewählt wurde, qualifiziert ihn wohl fürs Bildungs-Ressort. Zum Thema Kultur findet sich in Navracsics' Vita nicht das allerkleinste Mauseloch.

Die Ernennung zeigt nicht nur, dass die europäischen Volksparteien ein dramastisches Problem mit Blindheit am rechten Auge haben, es wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Wertigkeit von in Sonntagsreden gern als Zukunftsthemen bezeichneten Bildungs- und Kultur-Agenden. Im grellen Konzert der von ökonomischen Zwängen beherrschten Kommission sind es eben doch nur leise Flötentöne; die noch dazu einer spielen darf, der die liberale europäische Demokratie verachtet.

Hauptsache Flatscreen. Ein Reflex erreicht die Mittelschicht

#familienpolitik #unterhaltungselektronik

Wir kennen das Klischee seit dem vor einigen Jahren extra erfundenem Genre der deutschen HartzIV-Reportage: die hoffnungslos langzeitarbeitslosen Unterschicht-Figuren, die - kaum einer menschenwürdigen Sprache mächtig - alle Klischees einer voyeuristischen Öffentlichkeit bestätigen.
Wichtiges Teilelement: miserable Ernährung beim Billigdiskonter oder per Junkfood, dafür aber Handy-Schulden und immer die neueste Unterhaltungselektronik.

Daran musste ich gestern bei den Sommergesprächen mit dem jetzt bereits flächendeckend nur noch Django genannten Reinhold Mitterlehner denken, als bei einem Zuspieler eine über finanzielle Nöte klagende Häuslbauer-Jungfamilie besucht wurde. Denn der Schwenk durch den weitläufigen Wohnbereich zeigte ihn: den Flatscreen, das Statussymbol mittlerweile praktisch jeder Schicht.

Nur zur Klarstellung: ich besitze keinen Flatscreen. Dazu müssen erst die alten Röhren-Kübel, die überaus anständige Bilder liefern kaputtgehen.

Nun setzt bei den Hartzer-Dokus (die in den letzten Jahren auch von den aktuell kurios streitenden Privatsendern eingeösterreichert wurde) spätestens wenn der Flatscreen die Wohnzimmer-Landschaft verschandelt, ein nicht zu verhindernder Reflex ein: wenn die sich sowas leisten können, dann wird's ihnen so schlecht doch nicht gehen. Unausgesprochener Nachsatz: den Sozialschmarotzern.

Nun hat dieses Phänomen auch die Mittelschicht erreicht; und macht deren Beschwerden über die schlechte Praxis von Kindergeld, Familienbeihilfe und Steuerlasten unglaubwürdig. Denn: Wenn sich die Häuslbauer, die im unverputzten Heim leben, sowas leisten können, dann wird's ihnen so schlecht doch nicht gehen.
Djangos Reaktion war übrigens der sinngemäße Verweis auf die vergleichsweise gute Position Österreichs im EU-Vergleich. Und angesichts der Unbelegbarkeit von anklagenden Einzelfällen geht's auch gar nicht anders.

Strafkommando U21: Ende der Ressourcenvernichtung

#fußballjournal14

Rein optisch war es knapp, dass es Österreichs U21-Nationalteam nicht zur Euro 2015 geschafft hatte: die ÖFB-Kicker schrammten als 16. recht knapp an den Top 14 vorbei, die ein Play-off um die sieben freien Plätze spielen dürfen. Noch dazu brachte der letzte Auftritt ein Auswärts-Remis in Spanien, beim bis dahin ungeschlagenen Top-Favoriten. Sieht alles gut aus.

Ich störe die Selbstabfeierung ungern, aber ganz so super und nur Pech allein war das nicht. Anders als bei der EM-Quali der Großen, wo es die besten ca zweieinhalb pro Gruppe schaffen, waren es hier eben nur ca eineinhalb. Man musste also guter Gruppenzweiter sein, und da ist eine Heimniederlage gegen Albanien nicht hilfreich. Da andere Mitbewerber in anderen Gruppen besser waren, war ein Sieg in Spanien nötig - weil dieses Spiel deutlich nach den Matches in den anderen Gruppen stattfand, wusste man um diese Ausgangsposition.

Trotzdem agierte die U21 gestern - von Werner Gregoritsch im flachen 4-4-2 aufgestellt, als wolle er die Ankündigungen seines Sportchefs vom Tag davor bewusst verarschen - so als würde ein Remis genügen: Bis zu zwei Drittel Ballbesitz ließ man den Spaniern. Die hatten ihre besten Spieler beim A-Team gesperrt oder auf der Bank, aber auch mit dem zweiten Anzug kein Problem mit der Kontrolle.

Dass das ÖFB-Team in Minute 95 (!) den Ausgleich schaffte, war zum einen der zunehmenden Unaufmerksamkeit des Gegners, andererseits aber auch einer plötzlich auftretenden Wurtschigkeit der vorgegebenen Taktik gegenüber geschuldet: dem Treffer ging eine Trickserei von Robert Zulj voraus, der den Spaniern einmal (weil's eh schon wurscht war) zeigen wollte, dass er's auch kann. Für mehr, den für die Play-Off-Quali eben nötigen Sieg, hatte es in keiner Sekunde des Matches gereicht. Dazu waren die Coaching-Vorgaben eindeutig zu dürftig.

Und, bei aller Freude, die ich mit einer Premieren-Qualifikation für eine U21-EM gehabt hätte (noch dazu im benachbarten Tschechien, also mit reeler Anreise-Möglichkeit): Es ist durchaus besser so.
Denn: Gregoritsch, der über die Jahrgänge 92, 93 und 94 verfügen kann, hatte die gesamte Amtszeit nichts besseres zu tun als junge Spieler abzumahnen, zu disziplinieren, auszuschließen und karrieregefährdend zu beschädigen. Darin ist er - im Gegensatz zur Erarbeitung von zielführenden Matchplänen - nämlich wirklich gut.

Mindestens 7 Spieler (darunter Talente auf wichtigen Zukunftspositionen, Jugendliche, die bei großen internationalen Clubs geschätzt werden) verlor Gregoritsch im letzten Jahr, auf etwa ein weiteres Dutzend andere verzichtet er (bei denen nicht nur strenge Heterosexualität, sondern auch die richtige - steirische - Herkunft eine wichtige Rolle spielt) unter völliger Außerachtlassung von Leistungsgedanken. Und bis zur Euro im Juni 2015 wären (mit Ausnahme seines Sohns) sicher noch einige dazugekommen: schließlich geht es beim gelernten Pädagogen Gregoritsch um Herrschaft, Bestrafung und großes Ego, und nicht so sehr um die Förderung junger Fußball-Talente.

Insofern bin ich ganz froh, nicht auch noch die Nominierung der Parodie eines EM-Kaders miterleben zu müssen.