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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 9. 2014 - 14:26

The daily Blumenau. Weekend Edition, 07-09-14.

Das Gegenteil der Peter-Alexander-Show: wenn die ironiefreie Lederhose den volksdemokratischen Schweinehund freisetzt.

The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Mit Items aus diesen Themenfeldern.

#volkstümlicherschlager #strassenfegerfernsehen #demokratiepolitik

1.

Der entscheidende Satz fiel unbeabsichtigt, als nämlich der Gastgeber die Gäste verabschiedete. "Mein Publikum ist euer Publikum!" rief er da in den Applaus. Das ist nun nicht nur ein wenig überzogen in seiner Arroganz, sondern vor allem auch im doppelten Sinn wahr. Das Publikum des jugendlich-frechen Interpreten von volkstümlicher Schlagermusik mit Poprock-Anklängen und das Publikum der Retrocountryrock-Copycats ist letztlich tatsächlich dasselbe; zwischen Andreas Gabalier und Boss Hoss passt in Wirklichkeit kein Löschblatt.

Und das ist die eine große Geschichte der Andreas Gabalier-Show, die von ORF, ARD und SRG am Samstag Hauptabend in jeden deutschsprachigen Haushalt geblasen wurde: dass es egal ist, um welche Art von in die Vergangenheit gerichteter Musik, um welche Art eines künstlich befruchteten, auf einen simplen Massengeschmack hingetrimmten Konsumprodukts es sich stilistisch handelt - durch ihren reaktionären Charakter spricht sie das letztlich selbe Publikum an.

Und zwischen Abklatsch-Folklorismus, Abschaum-Pop, Ornamentik-Rock und einer ins Machistische gedrängten ehemaligen schwulen Pose besteht dann eben kein Unterschied.

2.

Die andere große Geschichte ist die des Versuchs, aus Gabalier eine Art Peter Alexander des neuen Jahrtausends zu machen. Alexander, jedermanns Darling von der Nachkriegszeit bis in die 80er, schaffte es mit seiner regelmäßig ausgestrahlten und von unendlichem Erfolg gezeichneten Fernseh-Show auch, das (damals) Fremde und (damals) Andere zumindest einmal anzusprechen, Wesen aus anderen Welten (Johnny Cash, Falco) vorzustellen und die eigene heimelige Welt zumindest mit dem Mittel der Parodie auch einmal bloßzustellen.

Die Gabalier-Show war in allen Momenten das exakte Gegenstück dazu: nichts artfremdes, die bloße Ausstellung biederer Reaktion, vollständig ironiefrei. Selbst der lustig-sein-sollende Ritterschlag wurde durch Gabaliers Gestik zu einer Angelegenheit vollsten Ernstes.

Das ist Ausfluss der Geisteshaltung, die hinter Gabalier steht und die ein anderer ganz ganz Großer, einer der demnächst eine TV-Gala fürs Lebenswerk bekommt, ganz präzis auf den Punkt bringt: Udo Jürgens nämlich, der folgenden entscheidenden Satz im Zusammenhang mit dem Demokratie-Problemfall Gabalier zur nur scheinbaren Ideologie-Freiheit des Volkstümlers sagt: Wenn Sie in der Lederhose auftreten, verkörpern Sie auch die entsprechenden Werte.

3.

Das hören die Gabalistas ebenso wenig gerne wie Rechtpopulisten und andere Traditionalisten, die seit Jahren beharrlich versuchen, das Rückwärtsgewandte in die Mitte des Staats zu rücken, die Reaktion zum Mainstream zu machen.

Denn - und der Satz eines Udo Jürgens, der den letzten Weltenbrand noch miterlebt hat und politisch unverdächtig ist, gewinnt im Zusammenhang mit seinen anderen Aussagen noch an Gewicht - selbstverständlich ist die Tracht ideologisch und selbstverständlich ist die Hymnen-Verweigerung ein ganz bewusst gesetzter politischer Akt, von längerer Hand vorbereitet, als man uns glauben machen will.

Selbstverständlich sind die Untertöne und die ironiefreie Abfeierung eines Heimat-Begriffs, der Verweis auf einen verwurzelten Werte-Kanon, der sich gegen Ausländer, Frauenbewegte, Schwule und anderes unvölkisches Gesindel verwahren will, absichtlich gesetzt. Ebenso selbstverständlich wird der sponsorfähige Teil einer neuen Massenkultur (Stichwort: Automatencasinos) integriert; mit der Spaßkultur-Ausrede, die sich aus der populären Ablehnung von Nachhaltigkeit und Nachdenklichkeit speist und den menschlichen Lustfaktor zielgerichtet in dumpfen Konsum umleiten möchte.

4.

Da setzt der nationalsexuelle (das Copyright dafür hält die taz) Charakter von Gabalier ein. Anders als Wüteriche wie die Onkelz oder Frei.Wild sucht er nicht die wütenden jungen Menschen, um sie für Variationen diverser Untergrundzellen bereitzumachen, er spornt mit naturalistischem Bergbauern-Charme die Unbedarften an, ihren inneren (hierzulande wegen fehlender Aufklärung seit 34 und 45 für harmlos gehaltenen) Schweinehund nicht weiter zu verstecken, sondern rauszulassen, als lustiges Folklore-Element dessen, was man wohl gefälligst noch sagen dürfe.

Gabalier-Cover mit ihm als lebenden Hakenkreuz

universal

So kommt es zu menschlichen Hakenkreuz-Darstellungen, zum Hochlebenlassen der Achsenmächte und eisernen Kreuzen - als Teil einer Spaßkultur, die von einem feschen und natürlich apolitischen Buben unverdächtig und lange Zeit unangreifbar angeführt werden konnte. Deshalb sind auch die augenzwinkernde Verhöhnung demokratischer Symbole und die volkstribunhafte Anmutung, sich Gesetzen ja wohl noch widersetzen zu dürfen, weil nur das was das Volk direkt bestimmt hat Gültigkeit haben könnte, ein dezidierter Umzug in die Nachbarschaft von Viktor Orban, der mit Ungarn das liberale westliche Gesellschaftsmodell verlassen will und eine neue Rechtsaußen-Volksdemokratie mit autoritären Zügen anstrebt. Und in jeder Hinsicht mehrheitsfähig; nicht erst seit der TV-Show. Die manifestiert nur das, was längst da ist.