Erstellt am: 3. 9. 2014 - 16:36 Uhr
Motten, eine bissige Drei und die Saliera
"Das Große Museum" startet am Freitag, den 5. September in den österreichischen Kinos.
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Es gibt Verhaltensweisen, bei denen man unversöhnlich sein muss. Eine, in Österreich besonders verbreitete, ist die Autorität durch Herkunft oder Position. Wer wurde nicht schon einmal wegen eines fehlenden Katzenauges am Fahrrad von der Polizei zur Schnecke gemacht (musste dann aber dank unterwürfigen Verhaltens keine Strafe zahlen)? An solche Dinge musste ich unter anderem denken, während ich mir "Das Große Museum" angeschaut habe.
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Eine Besprechung: es geht um Budget, Zinsen, einen Rekordgewinn. Dann stellt eine Mitarbeiterin den Sujet-Entwurf für die Jahreskarte vor und bittet um Feedback. Niemand außer der Mann am Kopf des Tisches sagt etwas. Der Dreier sei viel zu bissig und das Wort "gültig" eine Katastrophe. Wieder sagt niemand etwas und die Mitarbeiterin packt den Entwurf wieder ein. Ohne dass ein Name oder eine Berufsbezeichnung eingeblendet werden müsste: man weiß, wer der Chef ist.
Oder eine andere Szene mit ähnlich beispielhaftem Charakter: In einem Ausstellungsraum stehen goldumrahmte Ölgemälde auf dem Boden, die von Männern auf Anweisung durch den Raum getragen werden. Diese Anweisungen kommen nicht direkt, obwohl sich die Frau, die offensichtlich über die Hängung entscheidet, im selben Raum befindet. Sie spricht nur mit ihrer Assistentin. Diese vermittelt die Bildverschiebungen weiter an die Hackler. Auch hier braucht es keine Einblendung, um die Hierarchien zu erkennen.
"Das Große Museum" ist - unter anderem - ein wunderbares Lehrstück über Insignien der Macht und zeigt auf wundersame Weise, was es bedeutet, dass Museen das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft sind. Wo sonst als in einer Institution wie dem Kunsthistorischen Museum sollte die in der österreichischen Gesellschaft tief verankerte Obrigkeitshörigkeit der Monarchie deutlicher zutage treten?
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Das Kunsthistorische Museum besitzt, verwaltet und stellt das ästhetische Erbe der Habsburger aus, einen ungeheuren Reichtum und Schatz. Entscheidend sei aber, in welchem Bewusstsein man diesen Nachlass vermittle, sagt ein Kunstvermittler in einer Szene, in der es darum geht, dass ein Gemälde, das Maria Theresia und ihre Söhne zeigt, zurück in die Präsidentschaftskanzlei kommt. Als treue Diener oder als selbstbewusster Bürger der Gegenwart?
Vierzehn Monate lang haben Johannes Holzhausen und sein Team im Kunsthistorischen Museum gedreht. Aus diesem Material hat er gemeinsam mit Dieter Pichler einen Film geschnitten, der zeigt, welcher Aufwand notwendig ist, damit das Museum und sein Bestand unverändert erhalten bleibt. Da werden die Motten in den Fallen unter der Kassettendecke gezählt, da werden tote Insekten unter einer Leinwand herausgepickt und mikroskopisch analysiert, da beugt sich eine Frau mit Mundschutz und Stirnlampe wie eine Zahnärztin über einen Eisbärenkopf. Außerhalb des Gebäudes wird Unkraut gejätet.
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Es ist faszinierend anzusehen, mit welcher Akribie und Liebe zum Detail die MitarbeiterInnen des Museums mit den Objekten umgehen. Dabei scheint es völlig egal zu sein, ob es sich bei dem gerade bearbeiteten Werk um einen ausgestopften Frosch oder einen Salz-und-Pfeffer-Streuer im Wert von 50 Millionen Euro dreht. So treibt der Film dem Museum seine Größe aus.
Und auch mit Lebewesen wird sorgfältig Umgang gepflegt: Die Generaldirektorin führt den Bundespräsidenten durch die neu eröffnete Kunstkammer, ein älterer Mann im Arbeitskittel (im Abspann stellt sich heraus, es handelt sich um den Direktor der Hofjagd- und Rüstkammer) legt den Vögeln Nüsse aufs Fensterbrett.
So stimmt mich dieser Film dann doch wieder versöhnlich: es sind keine schlechten Menschen, die in diesem Museum arbeiten. Die meisten von ihnen können nichts dafür, dass der Staub der Monarchie derart widerstandsfähig an der österreichischen Gesellschaft klebt.
Johannes Holzhausen im Interview
Der Regisseur von "Das Große Museum" im Gespräch mit Anna Katharina Laggner.
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