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Johanna Jaufer

Revival of the fittest... aber das war noch nicht alles.

8. 9. 2014 - 14:55

Liebe, Drogen und ein Waschsalon

Montagslethargie, Semesterstartstress und draußen stolpert die Welt den Abgrund entlang: in neon getaucht ergibt dieses Szenario ein Buch namens "Glow". Man kann es lesen, es ist wunderbar.

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Es gibt ihn, den Notfalls-Plan gegen das Gefühl, dass einem gleich der Alltag auf den Kopf plumpst. "Glow" probieren, sich also von der gleichnamigen Droge in Ned Beaumans Roman das Bewusstsein zerstäuben lassen und erleben, wodurch sich Eskapismus getaucht in ganz normale Sterbensverliebtheit auszeichnet.

Das reicht nicht? Okay! Fünf Gründe, die Glow zu einem Buch machen, das man sofort verzehren wird, sogar wenn gerade überhaupt keine Lust auf Papier besteht:

1.

Selten kann man so gefühlsecht nachvollziehen, wie es im Kopf einigermaßen durchgeknallter Leute zugeht. Hauptperson Raf, abgewrackter Halbjunkie, wohnhaft in einem Hinterhofverschlag in Südlondon, ist zu den absurdesten Assoziationen fähig, auch wenn er eine ganz banale Tatsache vorfindet: die Frau, in die er sich verliebt, hat zum Beispiel ein Gesicht mit prominenten Wangenknochen. Es erinnert ihn "an eine 3D-Computergrafik aus den Achtzigern, weil es aus der kleinstmöglichen Anzahl glatter kantiger Flächen zusammengesetzt ist". Klingt nach dem Versuch, möglichst hip daherzuseiern? Ja, aber ...

2.

... dieses Buch ist ein tadelloses Stroboskop. Tausend London-Hipster-Klischees in Wimpernschlag-Geschwindigkeit komprimiert auf dreihundert Seiten. Fängt an mit einem Fuchs-Porträt, das man sich genauso als Plattencover oder #blogger-#urban-#boyfriend-#boho-#vintage- #galaxy-#Printshirt-Inserat vorstellen kann. Dann natürlich die Geschichte selbst: Liebe und Glow, Modestudentinnen-Bettgeherinnen und Verbrecher mit noch viel mehr Glow.

Fuchs

© Hoffmann und Campe

3.

Selten findet man so dicht verpackte Stories, die ein todernstes Krimi-Drama ergeben, versetzt mit Slapstick: Raf hat eine sogenannte "Schlaf-Wach-Störung mit Abweichung vom Vierundzwanzig-Stunden-Rhythmus". Heißt, dass sein Körper glaubt, der Tag habe 25 Stunden. Was wiederum bedeutet, dass der gute Raf nicht sehr gut ins 24-Stunden-Schema passt. Auf seinem Bett liegen daher schon mal "etwa zwei Dutzend gebrauchte Ohrenstöpsel herum wie der Kot eines Hamsters, der sich nur von Verpackungsschaumstoff ernährt". Haha, wäh Raf, ur grauslich!

4.

Auch wenn wir hier atemlos der Geschichte von einem Junkie jenseits von gut und böse nachhetzen, der sich halt verliebt und damit leider leider in die Fänge eines Drogenkartells gerät: Junk-Food oder vielleicht sogar banal ist "Glow" absolut nicht. Es sind die Nebenschauplätze und Randnotizen, die einiges über globalisierte Schweinereien im Zeitalter der Killerdrohne erzählen. Wie Drogen, bei deren Produktion Füchse eine wichtige Rolle spielen, via Mafia-Syndikat Burma mit Südlondon verbinden und dass Liebesprobleme dabei trotzdem gleich herzzerreißend bleiben wie vor 250 Jahren.

Ned Beauman

© Benjamin McMahon

Ned Beaumans "Glow" ist bei Hoffmann und Campe in einer Übersetzung von Gerhard Henschel und Kathrin Passig erschienen

5.

Das klingt vielleicht ganz fein, aber du hast Angst, dass der Trip irgendwann zu Ende gehen könnte und der Absturz in den Alltag bevorsteht: du brauchst mehr Glow! Da bin ich nicht die richtige Ansprechpartnerin, aber überbrücken könnte man die fragliche Zeitspanne mit "Adler und Engel" - die Glow-haltigste Geschichte, die ich mir außerhalb von Südlondon und Burma vorstellen kann. Auch hier geht's um eine eigentlich unmögliche Verbandelung mitten im Großstadthaufen, die sehr viel mit einer internationalen Verbrecherbande zu tun hat und auch das Weltgeschehen berücksichtigt. Und jetzt - ausatmen. Oder, mit den Worten von Raf ausgedrückt: "Das sind so viele Informationen, die er verarbeiten muss, dass er sich wünscht, er hätte paar Wochen mit Isaacs neuroplastischer Tentakeldiät hinter sich."