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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

10. 9. 2014 - 15:14

Septemberfeste

Zwei Feste wurden gleichzeitig durchgeführt. Der Grillrauch stieg hoch im Himmel hinauf und durchmischte sich. Auf der Erde blieb aber alles getrennt.

Mit Akzent

Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharovs. Jeden Mittwoch in FM4 Connected (15-19h) und als Podcast.

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Im Park im Viertel bei mir gab es eine türkische Feier. Aus den weißen Zelten stieg ein leckerer Lammfleischgeruch in den Himmel empor. Es wurden allerlei Amulette und Schmuck verkauft. Kein Alkohol wurde ausgeschenkt - nur Tee und Ayran.

Hunderte Kinder rannten überall im Park herum, die Hände und Gesichter mit Lokum und Baklava verschmiert. Sie kraxelten auf die Kletteranlagen mit glücklichen Gesichtern oder spielten Fußball. Die Frauen saßen auf den Parkbänken und tauschsten wahrscheinlich gegenseitig Tricks aus, wie man mit dieser schreienden Horde von kleinen Teufeln am besten klarkommen kann. Die Männer spielten Backgammon, zupften an ihren prächtigen Schnurrbärten und schlürften schwarzen Tee aus ihren kleinen Gläsern. Fröhliche orientalische Musik erklang durch die Luft. Ich holte mir ein Adana Kebab und meine liebe M. bekam Baklava. M. traf auf ihre Friseurin Fatma. Sie sprachen eine Weile über Haarschnitte und Shampoos. Fatma hat den günstigsten Friseursalon in der Gegend. Laut M. streichelt Fatma ihre Haare so sanft beim Waschen, dass sie immer an ihre Mutter denken und einschlafen muss.

Baklava

CC BY 2.0, flickr.com, User: Oliver Hallmann

Über der Menge hing ein Plakat: "Irgendein - Verein für interkultureller Dialog und Integration". Ein "interkultureller Dialog" wurde nicht geführt, die österreichischen Bezirkbewohner mieden den Geruch vom Lammfleisch wie der Teufel Weihrauch. Sie liefen um den Park herum und schauten uns skeptisch an.

Ganz in der Nähe wurde ein österreichisches Oktoberfest im September durchgeführt. Alles war so, wie es sich gehört: Die Frauen trugen Dirndl mit riesigen Ausschnitten und Heidi-Frisuren. Die Männer Lederhosen, karierte Hemden und Wollsocken. Ich weiß, dass die Lederhosen von Vater zu Sohn weitergegeben werden und dass sie immer fettig sein sollen, damit das Leder nicht austrocknet. Alle Anwesenden bemühten sich stets, dass ihre Hosen nicht austrocknen. Ich habe noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen, die ihre Hände an ihren Hosen rieben. (Als ich ein Kind war, wurde meine Mutter immer böse, wenn ich mir die Hände in den Hosen abgeputzt habe. Was wohl die Mütter von den Lederhosenmenschen gesagt haben?) Man trank viel Bier und über dem Zelt hing der Geruch von Schweinestelzen und Würstel. Fröhliche Schlagermusik lag in der Luft.

Schweinshaxe, Stelze

CC BY 2.0, flickr.com, User: Jun Seita

Die Gäste vom Fest stiegen auf die Tische, wo sie wild tanzten und mitsangen. Viele der Männer mit Lederhosen haben einige Biere zu viel gehabt und fielen von den Tischen wie Kegel, die von einer Bowlingkugel niedergewälzt wurden. Alle lachten. Dann bestiegen sie mit einem Lächeln auf dem Mund den Tisch und tanzten weiter. Am Ende, wie es sich traditionell gehört, formierten einige der Septemberfestgäste eine schöne Schlägerei vor dem Bierzelt. Alle gingen mit einem frohen Herzen nach Hause.

Keiner der Türken aus der Gegend kam zu dem Septemberfest. Ich sah einige türkische Familien, die angewidert wie der Teufel vorm Weihrauch wegliefen, als sie die Schlagermusik und das laute Lachen gehört haben.

Hoch im Himmel vermischten sich die Gerüche von Lamm- und Schweinefleisch. Der "interkulturelle Dialog" wurde wahrscheinlich dort geführt. Dort, wo sich das Lachen der Kinder vermischte.