Erstellt am: 8. 9. 2014 - 06:00 Uhr
Diese Band müsste man erfinden...
- FM4 Artist Of The Week
- Interpol
- ein online Anagramm-Generator (falls du selbst mal einen Albumtitel brauchst)
Zuerst die gute oder die schlechte Nachricht? Okay, fangen wir mit der schlechten an: Das neue Album von Interpol klingt genau so, wie man es sich erwartet hat. Jetzt die gute: Das neue Album von Interpol klingt genau so, wie man es sich erwartet hat.
Interpol gibt es jetzt seit zwölf Jahren. Würde es Interpol noch nicht geben, müsste man sie erfinden.
Ihren unverwechselbaren, kalten Gitarrensound; ihre stoische Gelassenheit auf der Bühne; ihre fast schon ikonenhafte Eleganz; ihr grandioses Songwriting; ihre lächerlich möchtegernpoetischen Texte. All das hat sich in den vergangenen zwölf Jahren kaum geändert. Und das ist gut so.
El Pintor
Jetzt ist also El Pintor da. Der stilprägende Bassist Carlos "D." Dengler ist mittlerweile ausgestiegen, was die internationale Musikpresse von einem "Neustart" der Band fantasieren lässt. Das stimmt zwar, weil die Band wieder bei ihren Wurzeln angelangt ist. Allerdings hatte sie sich von diesen Wurzeln im Lauf der letzten zwölf Jahre gerade einmal drei Millimeter wegbewegt.
Die Wurzeln, das ist "Turn On The Bright Lights" (2001). Ein stilprägendes Album, ein umwerfendes Debüt, in dem Interpol ihren Entwurf von Musik erstmals auf die Welt losgelassen haben. Damals mancherorts noch als gezwungen-zeitgeistige Joy Division Blaupause missverstanden, haben sie mit ihren folgenden Alben bewiesen, dass dieser Sound ihr voller Ernst ist und sie gar nicht dran denken, etwas anderes zu machen.
Zunächst mit dem Meilenstein von einer Indierock-Platte Antics, dann mit den leicht (drei Millimeter!) verschrobeneren Our Love To Admire und dem selbstbetitelten Interpol.
"Boring!"...
.... hör ich da schon die ersten schreien, denen das alles zu viel Musikhistory ist. Ist es aber gar nicht. Denn - Gedankenexperiment: Was wäre, wenn das aktuelle El Pintor das Debütalbum einer neuen Band wäre? Was, wenn also Interpol noch nicht erfunden wären?
Dann wären diese Songs der heißeste Scheiß des Jahres. Dann würden die eigenwillig mehrdeutigen Texte von Sänger Paul Banks millimetergenau seziert werden. Dann würden die ungewöhnlichen Soundwolken von Gitarrist Daniel Kessler und Freunden im Labor auf ihre DNS untersucht werden. Dann würden Abstände vermessen, Sounds verortet, Bezüge geschaffen und Verwandtschaften abgeklopft werden.
Aber so? So ist El Pintor einfach das neue, mittlerweile fünfte Album von Interpol. Zehn neue Songs der bestens bekannten und bestens erforschten Band. Und bei weitem nicht ihre schlechtesten.
Matador Records
Exklusiv! How to... replace Carlos D.?
Die vielleicht dringendste Frage zum neuen Interpol-Album haben wir uns von Paul Banks persönlich beantworten lassen.
Die Entstehung eines Interpol-Songs kann man sich so vorstellen. Also bisher. Gitarrist Daniel Kessler bringt die Song-Idee. Ein Song auf der Gitarre. So weit so klassisch. Dann kommt Carlos D., überlegt sich einen Basslauf dazu. Die beiden präsentieren ihren Gitarre-und-Bass-Song dem Sänger Paul Banks, der mit der zweiten Gitarre und seiner Stimme herumprobiert, bis es passt. Dann noch das Schlagzeug von Sam Fogarino und fertig ist der Interpol-Song.
Wie funktioniert das jetzt ohne Carlos? Zunächst hat es im Proberaum schlecht funktioniert. Daniel Kessler spielt seinen Gitarrensong seinem Sänger vor. Der aber ist unschlüssig. C-D-E? Oder doch eher F-G-E-A? Ohne Bassline ist Paul Banks verwirrt. Am nächsten Tag kommt er selbst mit dem Bass ins Studio. Plötzlich funktioniert alles bestens. Mit dem richtigen Basslauf kommt auch die zweite Gitarre und die Vocals wie von selbst.
Allerdings wird Paul Banks nicht müde zu betonen, "Carlos D. is a true genius". Trotzdem: erschreckend, wie sein Fehlen bei diesem Album so ganz und gar nicht ins Gewicht fällt.