Erstellt am: 5. 9. 2014 - 18:58 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 05-09-14.
The daily blumenau hat seit Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
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Am Sonntag beginnt die Qualifikation für die Euro 2016. Und die UEFA hat einiges professionalisiert: die Termine purzeln nicht mehr selbstbestimmt wild durcheinander, die neun Gruppen sind auf drei Tage aufgeteilt. Deutschland und Portugal sind Sonntag dran, Spanien und England am Montag und Italien & die Niederlande am Dienstag. Sage keiner, dass das nicht geschickt orchestriert ist, um das öffentliche Interesse nicht an einem Tag zu verpulvern, sondern über drei Tage aufrecht zu erhalten.
Wie das kleine Leck in Kollers großem Plan aussieht
Die Österreich-Gruppe startet Montag und bereits das Heimspiel gegen Schweden wird viel erzählen: ob man sich gegen einen bereits gut bekannten Gegner besser einzustellen vermag, sich also taktisch weiterentwickelt hat. Und das meint nicht die Umstellung von einem bisherigen 4-4-2 auf ein angeblich ganz neues 4-2-3-1, von dem die Kronen Zeitung zuletzt eilfertig zu berichten wusste, sondern eine Reifung hinsichtlich Drüberbringen, also der Fixierung eines zwischenzeitlich erreichten Teilerfolgs.
Die Probleme bei der Nominierung des Kaders: waren schon im Vorfeld virulent, und den aktuellen Stand der Dinge in Sachen personelle Alternativen bringt der Kollege Sander hier und hier auf den Punkt. Jenseits dieser öffentlich ausgetragenen Debatte sind jetzt, nach einigen Monaten Kollerismus, einige subkutan in Erscheinung tretende Tendenzen festzustellen.
Zum einen die Tatsache, dass Koller den intelligenten Spieler schätzt. Das ist wichtig und es ist in Österreich doppelt wichtig, weil das nicht immer so war. Bei vielen Ex-Kickern/Dann-Trainern galt die Faustregel, dass jeder Spieler der g'scheiter war als der Chef, die Tribüne schmückte. Andreas Ogris gab sogar einmal zu Protokoll, Maturanten prinzipiell heimschicken zu müssen.
Das ist auch ein entscheidender Grund für Kollers Festhalten an Janko: sich mit diesem auch spielintelligenten Akteur auszutauschen, bringt den Teamchef in seiner Arbeit weiter. Ähnliches dürfte für Robert Almer gelten, für Prödl, Harnik und Alaba sowieso, und auch Rubin Okotie kann davon profitieren.
Allerdings hat Koller mit diesem ersten Kader für die EM-Quali '16 eine neue Sub-Regel eingeführt: auf intelligente Spieler, für die er nur die Ersatzbank in Aussicht hat, verzichtet Koller gleich ganz. So sind Andreas Ivanschitz und Andi Weimann, Fixstarter in Spanien/England, nicht dabei - der ins Profil passende Manuel Ortlechner wurde hingegen wohl eher Opfer der Austria-Krise.
Hintergrund der Maßnahme: einem g'scheiten Spieler ist der Verzicht auf ihn schwerer klarzumachen, als einem braven Soldaten. Von denen Koller eine Menge an Bord hat.
Und da hat diese Maßnahme auch ihre Schwachstelle. Denn diese Soldaten sind keine Spieler, die taktische Grundordnungen in einer Notsituation über Bord werfen und eigenständige Handlungen setzen. Leute wie Leitgeb oder (der sich allerdings in den letzten Jahren deutlich verbesserte) Junuzovic trennt genau die diesbezügliche Zögerlichkeit von echter Europa-Klasse.
Dieses Kapitäns-Gen bringen nicht viele Österreicher mit: Dragovic und Prödl, Alaba und Kavlak und auch Janko hat es, ist jedoch umsetzungstechnisch limitiert. Ivanschitz und Weimann können es auch, und auch Trimmel oder Liendl ist derlei zuzutrauen. Gerade im Offensivbereich limitiert sich Koller nun also mit seiner Entscheidung ohne echte Not.
Harnik, Junuzovic und Arnautovic sind eindeutig die beste Offensiv-Achse, die Österreich für Kollers 4-2-3-1 aufbringen kann. Die Kraft der eigenständigen Entscheidung in den kritischen Phasen ist aber nicht ihre große Stärke. Und weil es gegen Schweden und in der gesamten 16er-Campaign eben hauptsächlich darum gehen wird, die Fixierung von Teilerfolgen zu schaffen, also die kritischen Phasen zu überwinden, was nur durch schnelle Reaktion auf dem Platz möglich ist, kann es hier Probleme geben.
Koller selbst ist an der Outlinie bekanntlich ein Zauderer, der gerne wertvolle Zeit verrinnen lässt, ehe er (dann meist sehr konventionell) reagiert. Und wenn es auf dem Platz dann letztlich nur David Alaba ist, der sich in den entscheidenden Spielphasen auch taktisch/umstellungsmäßig dagegenwirft, dann kann das (wie schon für die WM 2014) knapp zu wenig sein.
Die U21 retour in eine überwunden geglaubte Vergangenheit
... dieser Text begleitete das Spiel der ÖFB-U21 gegen Bosnien.
Nach dem Selbstfaller im März, als man das Heimspiel gegen Albanien verlor, ist das heutige Spiel gegen Bosnien die letzte Chance der U21-Nationalmannschaft unter Werner Gregoritsch sich noch irgendwie als einer der besten Gruppen-Zweiten für die U21-Euro 2015 zu qualifizieren. Denn der Gruppensieger steht fest: Spanien, gegen die man im letzten Match auswärts antreten muss - und da waren die Jungstars schon daheim ohne jede Chance. Allerdings wird es nötig sein dort zu punkten, will man eine echte EM-Chance haben - so gesehen ist das Bosnien-Spiel also ein Test dafür ob man für den Ernstfall am nächsten Dienstag gerüstet ist, sich also halbwegs eingespielt hat und mit einer zuugeschnitteten Strategie versehen ist. Zweiteres kommt bei Gregoritsch nicht vor, ersteres ist ein durch seine wilde Personal-Verschwendung entstandenes Problem.
Die U21 umfasst die Jahrgänge 92 bis 94 und die sind verdammt gut besetzt, weil das Akademiesystem nach Jahres des Aufbaus gegriffen hat. Dass ein viel zu großer Zeil dieser Talente den Umstieg ins big business noch immer nicht packt, muss Ausgangspunkt für die nächste Reform von Liga und Verband sein, aber das ist eine andere Geschichte.
Trainer Werner Gregoritsch hat nach zwei zu Skandälchen aufgeblasenen, in Wahrheit reichlich lässlichen Disziplinargeschichten seine einzige Tugend (den harten Hund markieren) bestätigt, sich aber dabei auch selber einer ganzen Latte an Klasse-Spielern beraubt. Junglegionär Holzhauser, der Benfica Lissabon gehörende Kevin Friesenbichler die Ligaspieler Ziegl, Murg, Martschinko, Offenbacher, Neuhold und Tormann Leitner fehlen deshalb, auf Bayern-Youngster Ylli Sallahi verzichtet der Ex-KSV-Trainer wegen einer alten Fehde, auf diverse Torleute (Stojanovic, Radlinger, Hendl...) halt so, Trainersohn Michael und Florian Kainz sind gesperrt, Tormann Strebinger verletzt.
Trotzdem stehen im Kader mit Cican Stankovic, Farkas, Spendlhofer, Janeczek, Mwene, Gartner, Ritzmaier, Schaub, A. Schöpf, K. Stöger, Sohn Vastic, Djuricin oder Robert Zulj eine ganze Latte an tollen Talenten (erfolgreiche Legionäre, mit Erfahrung gesegnete Ex-Legionäre, Bundesligastammspieler, Kapitäne...) zur Verfügung. Am Spielermaterial kann es also nicht liegen - diese Ausrede fällt für den Urasser Gregoritsch weg.
Übrigens wären auch noch die beim A-Team befindlichen Alaba, Hinteregger, Kevin Wimmer, Sabitzer und natürlich Lazaro bei der U21 spielberechtigt.
Die Aufstellung: 1 C. Stankovic; 17 Farkas (K), 18 Spendlhofer, 15 Rath, 3 Schilling; 21 Gartner, 8 A. Schöpf; 20 Schaub, 10 R. Zulj, 19 K. Stöger; 9 Djuricin.
Die Bank: 12 Riegler; 2 Mwene, 5 Janeczek, 6 Wydra, 22 Ritzmaier, 13 Onisiwo, 7 T. Vastic (alle in rot-weiss). Ort: die SKN-Arena in St. Pölten.
Gegner Bosnien (in blau) wird von Rapidler Srdjan Grahovac (10) aufs Feld geführt. Innenverteidiger Matelsi (5) spielt bei Vitesse, Stürmer Maletic (9) bei Excelsior in Holland, Mittelfeldspieler Zolotic (6) bei Gent, Stürmer Krunic (23) bei Verona - der Rest spielt in Kroatien und Bosnien; das ist eine international deutlich weniger erfahrene Mannschaft - jünger ist sie auch.
Taktisch sieht das wieder nach der Milanic-Schule aus: die Ketten stehen weit auseinander, die beiden Sechser (vor allem Alessandro Schöpf lässt sich weit fallen, geht zwischen die zentrale Abwehr) gehen kaum über den Mittelkreis hinaus, von einem kreativen Aufbau kann keine Rede sein, die offensive Four werden eher mit weiten Bällen forciert; das gern geforderte schnelle Umschalten sieht man nur beim Gegner, dessen nominelles 4-3-3 in der Praxis eher einem 4-5-1 gleicht. Das flotte Führungstor für Österreich fällt folgerichtig aus einem Freistoß.
Dem 2:0 von Djuricin in Minute 33 gingen zwei recht derben Old-School-Passes durchs Zentrum voraus, die von einer Klassemannschaft (Spanien etwa...) im Schlaf antizipiert worden wären. Das zunehmende hohe Pressing der Bosnier macht den Aufbau der Österreicher noch armseliger, noch zufälliger. Angesichts der individuellen Klasse der Akteure (vor allem im Vergleich zum limitierten Gegner) ist das absurd.
Zu Halbzeit 2 bringt Bosnien Modic (20) von der Primavera des AC Milan. Der bosnische Fanblock böllert und zündelt weiterhin als gäbe es kein Morgen. Neue Erkenntnisse bringt die 2. Hälfte keine. Die Wechsel (Wydra für Gartner, Onisiwo für Schaub, Ritzmaier für Zulj) erfolgen im System.
Dass diese gruppentaktisch äußerst schwache Leistung gegen Bosniens U21 genügte (wiewohl alles auch anders hätte laufen können; Stichwort: übersehener Handselfer) ist der Schwäche des gegners geschuldet. Für Spanien genügt eine solche visions- und planlose Vorstellung ohne klugen Aufbau, ohne forsches Pressing, ohne Matchplan, ohne Idee nicht einmal für eine mittelgroße Packung. Im Stil schauderlicher Vorbilder wie Dietmar Constantini gelingt es dem Coaching-Team nicht die individuelle Klasse seines Personals sinnvoll einzusetzen.